# taz.de -- Kritischer Journalismus in Südamerika: Investigativ? Nicht in Peru | |
> Eine Redaktion berichtet über Korruption, plötzlich steht die | |
> Staatsanwaltschaft im Büro. Der Investigative Journalismus in Peru ist in | |
> der Krise. | |
Bild: Zeitungsleserin an einem Stand in Huaraz | |
Es ist ein Dossier, das auf brutale Weise bestätigt, was in Peru viele | |
längst vermuteten: dass die Justiz in dem südamerikanischen Land von | |
Korruption durchsetzt ist. Dass Gerichtsurteile zu kaufen sind. | |
Am 7. Juli erschien die Recherche einer Gruppe Investigativjournalisten mit | |
dem Titel „[1][Gerichte und die Korruption]“ auf der Homepage des | |
Rechercheverbunds IDL-Reporteros sowie in den sozialen Netzwerken. Gleich | |
gegen fünf Richter präsentierten die Journalisten Beweise für | |
Amtsmissbrauch, Korruption und Klientelismus. Telefonmitschnitte, | |
aufgenommen mit richterlicher Erlaubnis, überführen die Juristen. | |
So fordert Walter Ríos, Vorsitzender des Obersten Berufungsgerichts in der | |
Hafenstadt Callao, eine bestimmte Summe US-Dollar von seinem | |
Gesprächspartner für seine Dienste. Sein Kollege am Obersten Gericht, César | |
Hinostroza, möchte von einem Mann am anderen Ende wissen, ob dieser für den | |
wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen Angeklagten eine Strafminderung | |
wünsche – oder einen Freispruch? | |
Gustavo Gorriti Ellenbogen, Direktor von IDL-Reporteros, sagt: „Das | |
kriminelle Netzwerk erstreckt sich über mehrere Institutionen und die | |
Telefonmitschnitte bieten Anhaltspunkte für weitere Recherchen.“ | |
Drei Tage später, am 10. Juli, taucht die Staatsanwaltschaft in der | |
Redaktion von IDL-Reporteros auf. Sie will die Mitschnitte beschlagnahmen | |
und fragt nach deren Herkunft. Für Gorriti ein massiver Eingriff in die | |
Pressefreiheit und in den Quellenschutz. Der Redaktionsleiter von | |
IDL-Reporteros verweigert die Herausgabe der Mitschnitte, von denen | |
mittlerweile Dutzende auf YouTube stehen. Gorriti wirft der | |
Staatsanwaltschaft vor, die Redaktion einschüchtern und die Ermittlungen | |
behindern zu wollen. | |
## Eine aussterbende Spezies | |
Ein durchaus ernstzunehmender Vorwurf, denn viele der korrupten Richter, | |
die sich in den Telefonmitschnitten selbst massiv belasten, verfügen über | |
exzellente Verbindungen. Da Gorriti allerdings dank eines ihn begleitenden | |
Fernsehteams den Besuch des Staatsanwalts öffentlich macht, löst der Fall | |
eine Welle der Solidarität aus. Präsident Martín Vizcarra, der mittlerweile | |
eine grundlegende Reform des Justizsystems auf den Weg gebracht hat, | |
bedankte sich in seiner Rede an die Nation vor einer Woche ausdrücklich für | |
die investigative Arbeit der Presse. | |
Allerdings ist das Problem größer: Investigativer Journalismus wird immer | |
seltener in Peru. Traditionelle Redaktionen betrieben ihn kaum noch, | |
kritisiert Gustavo Gorriti. Der 70-jährige Reporter gehört zu einer | |
Handvoll hartnäckiger Journalisten alter Schule, die in Peru als „nicht | |
mehr anstellbar“ gelten. „Journalisten wie [2][Rosa María Palacios], César | |
Hildebrandt und ich haben uns unsere eigenen Nischen geschaffen. Rosa María | |
Palacios arbeitet für einen kirchlichen Radiosender, César Hildebrandt | |
bringt seine eigene Wochenzeitung heraus und ich habe 2009 das Konzept für | |
IDL-Reporteros entwickelt“, so Gorriti. | |
## Interessenkonflikte häufen sich | |
Das investigative Recherche-Portal ist bei der Nichtregierungsorganisation | |
Instituto de Defensa Legal angesiedelt. Die bietet juristischen Beistand, | |
verteidigt Grundrechte und betreibt einen eigenen Radiosender. „Wir werden | |
von Anfang an von der Open Society Stiftung finanziert, sind derzeit ein | |
kleines Team von fünf Journalisten und recherchieren im Bereich | |
Korruption“, so Redaktionsleiter Gorriti. | |
Er und sein Team haben im Laufe der Jahre Recherchenetzwerke aufgebaut. | |
Bevor die anonymen Hinweise zum Justizsystem kamen, beschäftigten sich die | |
Journalisten mit dem milliardenschweren Korruptionsskandal „Lava Jato“ im | |
Umfeld des brasilianischen Erdölkonzern Petrobrás. | |
Die kritische Recherche ist nicht überall gern gesehen. „Ende Juni 2018 | |
wurde ein Gesetz verabschiedet, welches dem Staat verbietet, | |
Anzeigenkampagnen in privaten Medien zu schalten“, sagt der linke Politiker | |
Marco Arana. „Hintergrund ist, dass einige Parteien mehr Einfluss auf die | |
Berichterstattung der großen Medien nehmen wollen“, so der Abgeordnete der | |
linken Frente Amplio. Doch das Problem liegt tiefer. | |
Die [3][Konzentration im Mediensektor] hat nicht nur zu weniger Vielfalt, | |
sondern auch dazu geführt, dass die Unternehmen in Interessenskonflikte mit | |
den Eigentümern geraten. So zum Beispiel bei der Tageszeitung El Comercio, | |
wo ein Aktionär des Verlags in einen Korruptionsskandal involviert war. An | |
kritischer Recherche hatte dieser kein Interesse. Je weniger Unternehmen | |
über den Medienmarkt bestimmen, desto häufiger treten solche Fälle auf. | |
„Dem investigativen Journalismus ist das nicht gerade zuträglich“, klagt | |
Gorriti. | |
7 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://idl-reporteros.pe/corte-y-corrupcion/ | |
[2] /Medienlandschaft-in-Peru/!5404363 | |
[3] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/bedrohlich-… | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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