# taz.de -- Kommentar Gewalt gegen Schulen: Wissen unter Beschuss | |
> In einem Drittel aller Staaten ist es gefährlich, Bildung wahrzunehmen. | |
> Die Zivilgesellschaft solcher „failed states“ ist hilflos. Was kann man | |
> tun? | |
Bild: Haben ihren Spaß: Kinder einer Grundschule im nigerianischen Roni | |
Im Osten Afghanistans sind seit vergangener Woche über hundert Schulen | |
geschlossen. Nicht wegen Ferien, baulicher Mängel oder einer | |
Naturkatastrophe. Sondern, weil die Taliban mit einem Wort das | |
Bildungssystem in einer ganzen Region lahmlegen können. Eine offene Drohung | |
gegen die Lehrkräfte reichte aus, dass 60.000 Schülerinnen und Schüler auf | |
unbestimmte Zeit auf ihr Menschenrecht auf Bildung verzichten müssen. | |
In der Statistik, die die selbst ernannte „globale Koalition zum Schutz | |
angegriffener Bildung“ alle vier Jahre veröffentlicht, wäre die | |
folgenreiche Taliban-Drohung ein einzelner „Angriff“. Man kann das | |
weltweite Ausmaß der Gewalt gegen Schulen erahnen, wenn man im jüngsten | |
Bericht liest: 12.700 solcher Vorfälle haben die AutorInnen zwischen 2013 | |
und 2017 in den 70 gewaltvollsten Ländern registriert – deutlich mehr als | |
zuletzt. Der Bericht ist eine bedrückende Sammlung an Augenzeugenberichten | |
von Verbrechen, die vor allem eines zeigt: In einem Drittel aller Staaten | |
ist es [1][mitunter lebensgefährlich, Bildung überhaupt wahrzunehmen]. | |
Wenn in Ländern wie Nigeria oder Afghanistan Millionen Kinder nicht zur | |
Schule gehen, dann auch wegen der Unerbittlichkeit, mit der Gruppierungen | |
wie Boko Haram oder Taliban gegen die aufklärerische Macht von Bildung | |
vorgehen. Wenn in Syrien und in Teilen der Ukraine kaum mehr Unterricht | |
stattfindet, dann wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen vor Ort. Und | |
wenn wie in Uganda Studentinnen systematisch sexuell missbraucht werden, | |
dann verwundert es kaum, dass Frauen vor einer höheren Bildung | |
zurückschrecken. | |
Von diesen Zusammenhängen ist allenfalls dann die Rede, wenn Gremien der | |
Vereinten Nationen über globale Bildungs- und Entwicklungsziele sprechen. | |
Viele PolitikerInnen in Europa tun aber so, als würde man Fluchtursachen | |
wirksam bekämpfen, wenn man ein paar Jobs schafft. Fakt ist: Die | |
Zivilgesellschaft solcher failed states, in denen der Staat die Sicherheit | |
seiner BildungsbürgerInnen nicht garantieren kann, ist im wahrsten Sinne | |
hilflos. Diese Ratlosigkeit drücken auch die Empfehlungen aus, die die | |
globale Koalition gegen Gewalt an Schulen ausspricht: etwa jene an die | |
entsprechenden Regierungen, die „Safe Schools Declaration“ zu unterzeichnen | |
und umzusetzen. Als ob dadurch die tägliche Bedrohung durch Krieg, | |
bewaffnete Gruppen oder männlich geprägte Machtstrukturen verschwände. | |
Was also kann man tun? Wahrscheinlich nicht viel mehr, als unablässig Daten | |
zu erheben und darauf hinzuweisen, wie zahlreich die Bildungsfeinde in | |
unserer modernen Welt noch sind. | |
25 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Unterricht-in-Kriegsgebieten/!5519669 | |
## AUTOREN | |
ralf pauli | |
## TAGS | |
Schule | |
Bildung | |
Bürgerkrieg | |
Schwerpunkt Afghanistan | |
Entwicklungsziele | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Unterricht in Kriegsgebieten: Tatort Schule | |
Die Gewalt gegen SchülerInnen und LehrerInnen nimmt nach einem aktuellen | |
Bericht weltweit zu. Fünf taz-KorrespondentInnen berichten. | |
Sichere Herkunftsländer sind relativ: Deutsche darf nicht nach Afghanistan | |
Sybille Schnehage betreibt ein Hilfsprojekt in Kundus. Besuchen darf sie es | |
aber nicht mehr: Die Bundesrepublik verbietet ihr die Ausreise. | |
UN-Entwicklungsziel „Bildung für alle“: Gar kein Unterricht | |
264 Millionen Kinder und Jugendliche weltweit sind im Jahr 2015 nicht zur | |
Schule gegangen. Das zeigt der Weltbildungbericht der Unesco. |