# taz.de -- Schwedens Presserat rügt #metoo-Berichte: „Unverantwortliche Sch… | |
> Schwedens Presserat hat mehrere Zeitungen wegen ihrer Berichterstattung | |
> in der #metoo-Debatte gerügt. Sie hatten Namen von Beschuldigten genannt. | |
Bild: Hätte es die #metoo-Debatte gegeben, wäre Harvey Weinsteins Name nicht … | |
Thomas Mattsson sieht die Rüge nicht ein: Lege man einen solchen Maßstab an | |
„hätte es eine internationale metoo-Bewegung überhaupt nicht gegeben“. | |
Mattsson ist Chefredakteur der Stockholmer Tageszeitung Expressen – und die | |
habe laut dem schwedischen Presserat eine „unverantwortliche | |
Persönlichkeitsschädigung“ begangen, wie der „Pressens opinionsnämnd“ … | |
nun entschied. | |
Die Expressen ist nicht die einzige schwedische Zeitung, die eine Rüge von | |
dem mit dem deutschen Presserat vergleichbaren Ethik-Gremium erhielt. Fünf | |
weitere Blätter handelten sich ähnliche Verdikte ein, darunter Dagens | |
Nyheter und Svenska Dagbladet. Bei der linken Wochenzeitung Arbetaren | |
lautet der Vorwurf „grobe Verletzung“ der publizistischen Ethik. Die | |
Zeitungen müssen nun Geldbußen zahlen, die PO-Entscheidungen | |
veröffentlichen und juristische Folgen befürchten. | |
In allen Fällen geht es um die #metoo-Berichterstattung. Konkret um die | |
Nennung von Namen. In den nun verurteilten Zeitungen waren eine oder | |
mehrere von vier prominenten Personen aus der Kultur- und Medienbranche | |
wegen angeblicher Übergriffe und sexualisierter Gewalt angeprangert worden. | |
Teilweise wegen solcher, die den Straftatbestand der Vergewaltigung hätten | |
erfüllen können. | |
Die namentlich Genannten hatten sich mit Anzeigen beim PO dagegen gewehrt | |
und bekamen nun Recht: Ihnen sei „auf unverantwortliche Weise Schaden | |
zugefügt worden.“ Åsa Linderborg, Kulturchefin des – ebenfalls verurteilt… | |
– Aftonbladet begrüßt das PO-Votum. Sie spricht von „Lynchjustiz“ und e… | |
„bislang beispiellosen Vorgang in der schwedischen Pressegeschichte“. | |
## Trotz juristischer Freisprüche | |
Meist allein aufgrund anonymer Beschuldigungen und teilweise trotz | |
juristischer Freisprüche hatten die Zeitungen Schuldvorwürfe gegen die vier | |
Männer und Frauen zumindest suggeriert. Trotz teilweise mangelnder Belege | |
für die behaupteten Handlungen wurde mit Namensnennung publiziert. Dabei | |
habe man keine Rücksicht darauf genommen, dass „demjenigen, dem öffentlich | |
sexualisierte Übergriffe vorgeworfen werden, unabhängig vom Wahrheitsgehalt | |
lebenslange Konsequenzen drohen könnten“, kritisiert Presseombudsman Ola | |
Sigvardsson. | |
Er findet es „besonders bemerkenswert“, dass „hochkarätige Publikationen… | |
sich schuldig gemacht hätten. Und zwar nicht etwa aus Schlamperei, sondern | |
„nach umfangreichen Recherchen“. Sigvardsson Vermutung: „Sie konnten dem | |
Sturm in den sozialen Medien nicht widerstehen.“ | |
Die Berichterstattung über Missbrauch und sexualisierte Gewalt sei wichtig, | |
betont der Presseombudsman, allerdings habe man sich in den konkreten | |
Fällen mehr auf die Person, als auf die Sache konzentriert. Das sei | |
zwingend gewesen, meint Chefredakteur Thomas Mattson und fragt: Hätte es | |
die #metoo-Bewegung gegeben, wenn die New York Times im Herbst letzten | |
Jahres nicht die Person Harvey Weinstein genannt hätte? Er wirft dem | |
schwedischen PO eine „subjektive“ und „zu enge Auslegung“ des | |
publizistischen Auftrags der Presse vor. | |
Fredric Karén, Chefredakteur des Svenska Dagbladet greift Sigvardsson | |
Hinweis auf die sozialen Medien auf. Mit denen gebe es tatsächlich einen | |
neuen Akteur in der öffentlichen Debatte. Und im Netz seien ja die | |
Anschuldigungen und Namen schon vor der Veröffentlichung in den Zeitungen | |
kursiert. | |
## Im Digitalzeitalter angekommen | |
Er begrüße zwar durchaus, wenn aufgrund der jetzigen PO-Entscheidung in den | |
Redaktionen wieder mehr Zurückhaltung einkehren sollte. Fragt aber | |
gleichzeitig, ob das schwedische Presseethikgremium eigentlich schon im | |
Digitalzeitalter angekommen sei. | |
Die Argumentation „überall kann man das ja sowieso schon lesen, also machen | |
wir das auch, ein eventueller Schaden ist eh passiert“, lässt Åsa | |
Linderborg nicht gelten. Damit ließe sich im Zweifel jeder Rufmord | |
entschuldigen. | |
Für den liberalen EU-Parlamentarier Jasenko Selimovic ist es „erschreckend | |
und unverständlich“, dass Personen, die die Justiz von allen Anklagen | |
freigesprochen hatte, in schwedischen Medien trotzdem als möglicherweise | |
schuldig öffentlich vorgeführt worden seien: „Wie hätten sie reagiert, wenn | |
das in Ungarn oder der Türkei passiert wäre?“ | |
[1][Benny Fredriksson, der ehemalige Leiter des Stockholmer Stadttheaters], | |
der im Zuge der schwedischen #metoo-Debatte ebenfalls des Missbrauchs | |
beschuldigt worden war, hatte sich nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe | |
umgebracht. | |
4 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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