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# taz.de -- Proteste gegen korrupte Politiker im Irak: Regierung in Bagdad unte…
> Der Süden des Irak ist reich, doch davon kommt zu wenig bei den einfachen
> Bürgern an. Jetzt gibt es dort Proteste gegen die korrupte Führung.
Bild: Die Demonstranten im Irak sind wütend wegen der hohen Arbeitslosigkeit u…
Istanbul taz | Das südirakische Basra schwimmt in Öl, trotzdem sehen manche
Stadtteile aus wie Slums. Viele Menschen sind arbeitslos, oder sie schlagen
sich als Tagelöhner durch. Das Wasser, sofern es überhaupt aus dem Hahn
kommt, ist so salzig, dass man damit nicht einmal die Zähne putzen kann.
Und bei Temperaturen von mehr als 45 Grad fällt regelmäßig der Strom aus.
Die Misere ist nicht neu, trotzdem ist die Regierung seit Jahren nicht in
der Lage, sie zu beheben.
„Genug ist genug“ haben jetzt viele gesagt. Seit mittlerweile zehn Tagen
gehen Tausende auf die Straßen, um ihren Forderungen nach besseren
Dienstleistungen und nach Arbeitsmöglichkeiten Gehör zu verschaffen. Es
sind nicht die ersten Proteste im Südirak, aber noch nie waren sie so groß
und umfassten mehr oder weniger die gesamte mehrheitlich schiitische
Region. Begonnen hatten die Proteste am Sonntag voriger Woche, als
Demonstranten den Zugang zu einem Ölfeld bei Basra blockierten. Von dort
aus breiteten sie sich auf weitere Ölfelder, die zusammen mehr als die
Hälfte der irakischen Ölexporte liefern, auf den Hafen von Umm Qasr sowie
alle neun Provinzhauptstädte des Südens aus.
Um die Lage zu beruhigen, kündigte der amtierende Ministerpräsident
[1][Haider al-Abadi] eine Sofortüberweisung von umgerechnet 2,94 Milliarden
Dollar nach Basra an und versprach die Schaffung von Tausenden von
Arbeitsplätzen. Nach einer Sitzung mit Vertretern der verschiedenen
politischen Blöcke kündigte er zudem ein Reformprogramm an, das dem Südirak
mehr Strom und sauberes Wasser bescheren soll. Dabei tat er, was irakische
Regierungschef immer tun, wenn sie unter Druck geraten: Er gründete ein
Ausschuss.
Beeindruckt hat er die Demonstranten nicht. Hunderte blockierten am
Dienstag die Zufahrt zu einem weiteren Ölfeld nahe Basra. Im rund 370
Kilometer nordwestlich gelegenen Diwaniya stürmte eine aufgebrachte Menge
den Sitz der Provinzregierung. Obwohl die Proteste großteils friedlich
sind, entlud sich der Zorn an manchen Orten in den letzten Tagen in Gewalt.
Dabei steckten sie die Büros von schiitischen Parteien in Brand, die sowohl
die Regierung in Bagdad wie die Provinzregierungen dominieren, und legten
den Flughafen der Pilgerstadt Najaf lahm. Jordanien und Iran stellten die
Flüge dorthin ein.
## Bilder zeigen brutale Polizeieinsätze
Die Wut richtete sich aber auch gegen schiitische Milizen, die mit Iran
verbündet sind. Die Regierung hat Tausende von Soldaten und Mitgliedern von
Eliteeinheiten in die Region geschickt. Mindestens acht Personen wurden
getötet und Hunderte verletzt. Inzwischen hat Abadi Befehl erteilt, keine
scharfe Munition zu verwenden. Doch Bilder aus der Region zeigen, wie
Soldaten und Polizisten brutal mit Holzstöcken auf Demonstranten losgehen.
Der Sprecher der berüchtigten Miliz Asaib Ahl al-Haqq drohte am Dienstag
den Demonstranten offen mit Gewalt. „Wir werden denen, die unsere Büros
angreifen, die Hände abhacken“, sagte Scheich Saidi. „Wir werden dafür
niemanden um Erlaubnis fragen.“
Regierungsvertreter wie Milizionäre verbreiten Verschwörungstheorien, denen
zufolge ausländische Mächte hinter den Protesten steckten – oder ihre
politischen Gegner im Irak. Tatsächlich richten sie sich gegen das gesamte
schiitische Establishment, das seit dem Sturz des früheren Despoten Saddam
Hussein 2003 die [2][Geschicke des Landes] leitet. Selbst der schillernde
Geistliche Moktada al-Sadr, der versuchte auf den fahrenden Zug
aufzuspringen, blieb nicht verschont. Die Proteste seien eine „Revolution
der Hungerleidenden“, erkärte Sadr. In Naseriya ergriff der Gouverneur, ein
Sadrist und angeblicher Saubermann, die Flucht, nachdem eine Menge vor
seinem Sitz aufmarschierte.
Politiker aus Sadrs Umfeld haben freilich genauso Millionen in die eigenen
Taschen gewirtschaftet wie andere Politiker auch. Milliarden, die für den
Ausbau des Stromnetzes und andere Wiederaufbaumaßnahmen gedacht waren, sind
in den letzten Jahren in dunklen Kanälen versickert. Bisher wurde kein
einziger Politiker für die Korruption zur Verantwortung gezogen. Dutzende
von Demonstranten wurden in den letzten Tagen verhaftet. Vielleicht gelingt
es der Regierung die Protestwelle mit Repression einzudämmen. So lange die
heutige politische Klasse weiter macht wie bisher, wird sie die Geister,
die sie mit ihrer Unfähigkeit rief, freilich nicht los.
17 Jul 2018
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-im-Irak/!5502601
[2] /Irak-nach-der-IS-Herrschaft/!5499009
## AUTOREN
Inga Rogg
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