# taz.de -- Nonne über ihr Leben im Kloster: „Man braucht Kraft, durchzuhalt… | |
> Maria Burger ist eine von sechs Nonnen des Karmels auf der Elbinsel | |
> Finkenwerder, einem Kloster der Karmelitinnen. Sie erzählt von ihrem | |
> Leben in der Stille. | |
Bild: Hat ihre frühere Arbeit als Ärztin nie vermisst: Maria Burger | |
taz: Schwester Maria, warum sind Sie Nonne geworden? | |
Maria Burger: Als ich mit meinem Studium fertig war und angefangen habe, zu | |
arbeiten, habe ich gemerkt, dass ich noch mehr will. Mein Beruf war mein | |
Beruf, aber ich suchte eine Berufung. Als ich dann ins Kloster eingetreten | |
bin, war ich 31. Im Jahr 2014 bin ich dann in unser Kloster hier in Hamburg | |
gekommen. | |
Was haben Sie gearbeitet? | |
Ich habe Medizin studiert und drei Jahre lang als Ärztin gearbeitet. | |
Sie haben sich für einen kontemplativen Orden entschieden, in dem das Beten | |
und die Beziehung zu Gott im Vordergrund stehen. Fehlt Ihnen da nicht der | |
Aspekt, anderen Menschen zu helfen?Ich habe mir verschiedene Klöster | |
angeschaut und war auch bei den missionsärztlichen Schwestern. Das lag ja | |
nahe. Ich dachte auch immer, wenn man als Ärztin ins Kloster geht, dann | |
geht man in die Dritte Welt. Ich habe mich mit der Vorstellung aber nie | |
wohlgefühlt. Ich hätte es nicht begründen können, aber irgendwas passte für | |
mich nicht. Trotzdem war es keine leichte Entscheidung, den Beruf | |
aufzugeben. Das war ein Kampf für mich. Als ich dann im Kloster war, habe | |
ich die Arbeit komischerweise nie vermisst. | |
Warum haben Sie sich für die Karmelitinnen entschieden? | |
Für welchen Orden man sich entscheidet, das ist so eine Frage wie die, | |
welchen Mann man heiratet. Mir hat damals jemand gesagt, das muss passen | |
wie ein Schüssel ins Schloss. Eingetreten bin ich 1997 in ein Kloster | |
unseres Ordens in Hessen. Ich wusste damals, entweder ich probier’s und | |
trete ein oder ich werde immer bedauern, dass ich es nicht gemacht habe. | |
Und ich habe es eigentlich nie bereut. | |
Wirklich nie? | |
Es gab mal Momente, in denen ich am liebsten getürmt wäre. Aber da wusste | |
ich, ich laufe vor etwas davon, dem ich mich besser stellen sollte. | |
Was war das? | |
Für mich war irgendwann die Frage: Bin ich eigentlich gewollt? Ich glaube, | |
das ist etwas, das sich jeder Mensch fragt. Ich musste dann dahin kommen, | |
zu sagen: Gott will mich und deswegen darf ich mich selbst auch wollen. | |
Braucht man die Bestätigung nicht auch von anderen Menschen? | |
Ich glaube, es braucht beides. Zum einen die Annahme durch die | |
Freundschaft, aber auch, sich von Gott angenommen zu fühlen. | |
Wie sieht Ihr Alltag aus? | |
Der Tag ist gefüllt mit den Gebetszeiten: Morgens von sieben bis acht | |
stilles Gebet, dann das Psalmgebet, Arbeitsbesprechung, Frühstück, | |
Arbeitszeit, wieder eine Zeit Stille in der Kirche. Um zwölf Psalmgebet, | |
dann Mittagessen, um 17 Uhr wieder Psalmgebet, abends eine Stunde stilles | |
Gebet und unter der Woche anschließend noch die Eucharistiefeier. | |
Und das jeden Tag? | |
Fast. Zweimal im Monat machen wir Stilletage. Und einmal im Monat haben wir | |
einen freien Tag. | |
Fahren Sie dann in die Stadt oder gehen ins Kino? | |
In die Stadt fahren wir selten. Das mache ich nur, wenn ich wirklich was | |
brauche. Am freien Tag gehe ich spazieren oder fahre Fahrrad. Ich habe dann | |
das Bedürfnis nach Natur, Bewegung, frischer Luft. | |
Was machen Sie während der Arbeitszeit?Jede macht das, was sie gut kann. | |
Ich arbeite zum Beispiel gerne im Garten und kümmere mich um unsere | |
Seniorin, die ist 94 Jahre alt. Es fallen Hausarbeiten an, wir betreuen die | |
Gäste, führen Begleitungsgespräche und dann der ganze Verwaltungskram. | |
Momentan schlagen wir uns mit der neuen Datenschutzverordnung rum, das ist | |
wirklich viel Arbeit. | |
… ein Schnittpunkt mit dem „normalen“ Leben. | |
Ja. Es gibt alle Probleme, die es außerhalb des Klosters gibt, auch | |
innerhalb. Wir leben nicht auf einem anderen Stern. Für uns ist das hier | |
ein ganz normales Leben. | |
Wovon leben Sie? | |
In erster Linie von den Gästen. Manche von ihnen kommen nur für einen Tag, | |
andere bleiben eine Woche oder zehn Tage. Die meisten sind aus Hamburg. Wir | |
hatten zum Beispiel einen Lehrer zu Besuch, der nach Schuljahresende | |
einfach ein paar Tage schweigen wollte. Der war nicht im Gottesdienst und | |
das ist auch okay für uns. Wir machen keine Vorschriften. | |
Ist das Klosterleben streng? | |
Es braucht natürlich eine gewisse Konsequenz. Aber heute gehen einige | |
Dinge, die früher gar nicht gegangen wären. Die Mutter einer Mitschwester | |
lebt in den USA. Sie wird sie in nächster Zeit besuchen. | |
Was gefällt Ihnen an diesem Leben? | |
Besonders die zwei Stunden inneres Gebet und die Stilletage. Da kommt es | |
darauf an, eine Beziehung zu Gott aufzubauen, den wir in uns glauben. | |
Manchmal bekommen wir auch die Erfahrung geschenkt, dass er wirklich da | |
ist. | |
Wie merken Sie das? | |
Es ist schwer zu beschreiben. Das ist ein tiefer Frieden, tiefes Glück und | |
für mich in erster Linie ganz große Dankbarkeit. Es gibt dann natürlich | |
auch immer wieder Durststrecken. Da muss man die Kraft finden, | |
durchzuhalten. Das ist schwierig, aber es lohnt sich. | |
Haben Sie sich vor Ihrer Zeit im Kloster viel mit Gott beschäftigt? | |
Ich bin katholisch aufgewachsen, aber eine wirkliche Gottesbeziehung habe | |
ich erst gefunden, als ich ein Jahr lang in einer freikirchlichen Gemeinde | |
gelebt habe. Am Anfang der Zeit im Kloster musste ich herausfinden, ob der | |
Ort wirklich passt. Wir haben sechs Jahre, bis wir uns endgültig festlegen. | |
Durften Sie da auch Zweifel äußern? | |
Ja, das ist sehr wichtig. | |
Was würden Sie am Klosterleben gerne verändern? | |
Da fällt mir so direkt nichts ein. Woran man natürlich immer arbeiten kann, | |
sind die Beziehungen untereinander. | |
Ersetzt die Gemeinschaft für Sie eine Familie? | |
Es ist schon ein sehr enges Zusammenleben wie in der Familie, wo es mit der | |
einen gut geht und mit der anderen weniger gut. Wir sind aber nicht | |
miteinander aufgewachsen. | |
Sind Sie trotz der Gemeinschaft manchmal einsam? | |
Auch das kann passieren. Man kann ja auch in einer Ehe sehr einsam sein. | |
Was sagt Ihre richtige Familie zu Ihrem Leben im Kloster? | |
Meine Mutter hatte zwei Tanten im Kloster, die da sehr glücklich waren. | |
Deswegen ist es ihr relativ leicht gefallen. Aber das kann natürlich auf | |
großen Widerstand stoßen. Ich weiß von einer verstorbenen Mitschwester, | |
dass ihr Vater den Kontakt abgebrochen hat. Das hat sich auch nie wieder | |
eingerenkt. | |
Und Ihr sonstiges Umfeld? | |
Ich habe das letzte halbe Jahr vor meiner Zeit im Kloster in England | |
gearbeitet. Wenn ich da gesagt habe, ich gehe ins Kloster, war zwei Minuten | |
lang betretenes Schweigen und dann wurde das Thema gewechselt. Es ist | |
unterschiedlich, je nachdem, was die Leute für eine Vorstellung vom | |
Klosterleben haben. Da haben ja manche ganz fürchterliche und gruselige | |
Vorstellungen. | |
Haben Sie viele Kontakte außerhalb des Klosters? | |
Für mich ist es in erster Linie die Gemeinschaft hier. Aber natürlich habe | |
ich auch Kontakte nach außen. Die pflege ich telefonisch, per Brief oder | |
per Mail. Besuch kommt ab und zu, aber selten. Ich komme aus der Nähe von | |
Hannover. Das ist zwar nicht weit, aber seit der Zeit in Hessen haben die | |
Leute sich das irgendwie abgewöhnt. | |
Finden Sie das schade? | |
Für mich ist das schon okay. Manchmal denke ich, es wäre schön, wenn sie | |
ein bisschen mehr wüssten oder wenn mal wirklich jemand käme. Ich habe eine | |
Schulfreundin, die angekündigt hat, dass sie mich demnächst besuchen kommt, | |
seitdem ich im Kloster bin. Aber irgendwie kriegt sie die Kurve nicht. | |
Denken Sie manchmal darüber nach, was sie machen könnten, wenn Sie nicht | |
hier wären? | |
Wirklich drüber nachdenken nicht. Ich denke manchmal, es wäre schön, einen | |
Wanderurlaub auf Kreta zu machen. Aber ich vermisse hier nichts. | |
Können Sie das nicht? | |
Wir machen das nicht. Es geht schon mal jemand in Erholung für ein paar | |
Tage oder Wochen und wir machen Exerzitien, also Stilletage. Da bleibe ich | |
nicht hier, sondern gehe in ein anderes Kloster. Wir haben hier Internet | |
und bekommen Mails, die wir beantworten müssen. Da bin ich dann wirklich | |
zehn Tage ohne Telefon, ohne alles. Und das ist sehr befreiend. | |
16 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Milena Pieper | |
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