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# taz.de -- Bibliothek im Katharinen-Kloster: Ein rares Zeichen der Hoffnung
> Die Bibliothek des Katharinen-Klosters auf dem Sinai ist vermutlich die
> älteste der Welt. Nun ist sie feierlich wiedereröffnet worden.
Bild: Das Katharinen-Kloster am Fuße des Berges Sinai
Berlin taz | Die vermutlich älteste Bibliothek der Welt liegt an einem der
am schwierigsten zugänglichen Orte der Welt. Zu dieser Bibliothek fährt
keine U-Bahn und kein öffentlicher Bus. Erreichbar ist sie nur über eine
einsame schmale Straße, die sich von der nächsten Stadt über Stunden durch
eine eindrucksvolle, leere Wüstenlandschaft hinzieht. Die Bibliothek gehört
dem Katharinen-Kloster, einem griechisch-orthodoxen Kloster, das wie eine
Zeitkapsel am südlichen Ende der Sinai-Halbinsel existiert, umgeben von
einer muslimischen Welt seit gut 1.500 Jahren.
Nachdem die Bibliothek für mehrere Jahre wegen Restaurationsarbeiten
geschlossen war, wurde sie vor wenigen Tagen feierlich wiedereröffnet. Der
ägyptische Kulturminister Chaled al-Anani war angereist, hohe Würdenträger
der orthodoxen Kirche und etliche Wissenschaftler aus den USA und Europa,
die sich seit Langem mit den Schätzen der Sinai-Bibliothek beschäftigen.
Die Wiedereröffnung der Bibliothek ist in Ägypten, gerade in Zeiten
vermehrter islamistischer Attacken auf Kirchen und Moscheen, ein rares
Zeichen der Hoffnung.
Nach Jahren zum Teil heftiger Auseinandersetzungen ist nun ein Meilenstein
für den Erhalt eines einmaligen, von der Unesco anerkannten Weltkulturerbes
erreicht: Das Kloster in der Wüste hat für seine über 3.000 Manuskripte,
deren Entstehung bis ins 4. Jahrhundert unserer Zeit zurückreichen, eine
Bibliothek bekommen, die den modernsten Erkenntnissen der Konservierung und
Pflege der wertvollen Hinterlassenschaft angemessen ist. Federführend bei
dem Projekt war die berühmte British Library aus London, die einen Teil der
Mittel organisierte und ihr Know-how zur Verfügung stellte. Den Rest
besorgten orthodoxe Spender aus der ganzen Welt.
Auf den ersten Blick könnte niemand vermuten, dass ausgerechnet dieses
Wüstenkloster nun eine der modernsten Bibliotheken beherbergt. Umgeben von
hohen, schier uneinnehmbaren Mauern, sieht es eher wie eine antike Festung
denn ein Kloster aus. Es liegt am Ende einer langen Schlucht zwischen
schroffen, kahlen Bergen. Einer dieser Berge ist überhaupt der Grund für
die Existenz des Klosters.
## Zwiegespräch mit Gott
Auf dem 2.300 Meter hohen Moses-Berg, an dessen Fuß sich das
Katharinen-Kloster befindet, sollen Moses nach dem zweiten Buch Genesis von
Gott die Gesetzestafeln mit den Zehn Geboten überreicht worden sein.
Dieselben zehn Gebote, nach denen sich die Israeliten, die zu diesem
Zeitpunkt nach ihrer Flucht aus Ägypten durch die Wüste irrten, zukünftig
richten sollten. Dort, wo jetzt das Kloster steht, soll sich laut Altem
Testament der brennende Dornbusch befunden haben, in dem sich Gott Moses
erstmals offenbarte.
Schon im 2. Jahrhundert hatten sich deshalb einige Eremiten der
frühchristlichen Kirche in den Felsspalten des Moses-Berges zum
Zwiegespräch mit Gott zurückgezogen. Mit der Zeit wurden es immer mehr
fromme Männer, die dort siedelten, und dabei immer wieder Angriffen
nomadischer Wüstenstämme ausgesetzt waren. Deshalb gab der byzantinische
Kaiser Justinian in Konstantinopel im 6. Jahrhundert den Auftrag, für die
Mönche ein wehrhaftes Kloster zu bauen, das sich gleichzeitig in die
Befestigungskette der östlichen Grenze von Byzanz einfügte.
Als sich 200 Jahre später das Patriarchat von Alexandria von Konstantinopel
abspaltete und die koptische Kirche bildete, blieb das Katharinen-Kloster
der griechisch-orthodoxen Mutterkirche treu. Gelehrte Mönche aus der
gesamten griechisch-orthodoxen Welt, aber auch vom Balkan und aus Russland
kamen seitdem ins Katharinen-Kloster, um in aller Abgeschiedenheit von der
Welt zu meditieren, zu schreiben und Ikonen zu malen, die heute in der
gesamten Orthodoxie berühmt sind.
## Die letzten Byzantiner
Einer von ihnen ist „Father“ Justin, der Leiter der Sinai-Bibliothek. Ein
großer hagerer Mann in schwarzer Kutte mit schwarzem Käppi und langem
weißen Bart, der genauso aussieht, wie man sich einen asketischen Mönch in
der Wüste vorstellt. Tatsächlich ist Justin US-Amerikaner, ein Katholik,
der vor vielen Jahren zum orthodoxen Glaube konvertierte und in die Wüste
ging. Wie die übrigen rund 25 Mönche im Wüstenkloster hat er sich von der
Welt draußen abgewandt und lebt ganz im Ritus der Mönchsgemeinschaft, wie
sie bereits im vierten Jahrhundert festgelegt wurde. Tatsächlich sind die
Mönche im Katharinen-Kloster so etwas wie die letzten Byzantiner. „Wir
haben an unseren Regeln und unserer Lebensweise seit dem 6. Jahrhundert im
Prinzip nichts geändert“, sagt Father Justin.
Doch um der Bibliothek willen muss er sich immer wieder auch um die Welt
außerhalb der Klostermauern kümmern. Es ist kein Zufall und hat auch nicht
nur mit bibliophiler Begeisterung zu tun, dass sich ausgerechnet die
ehrwürdige British Library aus dem anglikanischen London um eine moderne
Unterbringung der Sinai-Handschriften verdient gemacht hat. Denn das mit
Abstand berühmteste Manuskript des Klosters, der sogenannte Codex
Sinaiticus, befindet sich heute zu großen Teilen in London und gehört zu
den absoluten Prunkstücken der British Library.
Der Codex ist die älteste erhaltene Handschrift des Neuen Testamentes aus
dem 4. Jahrhundert und damit eines der wertvollsten Manuskripte der Welt.
Father Justin ist wie auch die anderen Sinai-Mönche der Meinung, dass der
Codex zurück ins Katharinen-Kloster gehört. Doch wie bei der Büste der
Nofretete der Berliner Museumsinsel oder den Athener Parthenon-Figuren des
Britischen Museums ist eine Rückkehr des Codex ins Sinai-Kloster nur schwer
durchsetzbar. Stattdessen hat sich die British Library für die
Modernisierung der Bibliothek des Sinai-Klosters engagiert.
## Ein Geschenk für Ägypten
So ist es jetzt möglich, die anderen uralten Handschriften des Klosters –
die meisten von ihnen in altgriechischer Unzialschrift, aber auch
Manuskripte in Latein, Aramäisch oder in slawischen Sprachen – der
wissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen. Dass sie überhaupt noch
existieren, ist dem extrem trockenen Wüstenklima zu verdanken, aber auch
dem erstaunlichen Umstand, dass das Kloster in seiner langen Geschichte,
die es zum größten Teil nach der Islamisierung der arabischen Welt in
muslimischer Umgebung verbrachte, nie zerstört wurde und durchgängig immer
von Mönchen bewohnt war.
Gerade jetzt, wo im nördlichen Sinai IS-Fanatiker nicht nur Militär- und
Polizeiposten, sondern auch Moscheen und koptische Kirchen angreifen, ist
das Katharinen-Kloster mit seiner Bibliothek ein Geschenk für Ägypten.
Viele Pilger, aber auch Touristen, die von dem Urlaubsort Scharm El-Scheich
am Roten Meer per Bus zum Kloster gebracht wurden, haben das
Katharinen-Kloster in den letzten Jahrzehnten besucht. Nach dem Absturz
eines Ferienfliegers über dem Sinai 2015, der angeblich durch eine Bombe
des IS verursacht wurde, hatte Russland seinen Flugverkehr eingestellt. Die
Wiedereröffnung der Bibliothek könnte dazu beitragen, dass es jetzt wieder
Pilger und Touristen nach Scharm El-Scheich fliegen lässt. Für den
Tourismus in Ägypten wäre das ein wichtiges Signal.
Das Kloster ist für einen neuerlichen Besucheransturm gerüstet. Neben einem
Blick in die Bibliothek können Besucher auch die ebenfalls neu
restaurierten Fresken in der Klosterkirche bewundern, die noch aus dem 6.
Jahrhundert stammen. Die Besucher werden von Scharm El-Scheich während der
Nacht mit Bussen zum Katharinen-Kloster transportiert. Ab acht Uhr morgens
wird die Besucherpforte geöffnet, bis 12 Uhr müssen alle Gäste wieder
draußen sein. Danach senkt sich wieder eine tiefe Ruhe über die orthodoxe
Sinai-Feste am Moses-Berg.
31 Dec 2017
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Sinai
Bibliothek
Kloster
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