# taz.de -- Kolumne Heult doch!: Lebensfragen in aller Herrgottsfrühe | |
> Ist die Uroma jetzt vielleicht eine Katze? Kinder reden gern. Am liebsten | |
> ganz früh morgens – über das luftig-leichte Sommerthema Tod zum Beispiel. | |
Bild: Sind so Kinderfragen: Sitzt die Uroma vielleicht auf einer Wolke über Be… | |
Mitten im Sommerloch treiben meine Kinder die richtig schweren Themen um. | |
Der Kleine möchte vorzugsweise über das luftig-leichte Sommerthema Tod | |
sprechen, den Großen beschäftigt die ungelöste Frage der Gleichberechtigung | |
von Mann und Frau. Am liebsten werden diese Diskussionen in aller | |
Herrgottsfrühe geführt. Ein Löffel [1][Honigmüsli] und – wham – sind die | |
beiden wach, noch bevor bei mir der erste Kaffee einschlägt. | |
Und so hält der Kleine plötzlich gedankenverloren inne beim Müslilöffeln, | |
der Löffel rutscht ihm in eine gefährliche Schräglage, die Milch tropft als | |
kleine Pfütze erst auf die Hose und dann unter den Tisch, und das Kind | |
fragt zum wiederholten Male und mit großem Ernst, ob denn seine Oma | |
eigentlich schon tot sei? | |
Den Großen bringt das regelmäßig auf die Palme. „Boah, deine Oma hat uns | |
doch gerade erst angerufen, klar lebt die noch!“ Das ficht den Kleinen aber | |
nicht an. Ob denn der Opa schon tot ist? Und die Ritter? Bei den | |
Dinosauriern ist er sich sicher: „Die sind ausgestorben.“ Das letzte Wort | |
betont er neuerdings geradezu ehrfürchtig. | |
Neulich, wir hatten gerade geklärt, dass seine Uroma schon vor wahnsinnig | |
langer Zeit gestorben ist, hielt er den Löffel besonders lange in | |
konzentrierter Schieflage. Er wollte wissen, wo die Uroma denn jetzt hin | |
sei. Das fand ich eine schwierige Frage – sowieso und ganz besonders | |
morgens um 6.45 Uhr. Hm, sagte ich deshalb. „Na, Uroma sitzt oben im | |
Himmel, hab ich dir doch gestern schon gesagt“, sagt der Große | |
dankenswerterweise. „Wenn man dran glaubt“, schränke ich ein. | |
Der Kleine ist interessiert. Ob die Uroma dann auch über die Wolken hüpfen | |
könne? Ja, vielleicht, bestimmt, sage ich. „Kann aber auch sein, dass deine | |
Uroma als Katze wieder auf die Erde gekommen ist. Daran glauben auch | |
manche“, sagt der Große wissend. Der Kleine lacht sich kaputt über seine | |
unbekannte Uroma als Katze, und ich sage, dass es auch sein kann, dass man | |
einfach für immer schläft, wenn man tot ist. Aber so genau wisse man das | |
eben nicht. | |
## Zu viel Beten ist auf Dauer nicht gesund | |
Das Kind ist in einer evangelischen Kita, es war die nächstgelegene mit | |
einem freien Platz und noch dazu die mit den besten Öffnungszeiten. Ich | |
glaube nicht, dass ein „Amen“ vor dem Mittagessen von montags bis freitags | |
großen Schaden anrichtet. Aber ich glaube, dass zu viel Beten auf die Dauer | |
nicht gesund ist. Ich habe das Gefühl, da ab und an ein bisschen Prävention | |
betreiben zu müssen. | |
Die tote Uroma war dann ohnehin erledigt, weil der Große wieder mit seinem | |
Frauenthema ankam. Er habe gehört, dass Frauen „total lange“ überhaupt | |
nicht wählen gehen durften! Er ist ehrlich empört. „Mama, warum eigentlich | |
nicht?“ – „Weil die Männer behaupteten, dafür hätten Frauen kein | |
Verständnis und das interessiere sie ohnehin nicht“, sage ich. | |
„Hä, und was sollte sie dann sonst interessieren?“, fragt das Kind, und | |
gibt sich sogleich selbst die Antwort: „Ah, ich weiß schon, Haushalt und | |
Kinder und so. Deshalb durften sie auch nicht alle Berufe machen, die sie | |
wollten.“ Denkpause. „Aber, Mama, die Kinder werden doch groß!“, sagt das | |
Kind nach einer Weile irritiert. | |
„Exakt“, sage ich. Und dass das Geschlecht für kompetente | |
Wahlentscheidungen ja nun auch logischerweise unerheblich sei, man sich | |
aber eine Weile geweigert habe, das zu erkennen, weil man Angst vor klugen | |
Frauen hatte. Und dass heute aber auch noch nicht alles in Butter sei weil, | |
stell dir vor mein Kind, die Lohnlücke und so weiter. Mein Kind findet die | |
Lohnlücke ungerecht, sieht aber immerhin den Fortschritt, dass ich mir | |
meinen Beruf selbst aussuchen durfte. | |
„Als Oma und Opa jung waren, war das übrigens noch nicht so“, sage ich. | |
Doch die Erwähnung von Oma und Opa war ein Fehler. Der Kleine hört auf, die | |
Blaubeeren aus seinem Müsli zu pulen, hält den Löffel schräg und fängt an | |
zu heulen. „Mama, ich will aber nicht ausgestorben sein!“, brüllt er bei | |
der Erwähnung seiner Großeltern. „Ich auch nicht, echt nicht“, seufze ich… | |
und verabschiede mich gedanklich in den Urlaub. Ich fürchte, dieses Jahr | |
fährt Uroma mit. | |
14 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCsli | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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