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# taz.de -- Vor dem Spiel Frankreich – Argentinien: Räume und Träume für G…
> Im ersten Achtelfinale der WM treffen Frankreich und Argentinien
> aufeinander. Findet das französische Team um zwei Weltstars seine Mitte?
Bild: Kunstwerk Griezmann: Teil der Ausstellung „Like The Gods“ in St. Pete…
Zweifellos hat die französische Mannschaft einen der stärksten Kader unter
den Teilnehmern. Zweifellos haben sie eine Hand voll Spieler, die im
Alleingang Spiele entscheiden können. Das verbindet sie mit früheren
französischen Mannschaften; individuell gibt es seit 1998 keine
unterdurchschnittliche équipe tricolore mehr. Die bange Frage, die sich
stellt, und jedes Turnier aufs Neue, ist aber: Findet das Team seine Mitte?
Diese Frage übersetzt sich bei Beobachtern häufig in eine Suche nach der
Form der Hoffnungsträger. Die heißen heuer Paul Pogba und Antoine
Griezmann; sie sollen jene Magnete sein, um die herum sich die
herausragenden Techniker auf den Flügeln dann ausrichten.
Aber ob das klappt? Beide haben in der Vorrunde unterdurchschnittlich
performt, [1][Griezmann traf gegen Australien per Elfmeter], Pogba musste
sich bei seinem Treffer vom Gegenspieler helfen lassen, [2][damit der Ball
ins Netz fiel]. [3][Gegen Dänemark] schoss Griezmann zweimal im weitesten
Sinne aufs Tor, Passquote in der gegnerischen Hälfte: sechzig Prozent.
Und trotzdem ist er der wichtigste Spieler, und er wird es vor allem dann
werden, sollte Frankreich ausscheiden. Griezmann hat Fähigkeiten, die
vielen französischen Spielern fehlen: Er ist redegewandt, schlagfertig,
lustig und locker. Und er macht den Fußball nicht größer, als er ist. Als
er mit Atlético gegen seinen Herzensclub Marseille spielte, gegen Spieler,
die er gut kennt, scherzte und frotzelte er über neunzig Minuten. „Es ist
nur Fußball“, sagt er regelmäßig auf Pressekonferenzen. Übertreibt es
nicht.
Das ist ein Gemeinplatz; aber es ist ein notwendiger. Die französische
Nationalmannschaft ist mehr als nur ein Fußballteam; sie ist seit 1998
fortwährend überladen worden mit gesellschaftlicher Bedeutung. Damals
sollte sie das Hohelied des Multikulturalismus singen und obendrein noch
den sportlichen Zielen gerecht werden. Das ging erst gut, dann völlig
schief: 2002 reist Frankreich mit den Toptorjägern von drei der vier großen
europäischen Ligen an und scheidet in der Vorrunde aus, und zwar torlos.
## Rassismus und Klassismus
Das war eine Katastrophe, es folgte die Farce. 2010 in Knysna verweigert
die französische Mannschaft den Gehorsam, weil sie sich von der
Öffentlichkeit unverstanden, von der Presse angegriffen und von einem
wirren Trainer verballhornt fühlt. Dieses Ereignis ist zu Unrecht als
simple Eskapade millionenschwerer dummer Jungs gebrandmarkt worden:
tatsächlich war es ein veritabler Streik, ungewöhnlich nur, was die
Einkommensverhältnisse der Protagonisten angeht.
Entscheidend ist, dass die Spieler um Franck Ribéry und Patrice Evra nicht
zu kommunizieren verstanden; sie haben ihre Position und ihre Forderungen
öffentlich nicht begreifbar machen können. Im Gegensatz zur 98er-Mannschaft
waren fast nur Spieler anwesend, die aus armen Verhältnissen stammten. Die
Hoheit über die Deutung wanderte aus ihren Händen recht schnell nach
rechts, und Alain Finkielkraut bezeichnete die Revolte als „Sieg der
Unkultur der Vorstädte über die städtische Zivilisation“. Rassismus und
Klassismus gingen Hand in Hand, und die équipe tricolore wurde zum
Schandfleck.
Aus dieser Lage hat Griezmann sie befreit, der der Posterboy der neuen
Mannschaft ist (in den Bewertungen Pogbas hingegen klingt das alte Narrativ
vom Wilden aus den Slums, der ungerechterweise zu Geld und Ruhm kommt, noch
mit). Griezmann nimmt den Druck, den die französische Presse aufbaut, auf,
und jene, die vor den Mikrofonen weniger gewandt sind, bleiben in seinem
Deckungsschatten.
## Argentinien wird offensiver auftreten
Es ist schwer zu sagen, wie stabil die junge französische Mannschaft
aktuell ist; die Gegner haben es ihr bis dahin nicht leicht gemacht. Es gab
kaum Räume, in die die Außen hätten vorstoßen könne, ihre Dynamik und
Schnelligkeit verpuffte in den engmaschigen dänischen, australischen,
peruanischen Reihen; Argentinien hingegen wird sicher offensiver auftreten.
Möglich, dass sich die Vorrunde der EM 2016 wiederholt; auch damals hatte
Griezmann nach der Vorrunde nur einmal getroffen. Am Ende wurden es sechs
Tore, und er wurde Spieler des Turniers.
Ob das Turnier für ihn nun endet oder gerade erst beginnt; so oder so wird
er gut zu tun haben.
30 Jun 2018
## LINKS
[1] /Gruppe-C-Frankreich--Australien/!5513562
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[3] /Daenemark-trifft-auf-Frankreich/!5512557
## AUTOREN
Frederic Valin
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