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# taz.de -- ZDF-Kommentator Béla Réthy: Bedienungsanleitung einer Aalreuse
> Er wird das WM-Finale kommentieren: Béla Réthy. Von vielen wird der
> ZDF-Reporter verspottet. In Wahrheit ist er der Anwalt des Publikums.
Bild: Leider kein Tonausfall…
Er ist der ZDF-Mann, der viele nervt. Das Béla-Bashing ist seit Jahren im
Trend. Die Facebookseite mit dem Namen „Béla Réthy gefällt mir nicht“
sammelte seit August 2012 mehr als 12.000 Befürworter. Wenn ein
Fußballturnier beginnt und alle Welt sich von Sofas aus wieder in die
besseren TrainerInnen verwandelt, wird natürlich auch über
TV-KommentatorInnen gelästert.
Jeden Versprecher gilt es zu verhöhnen. Der Kommentator, die Kommentatorin
– es sind Mobbingopfer. Man könnte auch einfach den Ton abstellen, doch das
ginge zu Lasten des Spottens – der halbe Spaß ginge verloren. Das stete
Gefühl des Besserwissens – „unlustig, quassel nicht, langweilig“: Das
befriedigt Kleingeister sehr.
Béla Réthy kommentiert seit Langem, erstmals war dies beim WM-Turnier 1994
in den USA. Die russische ist bereits seine siebte Weltmeisterschaft. Er
als Mann hinter dem Mikrofon ist härterer Kritik ausgesetzt als die
Bundeskanzlerin durch Horst Seehofer oder türkischstämmige Nationalspieler
im deutschen Mittelfeld. Lob hingegen erhält er selten. Doch die berühmte
ZDF-Stimme verdient es. Denn ist es nicht schon lobenswert, dass er nicht
auf den Zug aufspringt und sich jegliche Anmerkung zur Qualität des
Hymnengesangs deutscher Spieler spart? Im Gegensatz zum ARD-Kollegen Tom
Bartels, das nur nebenbei.
Danke also Béla Réthy dafür. Seine Unmittelbarkeit erfreute, als er beim
deutschen Spiel gegen Südkorea sagte: „Das ist hier alles keine Zeitlupe,
das sind reale Bilder!“
## Von „Nudeln“ und „Tangotänzern“
Er nimmt eben auch uns Laien mit, die sich nur zu den
Fußballgroßereignissen vor die Leinwand setzen. Denn beim gebürtigen Wiener
Béla Réthy, Kind von Eltern, die nach dem Volksaufstand in Ungarn vor
kommunistischer Verfolgung flohen, lernt man, dass der Argentinier Angel di
Maria „Nudel“ genannt wird, weil er so dünn ist, und dass man „Zwei brau…
zum Tango“. Messi braucht di Maria, aber weil di Maria verletzt raus muss
und sein Kumpel allein nicht mal Stehblues tanzen kann, „muss sich Messi
einen neuen Tanzpartner suchen“.
Und überhaupt, wie sehen die Argentinier eigentlich aus? Réthy weiß es:
„Bei den Argentiniern ist eine neue Frisurenmode eingekehrt.“ Was andere
als Quasselei abtun, sind die wirklich interessanten Beiläufigkeiten, die
in unseren Köpfen erst zu News werden – und hängen bleiben. Sie haben
nichts mit Infos zu Strategien und weiten oder flachen Abstößen, Pressing
oder Gegenpressing zu tun. So eine Fußballübertragung soll ja nicht nur für
Nerds schön sein.
Klar, ein, zwei schräge Sätze unterlaufen ihm auch, aber die sind harmlos
im Vergleich mit den Marktschreiern der Branche, Steffen Simon etwa, dessen
drängelnde Tonlagen man anmerkt, dass sie sich der Einübung verdanken,
nicht dem eigenen Empfinden. Réthy, der Lakoniker, sagt Sätze wie „Özil,
Müller, Draxler, Özil, Kroos – vorbei!“ Réthy kommentiert, was auf dem
Platz passierte.
Schön – und schön nur mit ihm –, dass wir, die wir kein Fußballdiplom
haben, zu verstehen eine Chance erhalten: Réthy ist unser Ombudsmann.
Vorgehalten wird ihm auch fehlender Humor. Aber Aussagen wie: „Australiens
Trainer Bert van Marwijk hat einen Teil seiner Karriere in der Bundesliga
verbracht – auch beim HSV. Aber welcher Trainer war eigentlich nicht beim
HSV?“ können auch ganz humorlose HamburgerInnen nicht lustig finden.
## Ihn kann nichts erschüttern
Er kommentiert mit unverkennbarer Stimme, sonor und leicht angenuschelt.
Mit seinem Timbre könnte er auch die Bedienungsanleitung einer Aalreuse
vorlesen – und wir hörten ihm zu. Es ist die Ruhe in seiner Stimme, die
selbst bei den spannendsten Situationen nicht in Hysterie übersteuert. Es
ist nicht nur die Erfahrung, die ihn so entspannt wirken lässt, es scheint
auch sein Charakter zu sein. Im Jahr 1996 kommentierte er das EM-Finale
zwischen Deutschland und Tschechien und las, wegen technischen Versagens,
seine Notizen von einem auf dem Weg ins Wembleystadion erworbenen
Pizzakarton ab: Ihn kann nichts erschüttern.
Trotzdem sind alle, die ihn wertschätzen wie niemand unter den
KommentatorInnen, in der Minderheit. Die meisten meckern, der eigenen
Wahrnehmungsroutine erlegen. Bestes Beispiel dafür: der Name des
französischen Spielers Dimitri Payet. Beim EM-Eröffnungsspiel 2016 zwischen
Frankreich und Rumänien nennt Réthy den 29-Jährigen Dimitri „Payett“ –…
bleibt konsequent bei dieser Version, obwohl die Schreibweise die
Aussprache „Payee“ vermuten ließe.
Der Shitstorm lässt nicht lange auf sich warten. Ein User fordert: „Kann
mal jemand Bela Rethy erklären, wie Payet richtig ausgesprochen wird?“
Dabei hatte Réthy mit seiner Aussprache Recht. Payet stammt aus La Réunion,
französische Insel im Indischen Ozean, wo ein sehr eigener Dialekt
gesprochen wird. So wird aus Dimitri „Payee“ Dimitri „Payett“. Die Hater
interessiert das nicht – Hauptsache kluggeschissen.
Viele würden jetzt sagen, andere machten den Job besser. Ich sage:
Geschmackssache. Okay, sein ZDF-Kollege Oliver Schmidt hat sicherlich das
statistisch fundiertere Wissen: „Es ist Manuel Neuers dritte WM, 14.
WM-Spiel, nur einmal mehr als ein Gegentor kassiert“, verrät er dann. Nun
könnte man ergänzen, und mein Lieblingskommentator würde dies getan haben:
„Lieblingsfarbe rot, Hobbies: Lesen, Malen, Fußballspielen.“
Nach zwei Halbzeiten Zahlen, Daten und Orten setzt dann doch das Gefühl von
Schulunterricht ein. Das ist nix für Béla Réthy: Er ist der freundliche
Mann, der jede Party ziert, vielleicht nicht zum Leuchten bringt – aber
sehr schmückt.
15 Jul 2018
## AUTOREN
Malaika Rivuzumwami
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