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# taz.de -- Comic-Legende von Lewis Trondheim: Herr Hase lebt wieder. Schade!
> Ein trotteliger Hase mitten im Schlamassel – Lewis Trondheims
> Kult-Comicreihe geht in die Fortsetzung. Leider ist das keine gute Idee.
Bild: Ein Hellseher wider Willen stiftet Verwirrung – aber auch nur ein bissc…
Eigentlich ist Herr Hase tot. 2004 war er von einem Taxi überrollt worden,
im dramatischen Finale von Band 10: „Wie das Leben so spielt“. Damit schien
die Comicserie „Herrn Hases haarsträubende Abenteuer“ unwiederbringlich
beendet. Doch Zeichner Lewis Trondheim ist das wurscht. „Wenn ich dafür
eine gute Idee hätte, warum nicht“, [1][orakelte er 2015 im taz-Interview]
zur Frage, ob Herr Hase wieder auferstehen könnte.
Nun ist er wieder da, und die Erwartungen sind entsprechend hoch. In „Die
neuen Abenteuer von Herrn Hase 1: Eine etwas bessere Welt“ verwickelt sich
der Anti-Held mit den langen Ohren in gewohnt tapsiger Manier in diverse
Schlamassel: Ein Schläger vermöbelt seinen Kumpel Richard wegen eines
schlechten Witzes. Ein Typ mit Hellseherfähigkeiten spricht ihn auf der
Straße an, und er ist zu gutmütig, um den Mann abzuwimmeln. Ex-Freundin
Nadia nutzt ihn schamlos für ihre Karriere aus.
Hört sich nach einem gewohnt schrägen Mix und einem turbulenten
Lesevergnügen an? Nicht zu früh freuen: In Trondheims wechselhaften Oeuvre
sortiert sich das neue Abenteuer deutlich im unteren Drittel ein. Das ist
so schade wie kennzeichnend für die ganze Reihe.
1993 erschien die erste Folge von „Les Formidables Aventures de Lapinot“ in
Frankreich – und trug Trondheim schon bald den Ruf des Erneuerers des
französischen Comics ein. 2006 bekam er den Grand Prix de la Ville
d’Angoulême für sein Lebenswerk. Die Protagonisten sind Tiere wie bei
Disney: Karnickel, Hase, Hund, Gans. Das liegt vor allem daran, dass
Trondheim sich nicht zutraute, Menschen zu zeichnen. Dabei sind die Figuren
nur allzu menschlich, machen Fehler, vergreifen sich im Ton, zweifeln,
hadern, veralbern sich gegenseitig: der begriffsstutzige Herr Hase, sein
aufschneiderischer Kumpel Richard, seine kühle Freundin Nadia.
## Geniestreich „Walter“
Dieses Setting brachte – gepaart mit Trondheims trockenem Witz und seinem
eleganten Strich – einige Geniestreiche hervor. [2][Etwa „Walter“], in dem
ein weltverbesserischer Professor einen Virus erschaffen hat, der Menschen
in Monster verwandelt. Die Gendarmerie ist überfordert, dafür tauchen
Geheimdienste fremder Mächte auf, die denken, es geht hier um eine
Zeitmaschine. Es ist heilloses, wundervolles Durcheinander.
Oder Band 9, „Der atomare Teilchenbeschleuniger“, eine turbulente Parodie
auf „Spirou und Fantasio“ (Herr Hase ist natürlich Spirou). Oder „Liebe …
sonstige Kleinigkeiten“ (Band 5), in dem der gutherzige Herr Hase als Chef
einer Gesellschaft für Weltverbesserung nach Strich und Faden ausgenutzt
wird, was unerwartet philosophisch gerät.
Großartig war „Herr Hase“ vor allem, wenn in einem fröhlich-alltäglichen
Geplänkel eine überraschende Dimension die Erwartungen der Lesenden ad
absurdum führte. Fehlte das, gab es Tiefpunkte wie die ärgerliche
Wild-West-Adaption „Blacktown“ oder die stinklangweilige
Ski-Urlaub-Beschreibung „Slaloms“.
Leider ordnet sich hier auch „Eine etwas bessere Welt“ ein. Zwar gibt es
einen Typen mit Hellseherfähigkeiten, es entspinnt sich eine groteske
Geschichte um einen Typen, der ein Auto kaputtschlägt, was sich zu einer
Schlägerei in einer Bar entwickelt, die von der Polizei als islamistische
Geiselnahme gedeutet wird – aber genau hier, wo die Action anfängt, bricht
der Comic abrupt ab.
## Lieblos zusammengeklatschte Anekdoten
Zu allem Überfluss ist neben dem neuen Herr-Hase-Abenteuer auch ein Band
aus der Reihe „Die außergewöhnlichen Abenteuer ohne Herrn Hase“ erschiene…
“Die Abenteuer des Universums“ – ein lieblos zusammengeklatsches Heft mit
Anekdoten aus Trondheims Leben, leider alle etwas älter. Er verhandelt die
Strahlenbelastung von Mobiltelefonen, seinen Alltag mit kleinen Kindern,
seine Tagträume beim Warten auf die Kreativität – alltägliche Banalitäten
mit begrenztem Unterhaltungswert, die im schlimmsten Fall Trondheims
Ideenlosigkeit und Kleingeist vorführen.
Es ist kurios, dass Lewis Trondheims Comics so wechselhaft geraten:
zwischen genial und Schrott ist alles dabei. Oft startet er grandios, die
ersten Bände seiner Science-Fiction-Reihe „Kosmonauten der Zukunft“ oder
des [3][Fantasy-Epos „Ralph Azham“] sind geradezu Offenbarungen der
Comic-Erzählkunst. Sie brechen mit Lust alle Regeln der jeweiligen Genres,
überraschen, verwirren, erfreuen. Die Folgebände werden dann immer flacher,
vorhersehbarer, langweiliger, belangloser, und am Ende ärgert man sich als
Leser kolossal, wie Trondheim seine grandiosen Ausgangsszenarien so
kaputtmachen konnte. Bei der [4][Fantasy-Groteske „Donjon“] lief es etwas
anders, an dem auf 300 Bände angelegten Opus (am Ende wurden es „nur“ 36)
waren allerdings auch diverse andere Zeichner beteiligt.
Trondheim ist eben eine schrullige Wundertüte. Er meidet die
Öffentlichkeit, sitzt am liebsten zuhause und arbeitet. Er zeichnet sich in
[5][Selbstporträts als genervten Kakadu] und pflegt sein Miesepeter-Image –
um dann zu überraschen. Das ist sein Kalkül, in Leben und Werk. „Der Leser
sollte immer wachsam und sich nie zu sicher sein, was als Nächstes
passiert“, [6][sagte er 2015 im taz-Interview], und fügte hinzu: „Auch im
Leben gibt es böse Überraschungen.“ Herrn Hases Auferstehung ist eine
solche.
6 Aug 2018
## LINKS
[1] /Comiczeichner-Lewis-Trondheim/!5214481
[2] /!1363103/
[3] /Neue-Graphic-Novel-von-Trondheim/!5047270
[4] /Das-Finale-der-Donjon-Comicreihe/!5223084
[5] https://www.bz-berlin.de/kultur/kunst/die-schrullige-welt-des-monsieur-comic
[6] /Comiczeichner-Lewis-Trondheim/!5214481
## AUTOREN
Malte Göbel
## TAGS
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Französischer Comic
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Fantasy
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