# taz.de -- Kommentar Polizeischutz für Saviano: Salvini droht Anti-Mafia-Autor | |
> Italiens Innenminister stellt den Polizeischutz für Roberto Saviano | |
> infrage. Es wäre nicht das erste Mal, dass Schutz trotz Bedrohung | |
> entzogen wird. | |
Bild: Roberto Saviano 2011 in Mailand | |
Er hat es wieder getan. Inzwischen vergeht in Italien kein Tag, an dem sich | |
der rechte Innenminister Matteo Salvini von der Lega nicht wieder eine | |
Idiotie geleistet hätte – die ihn nichts kostet, seinen Wählern das Herz | |
wärmt und bei seinen Gegnern Schnappatmung auslöst. Dieses Mal ging es | |
gegen den Anti-Mafia-Journalisten und Autor des Romans „Gomorrha“, Roberto | |
Saviano, dem Salvini droht, ihm den Polizeischutz zu entziehen, weil er | |
Salvinis Migrationspolitik kritisiert hat. | |
Salvini drohte Saviano in einem Ton, der jedem Boss zur Ehre gereicht | |
hätte: „Die zuständigen Institutionen werden einschätzen können, ob er | |
einem Risiko ausgesetzt ist – auch weil es mir so scheint, dass er viel | |
Zeit im Ausland verbringt. Sie werden berechnen, wie die Gelder der | |
Italiener ausgegeben werden sollen. Ich schicke ihm ein Küsschen.“ | |
Umgehend rollte über Saviano eine Solidaritätswelle hinweg: mit dem Hashtag | |
#SavianoNonSiTocca (Rührt Saviano nicht an), der Schlagzeile der | |
Tageszeitung Repubblica, für die Saviano schreibt, und unzähligen | |
Solidaritätserklärungen – vom Parlamentspräsidenten Roberto Fico über den | |
Antimafia-Staatsanwalt Nino Di Matteo bis hin zu Salman Rushdie. | |
Mal abgesehen vom Detail, dass der Innenminister wissen müsste, dass nicht | |
er über die Zuteilung oder den Entzug einer Leibwache entscheidet, sondern | |
der jeweilige Präfekt auf regionaler Ebene und das „Komitee für Ordnung und | |
Sicherheit“, erfüllt die perfide Kritik an der Leibwache ihren Zweck. Denn | |
sie wird von der Mafia wahrgenommen und als Zeichen der Schwäche und | |
Isolation interpretiert. Beim berühmten Mafiajäger Giovanni Falcone störten | |
sich die Damen aus Palermos bester Gesellschaft an dem Lärm der | |
Alarmsirenen seiner gepanzerten Autos. | |
## Ehemaliger Antimafia-Staatsanwalt ohne Leibwache | |
Falcone wurde ermordet, als er gar nicht mehr im Justizpalast arbeitete, | |
sondern den Justizminister beriet. Deshalb ist es extrem beunruhigend, dass | |
dem ehemaligen Antimafia-Staatsanwalt und jetzigem Rechtsanwalt Antonio | |
Ingroia vor kurzem der Polizeischutz entzogen wurde, obwohl abtrünnige | |
Mafiosi enthüllten, dass die Mafia ihn mit zwanzig Kilo Sprengstoff in die | |
Luft jagen will. | |
Ein Todesurteil, das nicht zurückgezogen wird. Die Mafia vergisst nie, das | |
wissen alle, die sich mal etwas näher mit ihr auseinander gesetzt haben. | |
Ingroia hat erfolgreiche Prozesse gegen Bosse, Geheimdienstchefs und | |
mafiose Politiker geführt, darunter die (zur Zeit inhaftierte) rechte Hand | |
von Silvio Berlusconi: Marcello Dell’Utri, Parteigründer von Forza Italia. | |
Heute verteidigt Ingroia Mafiaopfer – und erhält täglich anonyme Anrufe. | |
Die Tochter des kürzlich verstorbenen Bosses Totò Riina hingegen verschwieg | |
ihren Namen nicht, als sie vergeblich verlangte, zu Ingroia durchgestellt | |
zu werden. Es wird kein Zufall gewesen sein, dass Ingroia die Leibwache in | |
dem Moment entzogen wurde, als [1][das Urteil gegen den Pakt zwischen der | |
Mafia und dem italienischen Staat erging] – den Prozess hatte Ingroia auf | |
den Weg gebracht. | |
Dazu müsste sich Salvini äußern, er müsste Stellung dazu beziehen, warum | |
Ingroia der Schutz genommen wurde. Aber er tut es zynischerweise nicht, | |
weil Ingroia ihm weniger Aufmerksamkeit einbringen würde als Saviano. | |
Weniger Likes, weniger Herzchen von seinen Anhängern. Kein Suhlen in | |
Faschismus-Vorwürfen. Aufmerksamkeit ist Salvinis einzige Währung – neben | |
den Stimmen der Mafia. Auf die verzichtet man ungern. | |
23 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Petra Reski | |
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