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# taz.de -- Urteil Persönlichkeitsschutz von Mördern: Kein Recht auf Vergessen
> Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat entschieden. Medien müssen
> die Namen der Sedlmayr-Mörder nicht aus Online-Archiven löschen.
Bild: Die Mörder von Walter Sedlmayr dürfen weiterhin in Online-Archiv nament…
Die Online-Archive von Rundfunkanstalten und anderen Medien müssen nicht
nachträglich die Namen von zwei haftentlassenen Mördern tilgen. Dies
entschied am Donnerstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
(EGMR) in Straßburg. Um die Pressefreiheit nicht übermäßig einzuschränken,
müsse hier der Persönlichkeitsschutz zurückstehen.
Geklagt hatten zwei Halbbrüder, die 1993 wegen Mordes an dem bekannten
bayerischen Schauspieler Walter Sedlmayr zu lebenslanger Freiheitsstrafe
verurteilt wurden. Damals und auch später (im Zusammenhang mit einem
erfolglosen Wiederaufnahmeverfahren) nannten viele Medien ihre vollen
Namen. Die beiden wurden 2007 und 2008 auf Bewährung aus der Haft entlassen
und leben heute in Bayern. Seit Jahren verklagen sie Medien auf Löschung
ihrer Namen in Online-Archiven. Die weitere Auffindbarkeit der vollen Namen
behindere ihre Resozialisierung. Sie sahen dadurch ihr Menschenrecht auf
Achtung des Privatlebens verletzt.
Betroffen war zum Beispiel das Deutschlandradio (DLR), das im Jahr 2000 in
der Rubrik „Kalenderblatt“ an den Sedlmayr-Mord erinnerte. Da der Beitrag
im Online-Archiv des DLR weiter abrufbar blieb, erhoben die Brüder eine
Unterlassungsklage. Sie wollten nicht „ewig am Pranger“ stehen. Weitere
Klagen richteten sich gegen den Spiegel und den Mannheimer Morgen. [1][Ende
2009 lehnte der Bundesgerichtshof die Klage der Halbbrüder ab]. Dagegen
erhoben sie 2010 Beschwerde beim EGMR in Straßburg, der nun – also acht
Jahre später – sein Urteil verkündete.
Die Straßburger Richter bestätigten dabei den Bundesgerichtshof in vollem
Umfang. Die Pressefreiheit wäre gefährdet, wenn Medien ihre Archive immer
wieder daraufhin kontrollieren müssten, ob einst zulässige Namensnennungen
inzwischen Persönlichkeitsrechte verletzen. Dies könnte dazu führen, dass
Medien ganz auf Online-Archive verzichten oder dass sie sich in der
Berichterstattung gleich so beschränken, dass eine spätere Anonymisierung
nicht erforderlich ist.
## Pressefreiheit ist wichtiger
Wie der EGMR jetzt feststellte, seien auch die Medienarchive von der
Pressefreiheit geschützt. Denn Medien hätten die Aufgabe, sich an der
Meinungsbildung zu beteiligen, indem sie der Öffentlichkeit die in ihren
Archiven verwahrten Informationen zur Verfügung stellten. Die Nennung
vollständiger Namen stelle einen wichtigen Aspekt der Pressearbeit dar,
gerade im Falle von Strafverfahren, die ein „beträchtliches Interesse“ der
Öffentlichkeit geweckt hätten. Das gelte auch nach einem „gewissen
Zeitablauf“, wenn das öffentliche Interesse „nicht erloschen“ sei, so der
EGMR.
Neben diesen generellen Überlegungen argumentierten die Straßburger Richter
aber auch mit Besonderheiten des Einzelfalls. Weil sich die Halbbrüder noch
2004 selbst an die Presse gewandt und zur Berichterstattung aufgefordert
hatten, käme ihrer Hoffnung auf ein „Recht auf Vergessen“ geringere
Bedeutung zu als bei anderen entlassenen Straftätern.
Negativ schlug auch zu Buche, dass die Halbbrüder „nicht mitteilten“, ob
sie Suchmaschinen wie Google kontaktiert hatten, um dort die Nennung ihrer
Namen im Zusammenhang mit dem Sedlmayr-Mord zu verhindern. Der Europäische
Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hatte 2013 eine derartige Möglichkeit
eröffnet.
Das Straßburger Urteil wurde von einer siebenköpfigen Kammer getroffen. Die
Halbbrüder können noch versuchen, ein Urteil der Großen Kammer mit 17
Richtern zu erhalten, diese muss sich aber nicht unbedingt mit einem
Rechtsmittel beschäftigen.
28 Jun 2018
## LINKS
[1] /Persoenlichkeitsrechte/!5150865
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt Pressefreiheit
Persönlichkeitsrecht
Mörder
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
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