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# taz.de -- Christina Aguileras neues Album: Heilkristalle statt Schlammcatchen
> US-Sängerin Christina Aguilera ist nun abgeschminkt und achtsam. Sie will
> sich emanzipieren. Aber macht sie auch wieder richtig guten Pop?
Bild: Doch nicht ganz ungeschminkt: US-Sängerin Christina Aguilera
Christina Aguilera ist eine Meisterin der Masken. Der vielleicht größte
Popstar der nuller Jahre hat so ziemlich alle Rollen durchgespielt. Sie gab
im Song „Moulin Rouge“ (2001) die schrille Cancan-Tänzerin, war auf ihrem
Album „Stripped“ (2002) die „dirrty“ Schlammcatcherin, sang auf „Back…
Basics“ (2006) als Marylin-Monroe-Epigonin Retropop.
Und heute? Wirkt sie seltsam aus der Zeit gefallen. Wie ein Relikt aus
Zeiten, in denen Plastikstars aus dem „Mickey Mouse Club“ die Welt
regierten, aus den letzten Tagen der MTV-Ära, in denen drei Frauen (damals:
Aguilera, Madonna und Britney Spears) mit einem öffentlichen Zungenkuss
noch die Welt erschüttern konnten.
Seit 2012, als ihr letztes Album „Lotus“ erschienen ist, hat Aguilera ihr
zweites Kind bekommen, sich von ihrem üppigen Make-up getrennt, zu sich
selbst gefunden, so hört man. Und jetzt holt die 37-Jährige aus zum
künstlerischen Befreiungsschlag: „Liberation“ heißt ihr neues Werk. Im
Video-Trailer zur Platte zündet sich Aguilera im weißen Bademantel Kerzen
an, schreibt Tagebuch, veranstaltet irgendwas mit Heilkristallen. Was uns
all das sagen soll: Nun soll es Christina in Reinform geben, nochmal
„Stripped“, aber anders.
Zum Auftakt leiten dramatische Streicher in der Titel-Ouvertüre
„Liberation“ die Suche nach „Maria“ ein. Aguileras zweiter Vorname ist …
Chiffre für das unverfälschte Selbst der Sängerin, das innere Kind, die
„wahre“ Aguilera, was auch immer das heißen mag. Britney Spears hatte einst
für ein ähnliches Unterfangen ihren Mittelnamen Jean genutzt.
Dass sich Aguilera die erste Singleauskopplung „Accelerate“ von
Rap-Superstar Kanye West produzieren ließ, gerade jetzt, da sich der Rapper
mit seinen wirren Sympathiebekundungen für Trump ins Aus schießt, ist
reichlich blödes Timing, tut der Sache aber keinen Abbruch: Mit seiner
zerhackten Rhythmik und den nervösen Cembalo-Sounds kann sich der Song
durchaus am Gegenwartspop vieler KollegInnen messen lassen. Damit auch der
Letzte kapiert, dass hier eine Künstlerin auf der Höhe der Zeit zugange
ist, klackern natürlich unerbittlich die Trap-Beats.
## „Liberation“ will ein Empowerment-Album sein
Den technoid-sterilen Sound von „Lotus“ lässt Aguilera hinter sich und
besinnt sich dafür auf Soul-Pop, zurückgelehnte R&B-Songs wie „Like I Do“
und klassische Balladen wie „Twice“, in denen sie ihre Donnerstimme
exponieren kann. In „Fall in Line“, einem Duett mit Demi Lovato, einem
Disney-Star der nächsten Generation, verkündet Aguilera zum
Powerpop-Refrain die emanzipatorische Botschaft: „I got a mind to show my
strength“. Im Musikvideo werden Aguilera und Lovato als kleine Mädchen von
furchterregenden Menschmaschinen entführt, bevor sie sich schließlich,
erwachsen und stark, aus der Sklaverei befreien.
„Liberation“ will mit aller Macht ein Empowerment-Album sein. Dabei klang
die Sache mit dem Feminismus schon mal expliziter bei Aguilera: „Call me a
bitch ’cause I speak what’s on my mind“ – Nenn mich eine Schlampe, weil…
sage, was ich denke –, sang sie in ihrer 2002 veröffentlichten Single
„Can’t Hold Us Down“. Ihr Duett mit der Rapperin Lil’ Kim war ein dezid…
feministisches Statement zur Primetime auf Viva – zu einer Zeit, als
feministische Statements im Mainstreampop noch nicht an der Tagesordnung
waren.
Die „dirrty Xtina“ der frühen nuller Jahre hatte nicht die göttinnengleic…
Würde einer Beyoncé, nicht die Queerness von Lady Gaga, dafür: das
Selbstbewusstsein einer grellen Krawallschachtel, die ihre Sexualität
aggressiv nach außen kehrt.
Nun also Heilkristalle statt Schlammcatchen. Obwohl ein
Authentizitätsversprechen, wie es Aguilera hier gibt, im Pop natürlich
großer Quatsch ist, kann man festhalten: Doch, sie hat ein gutes,
zeitgemäßes Album aufgenommen. Kleben bleibt allein der fade Nachgeschmack,
dass sie mit „Liberation“ das Narrativ nährt, eine Frau könne nur so
richtig bei sich selbst sein, wenn sie abgeschminkt und achtsam ist.
20 Jun 2018
## AUTOREN
Julia Lorenz
## TAGS
Pop
Feminismus
Pop-Kultur
Barbie
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