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# taz.de -- Gescheiterte „Akademie Kannenberg“: Teure Insolvenz – für di…
> Die Sozialbehörde hat einen Vergleich mit dem Insolvenzverwalter der
> „Akademie Kannenberg“ ausgehandelt – und bleibt auf vier Millionen Euro
> sitzen.
Bild: Einst hofiert, jetzt insolvent: Lothar Kannenberg spricht auf einem Kongr…
Bremen taz | Die Sozialbehörde hat im Insolvenzverfahren gegen Lothar
Kannenberg und seiner gleichnamigen selbsternannten „Akademie“ einen
Vergleich mit dem Insolvenzverwalter ausgehandelt. Die Sozialdeputation hat
dem am Donnerstag mit den mehrheitlichen Stimmen von Rot-Grün zugestimmt:
Nun muss Bremen rund vier Millionen Euro endgültig abschreiben.
„Bitter“ sei der Verlust des Geldes, sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann
(Grüne), aber so werde der Schaden für Bremen immerhin begrenzt. Im Falle
einer gerichtlichen Auseinandersetzung um die Forderungen Bremens an
Kannenberg und die Gegenforderungen von ihm hätten es bis zu 4,8 Millionen
Euro werden können. Bremen, sagt Stahmann, hätte im Herbst 2017 Forderungen
von Kannenberg von über drei Millionen Euro nicht ausgezahlt, sondern mit
Außenständen der „Akademie Lothar Kannenberg“ verrechnet. Ein solches
Vorgehen sei rechtlich umstritten und hätte deswegen möglicherweise vor
Gericht gekippt werden können.
## Der Zeitpunkt bleibt unklar
Ebenfalls „nicht dienlich“ wäre es laut dem von der Sozialbehörde
hinzugezogenen Anwalt Jens-Uwe Nölle, wenn im Rahmen eines Verfahrens
danach gefragt werde, zu welchem Zeitpunkt klar gewesen sei, dass
Kannenberg zahlungsunfähig war. Die CDU-Abgeordnete Sandra Ahrens hatte in
der Deputation zuvor wissen wollen, ob sich die Sozialbehörde
möglicherweise der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung schuldig gemacht
haben könnte.
Genauso wie Sofia Leonidakis (Linke) kritisierte sie, dass Kannenberg nur
einen Monat vor der Insolvenz noch 170.000 Euro erhalten habe – zu einem
Zeitpunkt, als der Sozialbehörde längst bekannt war, dass er die an ihn
geleisteten Vorschüsse offenbar nicht zurückzahlen kann.
Das geht aus einem Revisionsbericht hervor, der „behördeninterne
Verfahrens-, Entscheidungs- und Zeitabläufe im Zusammenhang mit der
Finanzierung der Jugendhilfeeinrichtungen der Akademie Lothar Kannenberg“
(AKLK) unter die Lupe genommen hat: Es sei festzustellen, heißt es da,
„dass es bereits zu Beginn des Jahres 2017 erste Zweifel an der
wirtschaftlichen Solidität der AKLK gab und es wünschenswert gewesen wäre,
wenn diesen in stärkerem Umfange nachgegangen worden wäre“.
Stattdessen hätten sich die zuständigen Verwaltungsmitarbeiter im Frühjahr
2017 monatelang Zeit gelassen, um bei Kannenberg die Rückzahlungen von
Vorschüssen der Sozialbehörde einzutreiben: „Die Tatsache, dass innerhalb
von fast fünf Monaten lediglich eine Erinnerungsmail verfasst wurde, ist
für die Innenrevision nicht nachvollziehbar und als Versäumnis zu werten“,
schreiben die Prüfer und: „Durch das abwartende und nur inkonsequent
einfordernde Verhalten der senatorischen Behörde hinsichtlich der
Rückzahlungen der Abschläge konnte der Träger eine drohende Insolvenz
mehrere Monate hinauszögern.“
Dass die Behörde Kannenberg stärker hätte im Auge behalten müssen, befand
nicht erst die Innenrevision: Bereits im vergangenen November, kurz nach
seiner Insolvenz, sagte die CDU-Abgeordnete Sigrid Grönert in Richtung
Sozialsenatorin: „Vielleicht war Kannenbergs Wagemut und Pragmatismus
damals gut, aber er war völlig unerfahren – und das hätte Sie wachsam
machen müssen.“ Kannenberg habe unverhältnismäßig viel Geld ausgegeben und
offenbar auch seine Mitarbeiter besser bezahlt als andere: „Er hat anderen
Einrichtungen die Mitarbeiter regelrecht abgeworben“, so Grönert.
Wagemutig gab Kannenberg sich damals in der Tat: Denn ohne pädagogische
Kompetenz, ohne Erfahrung mit Jugendhilfe in großem Stile und ohne eine
Kenntnis der wirtschaftlichen Risiken eines so großen Unterfangens erklärte
er sich 2015 bereit, den größten Teil der in Bremen angekommen
minderjährigen Geflüchteten unterzubringen und zu betreuen.
Bereits im Jahr 2014 war der ehemalige Boxer und Ex-Junkie nach Bremen
gekommen, um ein Dutzend straffällig gewordener, minderjähriger Geflüchtete
zurück auf den rechten Weg zu bringen – mit fragwürdigen Methoden.
Kannenberg setzte auf einen rauen Umgangston, klare Männlichkeitsbilder und
das Prinzip der Kollektivstrafe. Die Jugendlichen sollten in Bremen
„Strukturen und Werte lernen“ durch „viel Sport bis zur Erschöpfung“ u…
„einem straffen Programm zwischen 6 und 22 Uhr“, wie es hieß.
## Mäßiger Erfolg
Das hat nicht sonderlich gut funktioniert, das Haus war nie voll belegt und
einige Jugendliche wuchsen selbst Kannenberg so über den Kopf, dass er sie
in andere Einrichtungen gab. Nichtsdestotrotz: Im Jahr 2015, als rund 1.600
Plätze für unbegleitete, minderjährige Geflüchtete geschaffen werden
mussten, hat Kannenberg davon 40 Prozent übernommen.
„Wir hatten keine Alternative“, sagte Stahmann in der Deputation am
Donnerstag und erntete dafür Gegenwind von dem Linken-Abgeordneten Cindi
Tuncel. Es habe durchaus andere Träger gegeben, die sich bereiterklärt
hätten, minderjährige Geflüchtete aufzunehmen, sagte er: „Aber ich hatte
den Eindruck, Kannenberg hatte so etwas wie einen Freifahrtschein.“
15 Jun 2018
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Heimerziehung
Schwerpunkt Haasenburg Heime
Jugendhilfe
Insolvenz
Schwerpunkt Flucht
Jugendhilfe
Jugendheim Friesenhof
Flüchtlinge
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