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# taz.de -- Hautärztin über Sonnencreme: „Ein Schnapsglas muss drauf“
> Was der Lichtschutzfaktor bedeutet, wieso Karotten helfen, und warum
> Hellhäutige nicht südlich des Schwarzwalds Urlaub machen sollten, erklärt
> Yael Adler.
Bild: Sonnenschutz hätte helfen können
taz am wochenende: Frau Adler, es ist Sommer, die Sonne strahlt uns vom
Himmel an – und wir müssen uns einschmieren. Aber wie schützt uns
Sonnencreme überhaupt vor Sonnenbrand?
Yael Adler: Sie hat physikalische sowie chemische Wirkstoffe. Die
physikalischen bestehen aus fein gemahlenem Zinkoxid und Titandioxid, diese
Partikel bewirken einen Sonnenschirmeffekt.
Was bedeutet das?
Überall da, wo die Partikel auf der Haut liegen, dringt das Licht nicht
durch. Es gibt aber keinen hundertprozentigen Schutz, da eben nie die
komplette Haut bedeckt ist.
Und was machen die chemischen Filter?
Die wandeln die in die Haut eingedrungenen UV-Strahlen in andere
Energieformen wie Wärme um.
Chemische Filter gelten als nicht unbedenklich. Welche sind gefährlich?
Es ist für den Verbraucher und oft auch für den Hautarzt fast unmöglich,
anhand der chemischen Begriffe auf der Flasche zu erkennen, ob das ein
harmloser oder ein böser chemischer Lichtschutzfilter ist. Namen wie
Methylene-Bis-Benzotriazolyl-Tetramethylbutylphenol kann sich ja kein
Mensch merken. Da muss man sich dann im Internet kundig machen. Allerdings
sind die meisten in Deutschland erhältlichen Sonnenschutzcremes ziemlich
sicher.
In Hawaii sollen demnächst mehrere Sonnencremesorten verboten werden, weil
unter anderem der chemische Stoff Oxybenzon zur Korallenbleiche beitragen
soll. Ist da was dran?
Auf jeden Fall. Oxybenzon ist bekannt als äußerst schädlich und verursacht
Umweltschäden und Hautreizungen. Es geht in die Haut über, was chemische
Filter nicht tun sollen. In guten Produkten ist der Stoff gar nicht mehr
enthalten. Solche nachweisbar schädlichen Stoffe werden durch die
europäische Kosmetikverordnung verboten beziehungsweise geregelt.
Also keine Panik?
Man sollte auf jeden Fall Nutzen und Risiko abwägen. Die Leute, die immer
schreien „Oh Gott. Wir schmieren uns jetzt was Böses auf die Haut“, tun
sich wesentlich Schlimmeres an, wenn die mit ihrer käsigen Haut nach Malle
fliegen und sich da in die Sonne knallen.
Aber es gab doch Untersuchungen …
Es gab Untersuchungen, dass die chemischen Filter womöglich eine
Hormonwirkung haben, also wie Östrogene wirken und zum Beispiel Brustkrebs
stimulieren oder die Gebärmutter verändern könnten. Aber das sind
Laboruntersuchungen. Dafür sind 10 Milliarden mal höhere Konzentrationen
nötig als wir uns mit der Sonnencreme auf die Haut schmieren. Die normalen
Östrogene, die wir produzieren oder über die Nahrung aufnehmen, sind um ein
Vielfaches höher dosiert. Phytoöstrogene etwa essen wir den ganzen Tag,
sie sind in vielen Obst- und Gemüsesorten enthalten.
Auf Sonnencremetuben stehen viele Abkürzungen: LSF, UVA, UVB – was ist da
noch mal was?
LSF ist der Lichtschutzfaktor. Der bezieht sich auf den UVB-Schutz. Die
UVB-Strahlung ist die aggressivere Sonnenstrahlung, die sehr schnell
Sonnenbrand macht und Hautkrebs verursacht. UVA-Wellen sind länger und
gehen tiefer in die Haut, sie sind unter anderem für die Sonnenallergie
verantwortlich. Wenn um das UVA auf der Sonnencremeflasche ein Kreis
drumherum ist, erkennt der Verbraucher dass der Schutz ausreichend hoch
ist. „LSF 50 plus“ und „UVA“ im Kreis: Mehr können Sie derzeit nicht
rausholen.
Was bedeutet denn Lichtschutzfaktor 50?
Der Lichtschutzfaktor zeigt an, um welchen Faktor der Eigenschutz
verlängert wird. Ein Beispiel: Als hellhäutige Person haben Sie eine
Eigenschutzzeit von etwa 10 Minuten in der Sonne. Danach würde die Haut
also rot werden oder schon mal Hautkrebsvorstufen in den Zellen entwickeln.
Mit einem Lichtschutzfaktor 50 plus ist der Eigenschutz theoretisch um das
50-Fache verlängert, und Sie können 8,3 Stunden in der Sonne bleiben – wozu
aber kein Arzt raten würde.
Wie sehr beugt Sonnencreme Hautkrebs vor?
Sonnenbrand, das ist bewiesen, steigert das Hautkrebsrisiko. Sonnencreme
reduziert es. Für Hautkrebs sind auch Genetik, Hormone, Anzahl und Typen
der Leberflecken und sicher auch noch nicht gänzlich Erforschtes wie die
Ernährung verantwortlich. Aber ganz wesentlich ist die Sonne.
Was kann Biosonnencreme?
Einiges. Aber längst nicht so viel wie chemische. Angesichts rasant
steigender Hautkrebsraten und auch im Falle von Babys würde ich immer
raten, zur chemischen Abwehr zu greifen und das am besten mit dem höchsten
Lichtschutzfaktor, den Sie kriegen können.
Was ist der Grund für den Anstieg der Krebsraten?
Unser Freizeitverhalten. Wir haben unsere genetischen Breitengrade
verlassen. Eigentlich sollten Hellhäutige nicht über den Schwarzwald hinaus
in den Urlaub fahren.
Und weil wir es trotzdem machen, wurden höhere Lichtschutzfaktoren
entwickelt?
Genau. In den 1980ern gab es Lichtschutzfaktor 1, und das blonde
Piz-Buin-Model auf den Plakaten war dunkelbraun. Mit den Spätfolgen der
Naivität haben wir bis heute zu kämpfen. Täglich kommt jemand mit Hautkrebs
in die Praxen der Hautärzte. Übrigens ist „Arschgesicht“ in diesem Fall e…
Kompliment: Wenn man sich die Popos anguckt, die immer im Badehöschen
stecken, sieht man wie glatt und faltenfrei die im Vergleich zum Gesicht
sind. Das zeigt, wie die Sonne wütet und wer sich wie geschützt hat.
Gewöhnt sich die Haut eigentlich an die Sonne?
Die Haut hat Eigenschutzmechanismen, auf die man bauen darf. Zum Beispiel,
dass sie bräunt und die Bräunung Melanin bildet. Melanin legt sich vor die
Zellen, als wäre es ein physikalischer Sonnenschutz, und wirkt damit wie
ein All-in-one-Filter gegen UVA und UVB. Es ist aber auch genetisch
bedingt, wie stark Melanin gebildet werden kann. Wenn der Käseweiße mit der
geringen Melaninproduktion trotzdem nach Gran Canaria reisen will, dann
macht er etwas, was die Evolution für ihn nicht vorgesehen hat.
Vorbräunen reicht nicht?
Nein. Relevant ist aber die Verdickung der obersten Hautschicht. Das nennt
man Lichtschwiele. Wenn man sich also drei Wochen vor dem Urlaub im tiefen
Süden oft draußen aufhält, dann bildet sich in dieser Zeit eine
Lichtschwiele und damit eine gewisse Barriere.
Geht das auch im Solarium?
Nein. Das ist eine Überdosis UVA-Strahlung. Die ist 1.000-fach höher als
die der Sonne. Das macht keine Lichtschwiele, sondern Hautkrebs, und gehört
verboten. Solarien haben keinen Nutzen und sind schwerste Körperverletzung.
Reicht einmal eincremen?
Ein Erwachsener muss ein bis anderthalb Schnapsgläser voll Sonnencreme
auftragen. Hat er geschwitzt, gebadet oder Kleidung getragen, muss er
nachlegen. Damit wird der Lichtschutzfaktor allerdings nicht verlängert. Es
ist nur der Versuch, ihn aufrecht zu erhalten. Aber in diesem Fall gilt:
viel hilft viel.
Wie wasserfest ist wasserfeste Sonnencreme?
Die wird immer besser, durch neue Texturen und feingemahlenere Partikel.
Die dringen tiefer in die obere Hautschicht ein und werden nicht so schnell
ausgewaschen.
Wird man trotzdem braun?
Klar. Es kommt immer noch UV-Strahlung durch.
Hilft Karotten essen?
Ja. Ein Glas Möhrensaft am Tag mit einem Tropfen Öl. Oder
Betacarotinkapseln, damit man schön orange wird. Oder rote Paprika. Wenn
sie sich betacarotinreich ernähren oder mit viel Astaxanthin, legt sich das
färbend in die Haut hinein. Nach vier Wochen ist die Haut von oben nach
unten durchgefärbt und verlängert damit den Eigenschutz um das Zwei- bis
Dreifache.
After-Sun-Produkte?
Total überflüssig. Ich empfehle, das Runterkühlen und Reparieren von innen:
Tomaten essen, Tomatensaft trinken. Auch Betacarotin aus der Möhre, Omega-3
vom Fisch oder Zink und Selen aus Nüssen sind Reparaturstoffe, die von
außen aufgetragen nichts nützen, von innen aber schon.
Muss ich mich beim Autofahren eincremen?
Ja. UVA-Strahlung geht auch durch Glas.
Und taugt die Sonnencreme vom letzten Sommer noch?
Solange sie gut riecht und die Konsistenz noch normal ist, können Sie die
benutzen.
4 Jul 2018
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
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Verbraucherschutz
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