# taz.de -- Die Wahrheit: Konrad Kujau lässt grüßen | |
> Die Himmelsscheibe von Nebra – ist sie nur eine plumpe Fälschung? Ein | |
> Aschaffenburger Zeichner-Duo bezichtigt sich jetzt selbst. | |
Bild: Ungläubiges Staunen: „Die Himmelscheibe von Nebra“ ist in echt nur e… | |
Von einer Weltsensation war die Rede, als die Polizei im Jahr 2002 in einem | |
Baseler Hotel die Himmelsscheibe von Nebra sicherstellen konnte. Zwei | |
Hehler hatten sie dort verscherbeln wollen. Entdeckt worden war sie drei | |
Jahre zuvor von zwei Raubgräbern auf dem Mittelberg im Ziegelrodaer Forst | |
bei Nebra in Sachsen-Anhalt. | |
Untersuchungen ergaben, dass die Himmelsscheibe um die 4.000 Jahre alt sei. | |
Man nahm an, dass sie ihren kosmologisch geschulten Benutzern in der | |
Bronzezeit zu kalendarischen und kultischen Zwecken gedient habe. | |
Archäologen, Astronomen, Physiker, Chemiker, Althistoriker, Ethnografen, | |
Theologen, Radiologen und Kriminologen haben all ihren Scharfsinn | |
aufgewandt, um aus der Scheibe klug zu werden. | |
Sie wurde gewogen, gemessen, geröntgt und auf Herz und Nieren getestet. | |
Ungezählte Besucher haben sie an verschiedenen Ausstellungsorten | |
besichtigt, es sind Prozesse um das Urheberrecht an der Scheibe geführt | |
worden, und seit Jahren versuchen sich die Verfasser historischer | |
Schundromane an ihr gesundzustoßen. Der jetzige Standort der Himmelsscheibe | |
ist das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. | |
Doch nun scheint sich das Blatt zu wenden. In einer aufsehenerregenden | |
Pressekonferenz im Aschaffenburger Traditionslokal Schlappeseppel haben die | |
Zeichner Achim Greser und Heribert Lenz vorgestern eingeräumt, dass die | |
Himmelsscheibe von Nebra eine Fälschung ist. „Das Ganze geht auf eine | |
Kneipenwette zurück“, heißt es in einem an die Medien verteilten | |
Bekennerschreiben des Duos. „Wir wollten beweisen, dass wir’s ebenso | |
draufhaben wie der Kunstfälscher Konrad Kujau. Zur Herstellung der Scheibe | |
haben wir in unserer Garagenwerkstatt in Aschaffenburg nur eine Nacht | |
gebraucht. Eine rostige Radkappe, etwas Bronze, etwas Kupfer, ein bisschen | |
Gold, das war’s! Dann haben wir das Ding auf dem Mittelberg vergraben und | |
ein paar Hobby-Archäologen den Tipp gegeben, da mal mit dem Metalldetektor | |
spazieren zu gehen.“ | |
## Betagtes Material | |
Wie aber haben sie so viele Wissenschaftler täuschen können? „Es hat uns | |
selbst überrascht, dass der Schwindel nicht irgendwann aufgeflogen ist“, | |
sagen die beiden. „Aber wohl sind die Materialien, die wir hier einem | |
Schrotthändler abgekauft haben, tatsächlich schon sehr betagt gewesen …“ | |
Für die Experten, die in der Himmelsscheibe ein prähistorisches Kunstwerk | |
erkannt zu haben glaubten, ist diese Enthüllung höchst peinlich. Doch für | |
die beiden Fälscher, die man in Branchenkreisen auch unter dem Namen Greser | |
& Lenz kennt, wird sie vermutlich folgenlos bleiben. Da sind sie sich | |
sicher: „Man wird doch wohl noch eine alte Radkappe im Wald vergraben | |
dürfen! An dem Hype um die Himmelsscheibe sind wir absolut unschuldig, und | |
wir haben keinen Cent daran verdient. Im Gegensatz zu den Zwischenhändlern, | |
die ja zum Teil sechsstellige Summen kassiert haben. Laut Wikipedia liegt | |
der Versicherungswert der Scheibe bei einhundert Millionen Euro. Da hört | |
für uns der Spaß allmählich auf! Und deshalb sagen wir: Sorry, Leute, ihr | |
habt euch geirrt – die Radkappe, in die ihr so viel hineingeheimnist habt, | |
kann wieder zurück auf den Schrottplatz!“ | |
Das sind wenig verlockende Aussichten für die Menschen, deren Arbeitsplätze | |
von der Präsentation, der Erforschung und der touristischen Ausbeutung der | |
Himmelsscheibe abhängen. Was soll nun beispielsweise aus dem multimedialen | |
Museum Arche Nebra und dem Hotel Himmelsscheibe in Nebra werden? Und wird | |
man in Zukunft nicht jeden herausragenden Bodenfund als Humbug abtun? | |
„Mit ihrem vermeintlich ach so harmlosen Schabernack haben die Herren | |
Greser und Lenz der Archäologie einen unermesslichen Schaden zugefügt“, | |
sagt Dr. Tilmann Kluse vom Verband für Grabungstechnik und Feldarchäologie | |
e. V. und setzt in trockenem Ton hinzu: „Die alten Germanen hätten solche | |
Typen im Moor ersäuft.“ | |
11 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Henschel | |
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