# taz.de -- Türkischer Präsident in Sarajevo: Bosnien als Geschenk | |
> Im bosnischen Sarajevo befeuert Erdoğan den Wahlkampf in der Türkei. Es | |
> jubeln vor allem aus Deutschland angereiste Türken. | |
Bild: Mehr als zehntausend Türken reisten aus Deutschland an: Erdoğan in Sara… | |
Der Termin für den Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan | |
in Sarajevo war klug gewählt. Zwei Tage nach dem Gipfeltreffen der | |
EU-Regierungschefs in Sofia und kurz nach Beginn des islamischen | |
Fastenmonats Ramadan wollte der türkische Präsident die Türkei als | |
politische Macht auf dem Balkan präsentieren. Gleichzeitig wollte er seinen | |
Wahlkampf für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei | |
befeuern. | |
Das ist ihm auch gelungen. Denn der Schulterschluss mit dem Chef der | |
größten muslimischen Partei in Bosnien und Herzegowina, Bakir Izetbegovic, | |
lieferte schöne Bilder in die Wohnstuben von Istanbul bis Ankara. Sie | |
vermitteln die Illusion in die Heimat, als wäre Erdoğan nicht nur ein | |
wohlgelittener Gast in Sarajevo, sondern auch eine politische Figur, die | |
der EU auf dem Balkan Paroli liefert. Mit ganz leeren Händen ist Erdoğan | |
auch nicht nach Sarajevo gekommen. Dass jetzt endlich die lange | |
versprochene Finanzierung der Autobahn von Belgrad nach Sarajevo durch die | |
Türkei beschlossen ist, begrüßen sogar seine Kritiker. | |
Gastgeber Bakir Izetbegovic muss ebenfalls Anfang Oktober bei Wahlen | |
bestehen, auch er erhofft sich Rückenwind von dem Besuch. Ob allerdings | |
seine Hoffnungen erfüllt werden, ist jedoch fraglich. Dass Izetbegovic zu | |
einem persönlicher Freund Erdoğans aufgestiegen und durch vielerlei | |
geschäftliche Beziehungen mit der Türkei verbunden ist, steht bei der | |
Kritik nicht einmal so stark im Vordergrund. | |
Vielmehr ist es das Gehabe, die Unterwürfigkeit des Mitglieds des | |
dreiköpfigen bosnischen Staatspräsidiums gegenüber dem „neuen Sultan“, a… | |
wäre Bosnien und Herzegowina noch immer Teil des hier in der Region 500 | |
Jahre herrschenden Osmanischen Reiches. Izetbegovic hatte im Vorfeld des | |
Besuchs erklärt, er vertraue Bosnien und Herzegowina als „Imanet“, als | |
Gabe, als Geschenk, Erdoğan an. | |
## Viele sind schockiert | |
Das hat viele Menschen in Sarajevo nicht nur schockiert, sondern auch | |
erzürnt. Wie kann ein Politiker, der nicht einmal für das gesamte Volk | |
sprechen kann, Erdoğan in dieser Weise ehren, fragten sich viele Bürger wie | |
auch das Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften Muhamed Felipovic. | |
Auch die Politiker – nicht nur die der Linken, wie die der SDP oder Nasa | |
Stranka, zeigten sich schockiert. Der Medienmogul und Chef der | |
zweitstärksten muslimischen Partei Fahrudin Radoncic kritisierte den | |
Besuch, weil es Erdoğan um „eine Demonstration für Westeuropa“ gehe, | |
gleichzeitig respektiere er die Integrität des Staates Bosnien und | |
Herzegowinas nicht. | |
Die Vielzahl von türkischen Fahnen im Stadtzentrum Sarajevos stieß zudem | |
bei vielen Bürgern der Stadt auf Widerwillen. Der durch lautstarke | |
„Turkije“-Rufe und Parolen ausgedrückte Nationalismus der mehr als | |
zehntausend Türken, die vor allem aus Deutschland gekommen waren, um „ihrem | |
Führer“ zuzujubeln, „hat uns alle verschreckt,“ sagt der Historiker Meho | |
Alicehajic. Dass aber Bakir Izetbegovic seine Frau zu seiner Nachfolgerin | |
als Mitglied des Staatspräsidiums aufbauen will, setze dem Ganzen die Krone | |
auf. | |
20 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Präsidentschaftswahl in der Türkei | |
Türkei | |
Bosnien und Herzegowina | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Sarajevo | |
Wahlkampf | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Bosnien und Herzegowina | |
Sarajevo | |
Schwerpunkt Brexit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Erdoğan im bosnischen Sarajevo: Türkei zuständig für Akkreditierungen | |
Wer über den Besuch Erdoğans im bosnischen Sarajevo berichten durfte und | |
wer nicht, entschied eine türkische Organisation. | |
Kommentar Erdoğan in Sarajevo: An Ausstrahlung verloren | |
Lange galt Präsident Erdoğan auch auf dem Balkan als Hoffnungsträger. Das | |
ist wegen seiner repressiven Politik in der Türkei nun vorbei. | |
Debatte Bosnien und Herzegowina: Zündeln auf dem Balkan | |
Die politische Lage in Bosnien und Herzegowina wird immer brisanter. | |
Russland und die Türkei verfolgen dort jeweils eigene Interessen. | |
Die Türkei und der Balkan: Erdoğan ringt um Einfluss | |
Der türkische Präsident sieht sich als Vertreter der muslimischen | |
Bevölkerung auf dem Balkan. Doch über Druckmittel verfügt er dort nicht. | |
Debatte Brexit-Folgen für den Westbalkan: Nicht den Anschluss verlieren | |
Durch das Brexit-Referendum ist die Europäisierung des Balkans ins Stocken | |
geraten. Stattdessen bringen sich autoritäre Mächte ins Spiel. |