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# taz.de -- Flüchtlingshelfer in Frankreich angeklagt: Kann Solidarität eine …
> Drei Flüchtlingsunterstützer nahmen zusammen mit hundert anderen an einem
> Protestmarsch in den Alpen teil. Jetzt stehen sie vor Gericht.
Bild: Protest gegen leichtere Abschiebung (Symbolbild). Was passiert mit der So…
Paris taz | Vor dem Strafgericht von Gap in Südfrankreich standen am
Donnerstag drei junge Leute: die 27-jährige Italienerin Eleonora L. und die
beiden Schweizer Bastien S. und Theo B. Vorgeworfen wurde ihnen laut
Anklageschrift „Beihilfe beim illegalen Grenzübertritt“ in einer
„organisierten Bande“. Das tönt sehr gravierend, und ein Blick ins
Strafgesetzbuch reicht, um zu begreifen, dass auf dieses Delikt bis zu zehn
Jahre Haft und 750.000 Euro Geldstrafe stehen. Der Paragraf ist für den
Kampf gegen kriminelle Schlepperorganisationen gedacht, die mit ihrem
Geschäft das Flüchtlingselend skrupellos ausbeuten. In diesem konkreten
Fall wird das Gesetz aber nicht gegen Mitglieder der Bande einer
Schleppermafia angewandt, sondern gegen MitbürgerInnen, die aus humanitärer
Überzeugung den Flüchtlingen helfen, welche oft unter Lebensgefahr die
italienisch-französische Grenze überqueren wollen.
Die drei Angeklagten erschienen am Vormittag lächelnd vor dem
Gerichtsgebäude, vor dem sich bereits zahlreiche Freunde zur Unterstützung
eingefunden hatten. Eine ältere Frau trug ein Schild vor der Brust, auf dem
zu lesen war: „Auch ich bin eine Delinquentin der bandenmäßigen
Solidarität“.
[1][In einem offenen Brief] in Le Monde hatten 121 Prominente dagegen
protestiert, dass mit dieser Anklage eine der drei Devisen der Republik
(Liberté, Egalité, Fraternité), die Brüderlichkeit, mit Füßen getreten
werde. Unter den Unterzeichnenden finden sich bekannte Linkspolitiker,
SchauspielerInnen wie Juliette Binoche, SchriftstellerInnen wie Fred Vargas
und JMG Le Clezio. Die Initiative zu diesem Appell stammt von Cedric
Herrou, einem lokalen Olivenbauern, der mehrfach wegen seiner aktiven Hilfe
für Flüchtlinge am Grenzpass La Roya festgenommen und angeklagt worden war.
Auch am 22. April waren Theo, Eleonora und Bastien nicht allein. Sie nahmen
zusammen mit rund hundert anderen an einer Kundgebung für Flüchtlinge und
gegen rechtsextreme Ausländerfeinde teil. Am Tag zuvor hatten nämlich
Mitglieder der rechtsradikalen „Génération identitaire“ am
italienisch-französischen Grenzübergang beim Bergpass Col de l’Échelle in
den Südalpen einen symbolischen Grenzwall errichtet, um ihren Forderungen
nach strikten Grenzkontrollen zur Verhinderung der Einwanderung Nachdruck
zu verleihen. Beim Protestmarsch gegen diese Aktion gelangten am Tag danach
etwa zwanzig Flüchtlinge mit den Demonstranten über die „grüne“ Grenze n…
Frankreich. Es kam dabei auch zu einer kurzen Konfrontation mit der
Polizei. Diese hatte zuvor nichts gegen die illegale Blockade der
„Identitären“ unternommen.
Eleonora, Bastien und Theo wurden nach Ansicht ihrer Anwälte ziemlich
willkürlich zusammen mit drei anderen herausgepflückt. Sie verbrachten
anschließend neun Tage in Untersuchungshaft im Gefängnis von Marseille und
mussten sich danach in Gap dem Gericht zur Verfügung halten. Wie
problematisch die Kriminalisierung der Solidarität ist, gesteht indirekt
sogar die Staatsanwaltschaft ein. Sie hat ebenso wie ein Teil der
Verteidiger gewünscht, dass vor der eingehenden Behandlung der
Anschuldigungen das oberste Verfassungsgericht die Rechtmäßigkeit der
Anklage prüft.
Denn bei der kürzlichen Revision der Asyl- und Immigrationsgesetze wurde
die strafrechtliche Verfolgung von Flüchtlingshelfern explizit ausgesetzt,
wenn bei der „Beherbergung, Verpflegung oder medizinischen Hilfe für
Ausländer die Wahrung ihrer physischen Integrität und Würde“ das Motiv ist
und keine „direkte oder indirekte Entschädigung“ erfolgt. Wie diese
Rechtsprechung jetzt ausgelegt werden soll, müssen die Verfassungsrichter
entscheiden. Nach einer kurzen Verhandlung mit einem Plädoyer des
ehemaligen Vorsitzenden der französischen Menschenrechtsliga, Henri
Leclerc, wurde darum der Prozess auf einen späteren Zeitpunkt verschoben –
es sei denn, die Anklage wird fallen gelassen.
1 Jun 2018
## LINKS
[1] https://www.lemonde.fr/idees/article/2018/05/30/nous-avons-aide-nous-aidons…
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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