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# taz.de -- Britischer Alltag in der Fotografie: Proletarische Tauben im Hyde P…
> Isabelle Graeffs Fotoserie „Exit“ in der Galerie Sexauer ist eine
> melancholische Studie über den britischen Alltag. Noch vor dem Brexit.
Bild: Ausstellungsansicht Isabelle Graeff, Exit, Galerie Sexauer, mit den erwä…
„Exit“, Ausgang, heißt die Ausstellung von Isabelle Graeff in der Galerie
Sexauer. Das ist nahe dran am Begriff Exitus (letalis), wie der Tod in der
Medizinersprache heißt. Der Tod bildet tatsächlich den Ausgang zu der
Bilderserie, die die Künstlerin zeigt. Sie sind in England entstanden,
wohin sich Isabelle Graeff nach dem überraschenden Tod ihres Vaters
flüchtete. Es war ein folgerichtiger Schritt, sie hatte dort während ihres
Studiums an der Central Saint Martins School of Art & Design in London
schon einmal gelebt.
Der Galerieraum bei Sexauer ist ein großartiger Raum, um Fotografien zu
hängen, die kleinen, die mittleren und die großen Formate so, dass sich
kleine Erzählungen ergeben, Strukturen, aussagekräftige Muster. Gleich
links, wenn man reinkommt, gibt es das Bild mit dem Titel „Bradford“, das
eine vernagelte Tür und darüber den demolierten Leuchtkasten für die
Neonlichtreklame zeigt, aus dem noch ein Kabel bis auf den Boden runter
hängt.
Daneben steht ein Geschäftsmann im blauen Nadelstreifenanzug mittags im
„Hyde Park“ mit seltsamerweise drei grünen exotischen Papageien auf den
Händen, in denen sie Futter finden. Wie ein ironisches Echo picken am Boden
drei proletarische Tauben auf der Suche nach Futter.
## Die bunte Fassade, die sich im Wasser spiegelt
Das darauf folgende große Format „Blackpool“ eines gelben Fliesenbodens, in
dessen Vertiefungen, weil gerade gewischt, Wasser steht, verweist in seiner
abstrakten Geometrie auf „Bradford“. Freilich wird sie durch die bunten
Versatzstücke einer knallig poppigen Fassadenkonstruktion, die sich in den
Wasserlachen spiegeln, auf Schönste irritiert.
Im gleichen großen Format folgt eine englische Landschaft der weniger
lieblichen Art, mit Gestrüpp und Felsen, auf einem steht ein Pferd, genauso
weißgrau wie der Fels, und daher mehr Skulptur als lebendiges Tier, über
das ein großer Vogel hinwegfliegt.
Und dann stößt auf dem Jahrmarkt in „Torquay“ ein riesiger grüner Hulk a…
einem Fahrgeschäft die Faust wütend in die Luft, bevor es wieder
kleinteilig wird, mit „Cambridge“, dem koketten bunten Staubwedel an der
Garderobe mit den vier nackten Kleiderbügeln, und „Deal“, dem Blick auf ein
gerade angefangenes Queen-Elizabeth-II.-Puzzle.
## Bilder von Verfall und Eigensinn
Isabelle Graeff ging noch in unschuldigen Zeiten nach England. Also noch
vor dem Referendum, die EU zu verlassen, dem sogenannten Brexit. Im
Nachhinein ist man natürlich geneigt, in ihren Bildern von Verfall und
Eigensinn schon die Vorzeichen der abstrusen Idee zu erkennen, das
Vereinigte Königreich werde aufgrund seines Rückzugs aus der Europäischen
Union wieder vergangene Größe erlangen.
Vielleicht sucht man deshalb das besondere Britische in ihren Aufnahmen zu
benennen. Doch das führt zu Assoziationen, deren Raum dann ausgerechnet
doch wieder europäisch ist. Der Hulk könnte auch auf einer französischen
Kirmes seiner Wut Ausdruck geben. Das Britische findet sich in Isabelle
Graeffs Stil, den sie fotografisch her-, aber eben nicht ausstellt; in
ihrer Unerschrockenheit, mit der sie den Alltag zu seinen Bedingungen in
ihren Aufnahmen Gestalt annehmen lässt, in all seiner bedauerlichen
Gewöhnlichkeit und all seiner überraschenden Poesie.
4 Jun 2018
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
Fotografie
Schwerpunkt Brexit
Fotografie
Joseph Beuys
Fotografie
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