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# taz.de -- Energiegenossenschaft in Leipzig: Anteilige Energie
> Bürger*innen müssen die Energiewende oft selbst gestalten. Eine
> Genossenschaft stattet Leipzigs Dächer mit Sonnenkollektoren aus.
Bild: André Wüste will in Leipzig mit Bürgerstrom die Energiewende vorantrei…
LEIPZIG taz | André Wüste steht auf dem Dach eines mehrstöckigen Hauses und
blinzelt in die Sonne. Mitten auf dem obersten Stockwerk des Hupfeldcenters
blickt er über den Westen der Stadt, wo diese langsam ins Grün übergeht –
und auf eine Solaranlage, die mit 300 Modulen das Dach bedeckt. Es ist das
erste Projekt der Energiegenossenschaft Leipzig (EGL), in dessen Vorstand
Wüste tätig ist.
„Wir können pro Jahr 20 Haushalte mit dem Strom versorgen, der hier
produziert wird“, sagt Wüste. Im Hupfeldcenter, einer ehemaligen
Klavierfabrik, sitzt heute Gewerbe: Druckereien und ein Büro der
Arbeiterwohlfahrt, aber auch Musikbands proben in den Räumlichkeiten. Den
Strom dafür beziehen sie direkt vom Dach. So wird Energie dort verbraucht,
wo sie auch erzeugt wird. Die restlichen zehn Prozent, die nicht genutzt
werden, speist die EGL in das Stromnetz ein und erhält dafür eine
Einspeisevergütung. Das Geld wird dann wiederum in neue Projekte
investiert.
Aktuell zählt die EGL 150 Mitglieder, die als Voraussetzung mindestens zwei
Anteile á 100 Euro erworben haben. Im Schnitt investieren sie 1.000 bis
1.500 Euro. Manche geben nur das Geld, andere wollen auch ihr
unterschiedliches Fachwissen als Ingenieurin, Maschinenbauer oder
Marketing-Experte einbringen: „In lockerer Runde geht es auch um das
Drumherum: zusammen essen und eine Gemeinschaft schaffen“, beschreibt Wüste
die Stimmung.
Wüste selbst beschäftigt sich schon lange mit dezentraler Energie – seine
Doktorarbeit hat er über Bioenergiedörfer geschrieben. Hauptberuflich ist
er Klimaschutzbeauftragter der Kommune Leuna. Wie alle Mitglieder der EGL
engagiert er sich ehrenamtlich für die Genossenschaft. Die Mitglieder
können den Strom der EGL noch nicht direkt beziehen. Zwar wirbt die
Genossenschaft auf ihrer Website mit dem Slogan „Leipziger Bürgerstrom“;
der Strom kommt aber nicht aus den hauseigenen Solaranlagen, sondern wird
von den „Bürgerwerken“ geliefert, zu der sich rund 80
Energiegenossenschaften in Deutschland zusammengeschlossen haben.
## Was einer nicht schafft, schaffen viele
Den meisten Genossenschaftsmitgliedern geht es aber ohnehin um die Idee
dahinter: nachhaltige Projekte zu ermöglichen. Die Genossenschaftsidee –
was einer nicht schafft, das schaffen viele – haben sich auch Wüste und
seine Mitstreiter*innen zu eigen gemacht. „Die Energiewende kommt doch zum
Großteil von den Bürgern selbst“, sagt Wüste. „Man braucht keine großen
Konzernstrukturen, um die Energiewende voranzutreiben.“
Gerade Solaranlagen eignen sich für Energiegenossenschaften als guter
Startpunkt, erklärt Wüste. So eine Anlage sei gut plan- und finanzierbar,
ganz ohne große Strukturen. „Das ist ein großer Vorteil der Erneuerbaren:
Sonne und Wind gibt es überall. Es ist eine völlig andere Nutzung möglich
als bei Kohle, die liegt zentral an einem Ort. Da kann man nur im Großen
wirtschaften“, sagt Wüste. Die Erneuerbaren passen gut zum Konzept der
Genossenschaft.
Während sich Solaranlagen vergleichsweise einfach realisieren lassen, sind
die Hürden bei Projekten mit anderen erneuerbaren Energien höher. Bei drei
Windkraftanlagen prüfte die EGL bereits mögliche Investitionen, drei Mal
scheiterten die Bemühungen. Mal wurden sie überboten, mal erschien die
Betreiberkonstellation ungünstig. Ein Windrad als Genossenschaft zu
betreiben sei ohnehin schwierig, meint Wüste. „Man muss in Vorleistung
gehen und viel Geld vorschießen, zum Beispiel für Fachgutachten. Das müssen
wir gut abwägen, weil wir die Mittel unserer Mitglieder einsetzen.“
Für neue Anlagen ist die EGL nicht nur auf das Geld ihrer Mitglieder
angewiesen, sondern beispielsweise auch auf die Stadt. Mit dem 2014
verabschiedeten „Energie- und Klimaschutzprogramm“ hat sich Leipzig zum
Ziel gesetzt, den Ausstoß von Treibhausgasen durch den Einsatz von
erneuerbaren Energien zu reduzieren. Ein 105 Punkte umfassender
Maßnahmenkatalog soll das gewährleisten, vorgesehen ist hier auch die
Bereitstellung kommunaler Dachflächen für Bürgersolaranlagen.
## Stolpersteine auf Bundesebene
Die Stadt war es auch, die das Dach für die zweite Solaranlage der EGL in
Connewitz zur Verfügung stellte, die im März dieses Jahres ans Netz ging.
Wie genau der hier produzierte Strom in Zukunft genutzt werden soll, ist
noch unklar – das Haus steht derzeit leer. Wie schon beim Hupfeldcenter hat
ein Mitglied die Genossenschaft auf die neu eingerichtete
Gemeinschaftsunterkunft aufmerksam gemacht.
„Nach einigem Hin und Her hat uns die Stadt die Dachnutzung ermöglicht“,
sagt Wüste. Auf dem Weg dahin habe es aber einige Unsicherheiten gegeben,
sodass ein Brief an den Oberbürgermeister Burkhard Jung nötig gewesen sei.
Erst dann konnte die neue Solaranlage in Betrieb genommen werden. Wüste ist
trotz der Schwierigkeiten froh, dass das Projekt zusammen mit der Stadt
Leipzig zustande gekommen ist, und zeigt sogar Verständnis: „Solche Modelle
wie das unsrige sind auch für die Behörden neu.“
Stolpersteine für die Genossenschaft sieht Wüste denn auch nicht auf
kommunaler, sondern eher auf Bundesebene. Wie bei der Ausschreibung von
Windkraftanlagen sieht der Gesetzgeber auch bei Solaranlagen Regelungen
vor. Ab einer bestimmten Leistung müssen Solarprojekte von der
Bundesnetzagentur ausgeschrieben werden, die ganz großen Anlagen kann die
EGL deshalb nicht in Eigenregie errichten. Ein weiteres Hindernis sei
zudem, dass Besitzer*innen von geeigneten Immobilien oft in Berlin oder
Hamburg ansässig und dadurch schwer für Bürgersolarprojekte zu erreichen
sind.
Ein Problem für die Energiegenossenschaft Leipzig, die ständig auf der
Suche nach geeigneten Dächern ist. Ob auf Wohnhäusern, Fabriken oder auf
einem Stall außerhalb der Stadt.
All diese Anlagen will Wüste irgendwann an das Genossenschaftsnetz der
Bürgerwerke anschließen. „Dann kann man wirklich sagen, man bezieht Strom
von der EGL.“
6 Jun 2018
## AUTOREN
Jana Lapper
Maximilian König
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