# taz.de -- Hamburg zeigt „seine“ Komponisten: Die „Musikstadt“ hält s… | |
> Ab Montag ist das Hamburger „Komponistenquartier“ komplett. Finanziert | |
> hat diese Mini-Museumsmeile nicht etwa der Senat, sondern Privatiers. | |
Bild: Nicht authentscih, aber ähnlich: Fahrrad von 1895 steht für Mahlers Ras… | |
HAMBURG taz | Man findet es nur, wenn man es weiß: das Komponistenquartier, | |
eine Mini-Museumsmeile für sieben Hamburger Musikschaffende des 18. und 19. | |
Jahrhunderts. Irgendwo zwischen dem Museum für Hamburgische Geschichte und | |
dem Encke-Platz liegt der idyllische Innenhof, nahbei der Lichtwark-Saal | |
für kleine Konzerte. | |
Ein schönes Viertel ist es, mit Kopfsteinpflaster und Bäumen, und das ist | |
kein Zufall: Sehr gezielt hat die Alfred Carl Toepfer-Stiftung – deren | |
Gründer zwar kein Nazi war, sich aber erst 1943 explizit vom NS-Regime | |
distanzierte – 1965 das abrissgefährdete Beyling-Stift von 1755 übernommen | |
und hergerichtet. | |
Alsdann hat die Stiftung auf Nachbargrundstücken alte repräsentative | |
Bürgerhäuser wieder aufgebaut, teils unter Verwendung originaler | |
historischer Fassaden. All das ausgerechnet in einem Viertel, in dem seit | |
dem 30-jährigen Krieg Immigranten, Kriegsflüchtlinge und weniger Betuchte | |
wohnten, unter ähnlich elenden Bedingungen wie einst im Gängeviertel. | |
Ein Kontrast, der dadurch noch größer wird, dass in einigen dieser Häuser | |
das ab Montag vollständige Komponistenquartier eröffnet. Zunächst war es | |
nur Brahms gewidmet, später folgten Telemann, Bach-Sohn Carl Philipp | |
Emanuel und Johann Adolf Hasse. Aktuell kamen die Geschwister Fanny und | |
Felix Mendelssohn sowie Gustav Mahler hinzu. | |
Doch während alle anderen sich eine chronologisch organisierte Raumflucht | |
teilen, mit Hörstationen und Touchscreens arbeiten, hat das Brahms-Museum | |
einen eigenen Eingang und wirkt auch in der Anmutung – das Interieur der | |
Brahms-Zeit imitierend – eher konservativ. | |
Diese divergierenden Konzepte hängen auch damit zusammen, dass dieses | |
Museum nicht etwa, wie man von der „Musikstadt Hamburg“ erwarten könnte, | |
von der Stadt finanziert wird, sondern dies großteils Privatiers überlässt. | |
Die Kulturbehörde gibt jährlich 30.000 Euro aus der „Bettensteuer“, die | |
übrigen 120.000 bis 150.000 Euro jährlich tragen die Toepfer-Stiftung und | |
die den einzelnen Komponisten gewidmeten Gesellschaften. | |
„Wir sind kein Museum im engeren Sinne“, sagt Ingeborg Steifensand, | |
Vorsitzende des Vorstandes des Komponistenquartiers. Denn man habe keine | |
eigene Sammlung und arbeite großteils ehrenamtlich. | |
## Nicht immer authentisch | |
Die Ausstellung ist eine Mixtur aus Beständen der Komponistengesellschaften | |
und irgendwie dazu Passendem geworden, die die Grenze zwischen | |
Authentizität und Symbolik verwischt. Da steht etwa ein Fahrrad von 1895 | |
als Zeichen für Mahlers Rastlosigkeit – aber Mahlers Rad ist es nicht. Auch | |
das Clavichord, Lieblingsinstrument Carl Philipp Emanuel Bachs, ist nicht | |
das Original. Sehr wohl authentisch – wenn auch nur akustisch – ist Mahlers | |
Klavierspiel, das von einer ins Pianola gespannten „Lochkarte“ erklingt, | |
die Mahler selbst aufnahm. Aus seinen „Liedern eines Fahrenden Gesellen“ | |
spielt er darauf; es ist eine Zeitreise im Kleinen. | |
„Wir wollen eine Art Edutainment bieten, einen sinnlichen Erfahrungsraum | |
und ein flanierendes Hören“, sagt Kuratorin Rita Strate, Geschäftsführerin | |
des Komponistenquartiers. Das kann man in der Tat, wenn man sich etwa auf | |
die Bank setzt, die derjenigen aus Bachs Wohnung ähnelt, oder in das | |
nachgebaute Komponierhäuschen Gustav Mahlers. All das ist interessant und | |
löblich. Aber da die Schau auf engem Raum so schnell von einem Komponisten | |
zum anderen springt, verlässt man den Ort oftmals verwirrter als zuvor. | |
27 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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