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# taz.de -- Toepfer-Stiftung: Der lange Atem der Geschichte
> War er ein Nazi oder war ers nicht? Eine deutsch-französische
> Musikakademie hat Fördergelder der Hamburger Toepfer-Stiftung abgewiesen
> - mit Verweis auf die zweifelhafte Vergangenheit des Stifters. Was sie
> nicht wusste: Die Stiftung hat die Vergangenheit Toepfers bereits
> beleuchtet.
Bild: Die Toepfer-Stiftung fragt mit einer Plakat-Aktion nach dem Wesentlichen.…
Von Altersmilde keine Spur: "Das sind doch bloß Wichtigtuer", poltert der
renommierte Zeithistoriker Hans Mommsen ins Telefon. "Eine fünfte Kolonne,
die antideutsche Ressentiments schüren. Vergessen Sie die Geschichte, das
ist alles Mist."
Was den emeritierten Historiker derart auf die Palme bringt, ist ein
Grüppchen um den Franzosen Gérard Loiseaux, das sich seit Jahren ganz
ungemein für die Vergangenheit des Hamburger Stifters Alfred Toepfer
(1894-1993) interessiert und mit Argusaugen auf das Wirken und Treiben der
Toepfer-Stiftung schaut.
Da wollte die Stiftung die Akademie Opus XXI in Villeneuve unterstützen,
eine Kooperation zwischen der Hamburger und Lyoner Musikhochschule zur
Förderung zeitgenössischer Kammermusik. Prompt erschien, alarmiert von
Loiseaux, im Lokalteil der Zeitung Midi Libre ein Artikel, der Toepfer den
Lesern als durch und durch braunen Judenfresser vorstellte. Und nicht nur
das: Die Stiftung versuche heute, "die Vergangenheit dieses Mannes zu
kaschieren und das Mäzenatentum in seinem Namen fortzusetzen", zitierte der
Artikel Loiseaux - mit dem Ergebnis, dass die Veranstalter von Opus XXI
schwups die finanzielle Unterstützung der Toepfer-Stiftung ablehnten.
Das war im Sommer. Doch mittlerweile ist den Veranstaltern von Opus XXI
klar geworden, dass Toepfer vielleicht doch nicht der Edel-Nazi war, als
den ihn Loiseaux hinstellt. Und dass die Stiftung vielleicht doch nicht im
Nazischatten ihres Gründers unterwegs ist. 1997 beauftragte die Stiftung
eine Gruppe Historiker unter der Leitung von Hans Mommsen, die
Vergangenheit Toepfers vor allem bis zum Ende des Dritten Reichs zu
erforschen. Die Gruppe resümierte nach drei Jahren Arbeit: "Es drängte
Toepfer nie, Mitglied der NSDAP zu werden und er teilte nie die zentralen
Ziele und Motive der führenden Nationalsozialisten. Rassismus und
Antisemitismus lagen ihm fern." Er sei allerdings auch kein Gegner der
nationalsozialistischen Diktatur gewesen: "Solidarität mit den von ihr
Ausgegrenzten und Verfolgten hat er ebenso wenig bekundet wie Sympathien
mit Kreisen des Widerstands gegen Hitler."
In der vor wenigen Wochen erschienenen Biographie von Jan Zimmermann lässt
sich alles noch einmal nachlesen. Toepfer hatte sein riesiges Vermögen im
Getreidehandel erworben. Mit seiner 1931 gegründeten Kulturstiftung
verfolgte er locker ein völkisch-nationales Programm. Mit den Nazis hat er
sich arrangiert, ohne jedoch mit ihnen zu paktieren, bis er sich 1943
allmählich von ihnen distanzierte. Nach dem Krieg folgte Toepfers
Preispolitik schließlich der Idee der kulturellen Vielfalt Europas. Was den
Mäzen allerdings nicht hinderte, gelegentlich auch einen Alt-Nazi
auszuzeichnen.
So ist die Sachlage, und so haben es sich die Veranstalter von Opus XXI
noch mal überlegt und sich am 17. November mit der Toepfer-Stiftung
zusammengesetzt. Der Direktor der Lyoner Musikhochschule, Henri Fourès,
sein Hamburger Kollege, Reinhard Flender und Ansgar Wimmer, Vorsitzender
der Toepfer-Stiftung, kommen aus dem Geschäftszimmer der Hamburger
Kultursenatorin Karin von Welck. Die Stimmung: getragen, staatsmännisch.
Fourès sagt: "Wir treten mit geschärften Bewusstsein in eine neue Zeit ein,
in eine Zeit der Normalisierung." Flender ergänzt: "Mit der Förderung
zeitgenössischer Musik werfen wir einen Blick in die Zukunft. Das ist für
Opus XXI die erste Konfrontation mit der Vergangenheit. Wir befinden uns
jetzt in der Aufarbeitung." Und Vorstandschef Wimmer sagt: "Das ist ein
Lehrstück."
Er sagt es allerdings gequält, innerlich wohl mit einem Kopfschütteln. Er
hätte auch sagen können: "Das ist unglaublich." "Das Schweigen der Quants",
sagt Wimmer stattdessen, "ist das Schreien der Toepfers". Seit acht Jahren
liege nun die Dokumentation vor. Seit 2005, als die französische
Theaterleiterin Ariane Mnouchkine den Hansischen Goethe-Preis der Stiftung
zurückwies, gehe man offensiv mit der Verstrickung des Stifters um. Trete
man präventiv mit der Geschichte an die Preisträger heran. Und jetzt das.
Opus XXI hatte die Stiftung nicht vorsorglich in Kenntnis über Topefer
gesetzt. 1.000 Euro betrug der Förderbetrag. "Da können wir nicht jedes Mal
den knapp 500-seitigen Dokumentationsband beilegen", sagt Wimmer.
Wobei auch das wohl keine Lösung wäre. Zwar sagt Wimmer, dass man es sich
mit dem renommierten Zeithistoriker Mommsen nicht leicht gemacht habe.
Loiseaux bezeichnete aber die Arbeit der Historiker-Komission unlängst als
eine "pure Reinwaschung".
Das ist polemisch und unfair. Man könnte höchstens darauf hinweisen, dass
die Stiftung Mommsen nicht ganz unbedacht gewählt haben wird. 1991 legte er
eine Studie über den Volkswagenkonzern im Dritten Reich vor und kam darin
zu einer vergleichsweise milden Beurteilung von Ferdinand Porsche -
gemessen an den Erwartungen der Medien, von denen viele eine klare
Verurteilung von Porsche als Kriegsverbrecher erwartet hatten. Und Mitte
der 1990er Jahre protestierte Mommsen, als man seine Lehrer Werner Conze
und Hans Rothfels ins Naziabseits stellte. Beide hatten in sich den 30er
Jahren mit dem deutschen Volkstum und der Kulturleistung Deutscher in
Ostmitteleuropa befasst - was einige jüngere Historiker als direkte
Vorbereitung der NS-Bevölkerungspolitik betrachteten. Die
völkisch-nationale Stoßrichtung von Rothfels und Conze jedenfalls war die
gleiche, die auch Toepfer vertrat. Auch das könnte der Stiftung die Wahl
Mommsens nahe gelegt haben.
Wie auch immer: die Geschichte ist schon einen Schritt weiter. Obwohl weder
Vorstandschef Wimmer noch die Veranstalter von Opus XXI daran zweifeln,
dass die fünfköpfige Historiker-Komission um Mommsen die Geschichte der
Stiftung abschließend erforscht hat, einigten sich die beiden Parteien auf
ein neues Forschungsvorhaben: Diesmal sollen sich französische Historiker
an den Stoff machen. Und um den Vorwurf zu begegnen - mal wieder präventiv
-, dass die Historiker gekauft wurden, überweist die Toepfer-Stiftung das
Forschungsgeld an das französische Generalkonsulat in Hamburg. Dort wird
man sich auf die Suche nach Kandidaten für eine französische Aufarbeitung
des Falls Toepfer machen.
Noch am Abend des Versöhnungstreffens geben die jungen Musiker von Opus XXI
ein Konzert in Hamburg. Sie spielen Boris Clouteau aus Lyon und Jan
Feddersen aus Hamburg. Schließlich Olivier Messiaens "Quartett für das Ende
der Zeit". Der Streit um Alfred Toepfer, die Stiftung und das Fördergeld,
sagen die Musiker später, sei an ihnen ziemlich vorbei gegangen. "Das ist
eine Geschichte, die uns gar nicht mehr betrifft." Mal sehen, wie lang der
Atem der Geschichte ist.
4 Dec 2008
## AUTOREN
Maximilian Probst
Maximilian Probst
## TAGS
Gängeviertel
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