| # taz.de -- Werbung an Schulen: Kindersprint im Autohaus | |
| > Die Barmer Krankenkasse hat Laufwettbewerbe an Schulen unterstützt, die | |
| > Kinder in Einkaufszentren locken. Nun macht sie einen Rückzieher. | |
| Bild: Fast alle Kinder rennen gern – in Autohäusern und Einkaufszentren voll… | |
| Stolz zeigen die Kinder ihre Urkunden und Medaillen für das Gruppenfoto. | |
| Auf einem Werbebanner hinter ihnen prangen die Logos der Sponsoren, | |
| darunter ein Modehaus, ein Cateringunternehmen, die Leipziger | |
| Einkaufspromenaden und ortsansässige Sportvereine. Dazwischen steht in Grün | |
| und Grau: „Barmer Kindersprint“. Für diesen zwei Mal acht Meter langen | |
| Laufwettbewerb sind die SchülerInnen an einem Samstag im Februar in die | |
| Promenaden im Hauptbahnhof gekommen. Qualifiziert haben sie sich an ihren | |
| Grundschulen. | |
| Für Fabian Kaske von dem Verein [1][LobbyControl] verstößt die Aktion gegen | |
| das Werbeverbot an Schulen: „Die Barmer Krankenkasse fungiert hier als | |
| Türöffner. Ihre Glaubwürdigkeit wird genutzt, um Zugang zu Schulen zu | |
| haben. Das Ziel ist es, die Kinder am Wochenende zu einer | |
| Werbeveranstaltung zu führen.“ Seit Beginn im Jahr 2016 hat der Wettbewerb | |
| laut der Barmer Ersatzkasse deutschlandweit 25.000 Kinder erreicht. Nun hat | |
| die Krankenkasse Anfang Mai plötzlich ihre Unterstützung für den | |
| Laufparcours beendet – wohl nicht zuletzt wegen des Drucks von | |
| LobbyControl. | |
| ## Bedenken nicht ernstgenommen | |
| Auch die zehnjährige Tochter von Gesine Flehmig war an dem Samstag im | |
| Februar in die Bahnhofspromenaden eingeladen. Vor dem | |
| Qualifizierungs-Sprint in ihrer Montessori Grundschule hatte sie Flyer mit | |
| nach Hause gebracht. Die vielen Werbelogos und vor allem das | |
| Einkaufszentrum als Veranstaltungsort machten ihre Mutter stutzig: „Das | |
| fand ich komisch. Damit kann ja nur gemeint sein, dass die Mutti einkaufen | |
| gehen soll, während das Kind Sport macht.“ | |
| Flehmig kontaktierte den Veranstalter, die Schulleitung und den Leipziger | |
| Bürgermeister, der die Aktion unterstützte. Ihre Bedenken nahm niemand so | |
| richtig ernst. Schließlich informierte sie Fabian Kaske von LobbyControl. | |
| Kaske hakte bei der Krankenkasse als namensgebendem Sponsor nach. Die | |
| wollten von unrechtmäßiger Werbung zunächst nichts wissen. Es gehe ihnen | |
| lediglich um die Begeisterung für Sport. Das Präventionsprojekt solle | |
| vollkommen werbefrei sein. | |
| Zwar ist an den Schulen selbst – abgesehen von den Flyern – keine Werbung | |
| zu sehen. Erst im Finale, das am Wochenende neben Turnhallen teilweise in | |
| Autohäusern stattfindet, warten Werbebanner und Firmengeschenke. Manche | |
| Belohnung müssen sich die SchülerInnen direkt bei den Sponsoren, etwa in | |
| einem Rewe-Supermarkt abholen. Kaske empört das: „Weil sich jedes Kind fürs | |
| Finale qualifiziert, kann man sich damit nicht rausreden. Dort findet dann | |
| massenhaft Werbung statt. Mit dem Ziel, Kinder und ihre Eltern als Kunden | |
| zu gewinnen.“ | |
| ## Barmer beendet Zusammenarbeit | |
| Auch René Scheppler von der [2][Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft | |
| (GEW) in Hessen] hatte Anfang April kritisch bei der Barmer nachgefragt. | |
| Die Krankenkasse geriet unter Druck. Nur wenige Wochen nach Kaskes und | |
| Schepplers Kritik beendete Barmer die Zusammenarbeit. Eine Sprecherin der | |
| Krankenkasse erklärte gegenüber der taz: „Von Seiten der Barmer ist die | |
| Einbindung kommerzieller Partner in Präventionsprojekten nicht erwünscht.“ | |
| Unzulässige Werbung hätte man zwar nicht erkennen können, doch „um weitere | |
| Irritationen zu vermeiden, treten wir von dem Projekt zurück.“ Fabian Kaske | |
| ist froh, dass die Krankenkasse nun einlenkt. „Es ist jedoch erschreckend, | |
| dass die Barmer mindestens 95 Finalveranstaltungen allein in diesem | |
| Schuljahr unter ihrem Namen durchführen hat lassen, ohne zu wissen, was vor | |
| Ort passiert.“ | |
| Darum kümmerten sich nämlich zwei Agenturen, die Expika Sport und Event | |
| GmbH in Nord- und Ostdeutschland und Laurenz Sports in der restlichen | |
| Bundesrepublik, wie aus Stellungnahmen der Unternehmen und den Websites | |
| hervorgeht. | |
| Laurenz Sports hatte seit 2016 einen direkten Vertrag mit der Barmer | |
| Krankenkasse. Diesen hat die Krankenkasse nun gekündigt. Expika wiederum | |
| arbeitete zwar nicht direkt mit Barmer, dafür mit Laurenz Sports zusammen, | |
| ebenfalls unter dem Logo des „Barmer Kindersprint“. Laut eigener Auskunft | |
| nahmen bei Expika in den vergangenen zwei Jahren sogar 150.000 Kinder an | |
| dem Parcours teil. [3][Kindersprint erinnert an die vielfach für ihre | |
| Werbung kritisierten Laufwettbewerbe von Speed4]. Und tatsächlich | |
| arbeiteten sowohl der Geschäftsführer von Expika als auch von Laurenz | |
| Sports bis vor wenigen Jahren mit Speed4 zusammen. | |
| ## Zusammenarbeit beendet | |
| Markus Laurenz, Inhaber von Laurenz Sports, erklärt, er habe gekündigt, | |
| weil er Werbung an Schulen ablehne. Ähnlich begründet es | |
| Expika-Geschäftsführer Matthias Härzschel. Ohne Kooperationspartner sei die | |
| Veranstaltung finanziell nicht zu stemmen, ergänzt er jedoch. | |
| Die Agenturen haben ihre Zusammenarbeit kürzlich beendet, beide würden aber | |
| unabhängig voneinander weiterhin Laufwettbewerbe veranstalten. Expika | |
| möchte sich nicht öffentlich zu den Gründen äußern. Laurenz Sports wiederum | |
| wolle mit neuem Konzept weitermachen, das sich von Expikas Ansätzen | |
| unterscheide, so die Begründung. Unterstützt von Stadtverwaltungen und | |
| organisiertem Sport, so betont ein Sprecher, sei dann bald alles „absolut | |
| werbefrei“. Das würde auch Gesine Flehmig freuen. Ohne die Werbung könnte | |
| sie den Laufparcours nämlich durchaus etwas abgewinnen. | |
| 10 May 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.lobbycontrol.de/ | |
| [2] http://www.gew-hessen.de/home/ | |
| [3] /Hessen-will-Werbung-an-Schulen-stoppen/!5392382 | |
| ## AUTOREN | |
| Astrid Ehrenhauser | |
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