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# taz.de -- Kunstherz mit Schwachstellen: Das Original bleibt unübertroffen
> Weil es zu wenige Spenderherzen gibt, werden zunehmend Kunstherzen
> verpflanzt: Doch noch gibt es eine Reihe von Nebenwirkungen.
Bild: Ein Patient zeigt ein Herzunterstützungssystem, mit dem er schon über 1…
Im Grunde ist das Herz ein Motor. Ein sehr guter, sogar. Dutzende von
Jahren im Dauerbetrieb, ohne Wartung – das muss ein Auto erst mal schaffen.
Aber auch der beste Motor kann in Schwierigkeiten geraten. Im Jahr 2015
starben laut des aktuellen Deutschen Herzberichts 47.414 Menschen an einer
Herzschwäche. Dabei ist das Herz nicht mehr in der Lage, den Körper
ausreichend mit Blut und Sauerstoff zu versorgen. Im Endstadium, wenn sonst
keine Therapie mehr wirkt, brauchen die Patienten und Patientinnen ein
neues Herz.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nur 251 Herzen gespendet. Dem
gegenüber standen mehr als 700 Menschen, die am 31. Dezember 2017 auf ein
neues Herz hofften. Um die Wartezeit zu überbrücken, bekommen viele
Menschen eine mechanische Kreislaufunterstützung. Im Deutschen Herzzentrum
Berlin sind im vergangenen Jahr rund 130 dieser künstlichen Herzen
eingesetzt worden. In Deutschland sind es jährlich rund 1.000. Doch was
ursprünglich nur als Übergangslösung gedacht war, ist für viele zur
Dauertherapie geworden.
Ein Kunstherz zu haben bedeutet in den seltensten Fällen, dass das
komplette Herz entfernt und gegen eine Maschine ausgetauscht wurde.
Stattdessen erhalten die meisten Patienten und Patientinnen eine
Unterstützung für ihre linke Herzkammer. Dazu wird die Pumpe in die linke
Herzkammer eingesetzt und durch einen kurzen Schlauch mit der Aorta
verbunden. „Das Ziel ist es, die nachlassende oder fehlende Herzleistung
durch eine Maschine zu ersetzen“, sagt Volkmar Falk, der ärztliche Direktor
des Deutschen Herzzentrums in Berlin.
Man kann heutzutage gut einige Jahre mit einem künstlichen Herz leben. Die
meisten Patienten und Patientinnen können arbeiten gehen, verreisen und
Sport treiben. Es gibt aber auch einige Probleme.
Zum Beispiel das Kabel zur Energieversorgung, das durch die Haut nach innen
geht. An dieser Stelle gibt es häufiger Infektionen, Erreger können am
Kabel entlang in den Körper gelangen. Die meisten Kunstherzen arbeiten
zudem mit schnell drehenden Impellern. Wenn das Blut dort durchfließt,
können rote Blutkörperchen oder andere Blutbestandteile kaputtgehen. Dazu
kommt die mangelnde Flexibilität der künstlichen Herzen. „Sie passen sich
nicht automatisch an die Bedürfnisse des Patienten an“, sagt Falk. Wenn wir
Treppen steigen oder zum Bus rennen, dann muss unser Herz plötzlich
schneller schlagen, mehr Blut pumpen. Doch die Kunstherzen kriegen es
derzeit nicht mal mit, wenn die Belastung plötzlich steigt.
## Verstopfte Pumpen
Eines der größten Probleme ist allerdings die Oberfläche, die mit dem Blut
in Kontakt steht, sagt Falk. Sie ist aus Metall, das die Blutplättchen
aktiviert. So können sich Gerinnsel bilden, die die Pumpe verstopfen oder
beispielsweise auch zu Hirninfarkten führen können. Patienten und
Patientinnen mit künstlichem Herzen müssen deshalb Blutverdünner nehmen,
die wiederum ihre eigenen Risiken – wie zum Beispiel für Magenblutungen –
haben. Ein künstliches Herz ist einfach kein echtes.
Aber wenn es nicht mehr Organspenden gibt, dann müssen die künstlichen
Herzen eben besser – oder vielleicht sogar von Grund auf neu gedacht
werden. Das ist das Ziel von „Zurich Heart“. Falk, der früher in Zürich
arbeitete, hat es initiiert. Insgesamt sind an dem interdisziplinären
Projekt rund zwanzig Forschungsgruppen beteiligt. Neben dem Deutschen
Herzzentrum Berlin machen unter anderem auch die ETH und die Universität
Zürich mit.
Teil der Idee ist, das Kunstherz „natürlicher“ zu machen und sich dabei ein
paar Dinge bei seinem echten Vorbild abzuschauen. Aus den starren Maschinen
sollen weiche, bewegliche Pumpen werden. Dass das Blut dabei auf eine
möglichst natürliche Umgebung trifft, dafür soll unter anderem Edoardo
Mazza von der ETH Zürich sorgen. Das Mittel der Wahl: eine hyperelastische
Hybridmembran. Das ist im Prinzip eine Oberfläche, auf der sich echte
Zellen ansiedeln können. Das Blut merkt dann gar nicht mehr, dass es durch
eine künstliche Umgebung fließt.
Das klingt leichter, als es ist: Die Zellen müssen trotz der ständigen
Bewegung und Verformung des Kunstherzens haften bleiben. Sie dürfen auch
nicht vom Blutstrom weggewaschen werden. Um das hinzukriegen, haben die
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedene Ideen entwickelt,
getestet und miteinander verglichen. Eine Lösung scheint vielversprechend:
„Damit haben wir Resultate, die so gut sind, dass wir sie in immer längeren
Versuchen untersuchen wollen“, sagt Mazza. Denn die eine Herausforderung
ist es, die Zellen auf der künstlichen Oberfläche anzusiedeln. Die andere,
sie dort auch zu halten. Den ersten Teil hat das Projekt bereits geschafft,
am zweiten wird noch gearbeitet. In Zukunft könnte man das Kunstherz von
Patientinnen und Patienten dann vor der Operation mit ihren eigenen Zellen
besiedeln.
Die Entwicklungsarbeit des Projekts Zurich Heart teilt sich im Prinzip in
zwei Teile auf: Im Forschungspfad „Alternative Systeme“, den Mazza leitet,
suchen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nach ganz neuen
Lösungen für alte Probleme. Dazu gehört zum Beispiel auch die Entwicklung
von sogenannten soft pumps. Herkömmliche Pumpen erzeugen einen
kontinuierlichen Blutstrom. Die weichen Pumpen sollen dagegen das
natürliche Herz und sein Schlagen so gut wie möglich imitieren. Dazu muss
man Materialien finden, die verformbar, elastisch und reißfest sind.
## Schwachstellen beseitigen
Andere Gruppen konzentrieren sich darauf, Schwachstellen der bisherigen
Systeme zu verbessern. Eine Gruppe kümmert sich beispielsweise um die
kabellose Energieversorgung. Eine andere versucht, Sensoren in die Pumpe zu
integrieren, sodass sie ihre Arbeit immer an den aktuellen Bedarf anpassen
kann. Am Ende soll dann aus all den verschiedenen Teilen das Zurich Heart
werden.
Ist das dann das perfekte Kunstherz? Ein künstliches Herz, das man einmal
transplantiert und dann nie wieder reparieren oder austauschen muss? „Das
wäre sicher ein Traum“, sagt Falk, schränkt aber ein: Die perfekte Maschine
gibt es eigentlich nicht. Alle Maschinen haben bis jetzt irgendwann einen
Fehler gemacht. Falks Ziel ist es daher vor allem, Patienten und
Patientinnen mit einem Kunstherz ein besseres Leben zu ermöglichen, als es
im Moment der Fall ist.
Bis das erste komplette Zurich Heart transplantiert wird, werden aber noch
einige Jahre vergehen. Einzelne Komponenten, die schneller fertig sind,
könnten aber schon früher zum Einsatz kommen.
13 May 2018
## AUTOREN
Anna Schughart
## TAGS
Organspende
Herzzentrum
Transplantation
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