| # taz.de -- Berliner Ausflugsziel wiedereröffnet: Grauen auf dem Müggelturm | |
| > Das historische Ausflugsziel auf dem Kleinen Müggelberg ist seit Anfang | |
| > Mai wiedereröffnet. Doch nicht jedem Besucher erschließt sich die | |
| > einstige Beliebtheit dieses Ortes. | |
| Bild: Der wieder eröffnete Müggelturm | |
| Es ist kalt und grau. Der quadratische Raum, in dem ich mich befinde, | |
| scheint verlassen. Es sei ein Aussichtsturm, war mir gesagt worden. Doch | |
| statt Fenstern sind rundherum Gitter angebracht. Ich fühle mich an eine | |
| Gefängniszelle erinnert, ohne jemals in einer gewesen zu sein. Ich warte | |
| darauf, dass jemand den Turm betritt, um ihm die drei Fragen zum Ausblick | |
| zu stellen, die ich mir notiert habe. Es ist mein erster Tag in Berlin. | |
| Ich befinde mich auf dem Müggelturm in Berlin-Köpenick, der pünktlich zum | |
| 1. Mai nach denkmalgerechter Sanierung wiedereröffnet wurde und zu alten | |
| Glanzzeiten aufsteigen möchte. Der Turm steht auf dem Kleinen Müggelberg, | |
| direkt daneben ein Restaurant und eine neu errichtete Dachterrasse, die | |
| ebenfalls einen Ausblick bietet. Das gesamte Areal, mitsamt Gastronomie und | |
| Turm, war zu DDR-Zeiten ein beliebter Ausflugsort für Ostberliner. Nachdem | |
| mehrere Privatisierungsversuche scheiterten, gelang es dem Investor | |
| Matthias Große 2014, das Müggelareal zu erwerben. 2015 begannen die | |
| Bauarbeiten, die noch andauern. | |
| Kurz bevor ich das Gelände betreten habe, lerne ich den ehemaligen | |
| DDR-Schauspieler Karl Danowski kennen. Gemächlich schreitet der 77-Jährige | |
| den steilen Hang hinauf, der zum Turm führt. „Früher bin ich hier immer | |
| hochgelaufen, jetzt ist das ein Autoweg.“ Wie zum Beweis muss er zur Seite | |
| ausweichen, damit ein Auto vorbeifahren kann. | |
| ## Kindheitserinnerungen | |
| Er sei bereits als kleines Kind oben auf dem Turm gewesen, erzählt | |
| Danowski, und könne es kaum erwarten, die neue Dachterrasse zu sehen. Als | |
| Grundschüler sei er regelmäßig mit seinen Freunden hergekommen. „Ein | |
| Highlight“ sei das immer gewesen, erklärt er. Als ich ihn frage, wie sein | |
| erster Eindruck nach der Sanierung ist, zuckt er mit den Schultern, schaut | |
| mich lange an und sagt dann: „Baustelle. Aber könnte werden.“ | |
| Überzeugter als Danowski sind Martin und Gisela N. Das Pärchen hat den | |
| weiten Weg von Heidelberg auf sich genommen, um den sanierten | |
| Gebäudekomplex zu begutachten. „Wir waren bereits zu DDR-Zeiten hier“, | |
| erzählt Martin. Anfang der 80er Jahre hätten seine Frau und er noch in | |
| Ostberlin gelebt. „Da mussten wir doch noch mal herkommen und schauen, wie | |
| es jetzt aussieht.“ Vor dem Treppensteigen stärken sich die beiden im | |
| Lokal. Ob das noch einmal so populär wird wie zu DDR-Zeiten? „Die Berliner | |
| wären schön dumm, wenn sie nicht herkommen würden“, glaubt Gisela N. Die | |
| beiden sind schon begeistert von der Anlage, bevor sie den Turm betreten | |
| haben. | |
| ## Vier Euro Eintritt | |
| Ihre Begeisterung fehlt mir gänzlich. Ich laufe die Treppen zum Restaurant | |
| hoch und weiß dann nicht recht, wo sich der Eingang zum Müggelturm | |
| befindet. Im Restaurant sehe ich keine Schilder und laufe wieder zurück, | |
| bis ich merke, dass auch dieser Weg eine Sackgasse ist. Scheinbar steht mir | |
| die Verwirrung ins Gesicht geschrieben, denn ein Mitarbeiter spricht mich | |
| an und erklärt mir, dass die Eintrittskarten (4 Euro) im Restaurant | |
| verkauft würden und der Eingang zum Turm ganz leicht zu finden sei, „durch | |
| das Restaurant links, dann rechts, wieder rechts, die Treppen hoch und | |
| geradeaus“. | |
| Auf dem Weg dorthin stehe ich zwischen Langnese-Mülleimern und neu | |
| wirkenden Terrassenmöbeln auf einer lieblos eingerichteten Dachterrasse. In | |
| einer Ecke liegen noch Schutzhandschuhe, die vermutlich einem Bauarbeiter | |
| gehören. | |
| Am Ziel meines Ausflugs, auf der Spitze des Müggelturms, angekommen, regt | |
| sich bei mir kein nostalgisches Gefühl, sondern vielmehr das Bedürfnis, | |
| diese Zelle schnellstmöglich wieder zu verlassen. Abblätternder | |
| Fußbodenbelag, Baustellengeruch und Kellerlampen führen zusätzlich dazu, | |
| dass ich mich an diesem grauen Berliner Nachmittag einsam und unwohl fühle. | |
| Nur ein halb abgebissenes Brötchen in einer Ecke und die Kritzelei „Romano | |
| + Franzi 2013“ an der Wand beweisen mir, dass bereits andere Menschen hier | |
| gewesen sind. | |
| ## Blick durch Gitterstäbe | |
| Während ich also darauf warte, dass jemand den Turm betritt, dem ich meine | |
| Fragen stellen könnte, hole ich mein Handy aus der Hosentasche und versuche | |
| durch die Gitterstäbe ein Foto zu schießen. | |
| Gleichzeitig versuche ich die Bedeutung des Turms zu DDR-Zeiten zu erahnen. | |
| Viel mehr als eine Ahnung gelingt mir nicht, denn von dem einstigen Glanz, | |
| von dem mir berichtet wurde, ist kaum noch ein Schatten erkennbar. Wenn da | |
| nicht dieser atemberaubende Ausblick auf den Teufelssee und Berlin wäre, | |
| würde ich mich fragen, warum ich eigentlich hier bin. | |
| 13 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Serdar Arslan | |
| ## TAGS | |
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| IGA 2017 | |
| Wilmersdorf | |
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