# taz.de -- Kleine Eiszeit: Der Winter kommt jetzt richtig dicke | |
> Anhaltende Schneefälle sollen am Sonntag Berlin in eine Winterlandschaft | |
> verzaubern. In der kommenden Woche sackt das Thermometer auf bis zu 10 | |
> Grad unter Null. Doch das selten gewordenen Wetterphänomen bedarf der | |
> Erklärung. | |
Bild: Was bringt 2009? Erstmal Schnee. | |
RUTSCHEN UND RODELN GUT | |
Die Rosi Mittermeier, das Skiass von der Winkelmoosalm, würde ihre Bretteln | |
wachsen, wenn sie hören könnte, was ihre Berliner Namensvetterin Alexandra | |
Mittermeier sagt: "Am Wochenende fällt Schnee in der Hauptstadt." Und auch | |
am Sonntag wird es anhaltend schneien, kündigt die Meteorologin an. Also | |
Ski und Rodeln gut. | |
Man muss also nicht wie der Ski-Club-Pallas e. V. bis ins thüringische | |
Steinach fahren, wo die Alpinen Berliner Meisterschaften stattfinden. Man | |
kann hier in der Stadt skien und rodeln: Etwa auf dem Teufelsberg, in den | |
Müggelbergen oder im Schwarzen Grund in Dahlem. | |
Schlitten haben alle. Leihski gibt es dafür in der "Ski-Hütte" am Bahnhof | |
Zoo. Und aufi goats, Bubn. Auf dem Teufelsberg, wo trotz Umweltprotesten | |
1986 gar ein Ski-Weltcuprennen stattfand, kann bei einem Gefälle von 22 | |
Grad richtig gebrettert werden. Am besten rutschten die SkifahrerInnen aber | |
vorsichtiger die Wege herunter - Unfallgefahr, siehe Dieter Althaus. | |
Kenner der Müggelberge lassen über die Ostabfahrt vom Müggelturm bis zum | |
Teufelstümpel hinunter nichts kommen. Die "extreme" Strecke ist besonders | |
taz-Berlin-Ressortleiter Gereon Asmuth gut in Erinnerung, der 2005 schrieb: | |
"Angst um die Knochen darf man nicht haben." Und: Runter kommt man ja | |
immer. | |
Für Rodler und Kids dagegen ist der Schwarze Grund ideal. Die lange Abfahrt | |
vom Thielplatz hinunter ist eine Gaudi. Es wird gerutscht, gewedelt und | |
gefallen. Trotzdem brauchen Eltern sich nicht zu sorgen. Man behält den | |
Überblick und blaue Flecken bringen niemanden um. ROLA | |
ZU VIEL LICHT | |
Schnee lässt die Herzen von Kindern höher schlagen. "Es schneit", rufen | |
sie. Die Erwachsenen wiederum sagen zu ihnen: "Es hat geschneit." Ein wenig | |
klingt es, als hätten sie den Schnee über Nacht auf die Dächer und Straßen | |
gezaubert. | |
Dabei gibt es Leute, die stöhnen auf, sobald Schnee liegt: die | |
Sehbehinderten. Viele von ihnen sind extrem geblendet durch die starke | |
Reflexion des Lichts auf der Schneeoberfläche. Mit dicken Sonnenbrillen und | |
tiefen Schildmützen tasten sich einige von ihnen die Trottoirs entlang, | |
sofern sie es nicht vermeiden können, das Haus zu verlassen. "Die | |
veränderten Lichtverhältnisse bereiten Sehbehinderten große Probleme. Man | |
geht raus und alles ist zu hell", sagt Monika Wolgast vom Bund zur | |
Förderung Sehbehinderter Berlin. | |
Wer mit dem Blindenstock unterwegs ist, hat durch die veränderte Oberfläche | |
auf den Straßen zusätzliche Probleme. "Durch den Schnee kann ich | |
Unebenheiten im Boden mit dem Stock nicht mehr ertasten", sagt der spät | |
erblindete Jürgen Bünte vom Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein | |
Berlin. | |
Als er noch Sehreste hatte, konnte er Schnee allerdings doch etwas | |
abgewinnen. Denn er war zusätzlich nachtblind. "Wenn Schnee lag, konnte ich | |
nachts sehen. Tags war ich geblendet, aber nacht bin ich mit Freude | |
rausgegangen", sagt Bünte. WS | |
ANTRITT DER SCHNEESCHIPPER | |
Ausgebrannte Böller, Weinflaschen und sonstiger Silvestermüll werden nicht | |
allzu schnell von Berlins Straßen verschwinden. Weil die Stadt seit Neujahr | |
unter einer Schneedecke liegt, kümmern sich die Berliner | |
Stadtreinigungsbetriebe (BSR) zunächst um den Winterdienst. "Der Kehrbesen | |
muss in der Ecke verweilen, bis Petrus ein Einsehen hat und uns | |
weiterputzen lässt", fabuliert BSR-Sprecher Bernd Müller. | |
Mit 2.000 Mitarbeitern sowie 450 Räum- und Streufahrzeugen versuche die | |
BSR, Berlins Straßen und Fußgängerüberwege winterfest zu machen. "Unsere | |
Mitarbeiter schieben Extraschichten, weil wir rund um die Uhr im Einsatz | |
sind", so Müller. Zu den Aufgaben der BSR gehöre es, Kreuzungen, | |
Einmündungen und Haltepunkte des öffentlichen Nahverkehrs freizuräumen und | |
mit Feuchtsalz zu bestreuen. "Wir haben die notwendigen Maßnahmen | |
rechtzeitig eingeleitet", versichert Müller. | |
Dem ist wohl so, denn bisher blieb die Hauptstadt von einem Verkehrschaos | |
verschont: Bis in den frühen Freitagabend sei es im Großraum Berlin zu | |
keinen nennenswerten Unfällen wegen Glatteis gekommen, so ein Sprecher der | |
Polizei. Er wusste lediglich von einigen Blechschäden zu berichten. "Die | |
Autofahrer scheinen gut vorbereitet gewesen zu sein." Derweil wird der | |
Silvesterdreck in weißem Gewand wohl noch einige Tage erhalten bleiben. Für | |
das Wochenende werden weitere Schneefälle vorhergesagt. SePu | |
DAS EIS KRACHT UNTER DEN FÜSSEN | |
Auf dem Plötzensee wurden bereits am Neujahrstag Schlittschuhläufer | |
gesichtet. Offenbar setzt etwas, das auch nur annähernd wie eine | |
geschlossene Eisfläche aussieht, bei vielen Berlinern und Berlinerinnen | |
jegliche Warnfunktionen im Gehirn außer Kraft. Denn die Eisfläche auf dem | |
Plötzensee hatte eindeutig noch offene Stellen. | |
"Die Leute gehen auf eigenes Risiko aufs Eis", sagt Miriam Tauchmann, | |
Pressesprecherin der Berliner Polizei, und betont: "Wir warnen vor dem | |
Betreten der Seen in Berlin." Momentan sei das Eis überhaupt nicht | |
tragfähig. | |
Die Polizei warnt grundsätzlich vor dem Betreten von Eisflächen. Bedingt | |
durch natürliche Phänomene könne es immer Stellen geben, wo das Eis nicht | |
trägt, meint Tauchmann. Prognosen, ab wie vielen Tagen mit Temperaturen | |
unter null selbst in Berlin eine Eisdecke sibirische Dicke erreicht, werden | |
von offizieller Seite nicht gegeben. Stattdessen: Rundumwarnungen. Da diese | |
offenbar nicht befolgt werden, sind auch schon die ersten Eingebrochenen | |
auf dem Schlachtensee zu vermelden. WS | |
SKIFLIEGEN IN BRANDENBURG | |
Es muss nicht gleich Innsbruck sein: Auch im brandenburgischen Bad | |
Fürstenwalde, 60 Kilometer nordöstlich von Berlin, heben Skispringer vom | |
Schanzentisch ab, im nach eigenen Angaben "nördlichsten Skisprungzentrum | |
Deutschlands". | |
Mit 66 Metern ist die größte der insgesamt vier dortigen Schanzen gerade | |
einmal halb so lang wie die Innsbrucker Bergisel-Schanze. Da gastiert an | |
diesem Wochenende die Vierschanzentournee. "Wir sitzen alle vor dem | |
Fernseher", erzählt Günther Lüdecke vom 120 Mitglieder starken | |
Wintersportverein (WSV) Bad Freienwalde. "Schließlich haben vier der | |
Teilnehmer schon bei uns Wettbewerbe bestritten." | |
Die Schanzen in Bad Freienwalde würden vor allem von Nachwuchsspringern | |
genutzt. "Wegen der Ausstattung mit Matten können sie hier das ganze Jahr | |
über trainieren", so Lüdecke. Für den Bau der 66-Meter-Schanze habe der | |
Verein mit Hilfe von Sponsoren ein Drittel der 1,6 Millionen Euro Kosten | |
selbst gestemmt. Der Rest sei von der EU gekommen - "mit Blick auf die | |
deutsch-polnische Zusammenarbeit hier", sagt Lüdecke, der als | |
Projektmanager den Schanzenbau koordinierte. Skispringer aus Polen kämen | |
oft zu Training und Wettbewerben nach Bad Freienwalde, außerdem organisiere | |
man gemeinsame Trainingslager. | |
In Zukunft wollen die Freienwalder noch höher hinaus: Von einem "nordischen | |
Sportpark mit 120-Meter-Schanze, Abfahrtshang und Platz für 40.000 | |
Zuschauer" träumt der WSV-Vorsitzende Dieter Bosse. Ins Innsbrucker Stadion | |
passen nur 26.000 Menschen. SEPU | |
3 Jan 2009 | |
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