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# taz.de -- Yücel zu Gast bei Maybrit Illner: Deniz gucken mit Deniz
> Der Auftritt von Welt-Korrespondent Deniz Yücel im ZDF wurde
> voraufgezeichnet. Zusammen mit Freunden guckt er die Sendung im Hotel.
> Ein Protokoll.
Bild: Deniz über Deniz im Fernsehen: „Ich nuschel die ganze Zeit“
Berlin taz | Donnerstagabend, halb elf in Deutschland. In einem sehr
eleganten Hotel in Berlin-Mitte. Auf dem Schreibtisch im Hotelzimmer türmen
sich Zigarettenpackungen und Chipstüten. Im Fernsehen läuft die
Polit-Talksendung „Maybrit Illner“. Anwesend sind: Deniz Yücel, Dilek
Yücel, Özlem Topçu und die Autorin dieses Texts.
Nach 367 Tagen Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Türkei und
rund zwei Monaten in Freiheit ist es das erste lange Fernsehinterview mit
Deniz Yücel. „Aus Sicherheitsgründen voraufgezeichnet“, wird die
Moderatorin Maybritt Illner später sagen, bevor sie die Talkrunde – ohne
Deniz Yücel – vorstellt. Claudia Roth (B90/Die Grünen), Norbert Röttgen
(CDU) und Zeit-Redakteurin Özlem Topçu schauen auf die Zukunft des
deutsch-türkischen Verhältnisses.
Auch diese Runde wurde kurz vor Sendebeginn aufgezeichnet. Özlem Topçu hat
die Schuhe ausgezogen und lehnt am Hotelbett. Deniz reicht Weißwein.
Erstaunlich guten Tafelwein aus [1][Ösiland]. Özlem will lieber Bier. Dilek
angelt in der Minibar nach einer Flasche für sie.
Deniz: „Ich nuschel die ganze Zeit.“
Özlem: „Aber die Frisur sitzt.“
Deniz Yücel spricht gerade im Fernsehen davon, dass er sich gewünscht
hätte, dass deutsche Unternehmen, die in der Türkei produzieren, seine Haft
und die Menschenrechtssituation lauter kritisierten.
Deniz (springt auf und läuft im Zimmer umher) „Das hätte was gebracht!
Siemens, Bosch, Hugo Boss aber … (er muss lachen) – im Boss-Anzug Boss
kritisieren. Hat was.“
Özlem: „Was, Du trägst Boss? Ich dachte H&M.“
Deniz: „Immer Zara, nichts anderes. Bis jetzt.“
Dilek schaut auf ihr Handy, Özlem fragt, ob sie mal auf Twitter schauen
soll, was so über die Sendung geschrieben wird.
Alle: „Nein.“
Özlem scrollt auf twitter den Hashtag [2][#illner] durch und legt das Handy
mit einem Seufzer wieder auf den Schreibtisch.
Deniz Yücel im Fernsehen spricht über die Liebes- und
Freundschaftsbekundungen, die ihn während seiner Haft rührten. Deniz auf
dem Hotelbett umarmt Dilek. Irgendwie haben alle Pipi in den Augen oder
sind kurz davor. Jetzt: Roth, Röttgen und Topçu am Tisch mit Maybritt
Illner. Frau „Toppschuh“ wie Maybritt Illner sie anspricht, argumentiert
für ein vernünftiges Nato-Verhältnis mit der Türkei.
Özlem: „Ich bin aber echt realpolitisch unterwegs.“
Deniz: „Du sprichst wie der linke Flügel der UETD.“ (AKP-Lobbyverein in
Deutschland, Anm. d. A.)
Die Autorin muss lachen und kriegt dafür einen Rüffel von Frau Toppschuh.
Herr Röttgen drängt Frau Roth in der Runde gerade dazu, sich zu einem
möglichen Nato-Austritt der Türkei zu äußern. Özlem nennt ihn „Dirty
Norbert.“
Deniz: „Sag mal, der war das doch mit ‚Kinder statt Inder‘, oder?“
Deniz ist fest davon überzeugt, dass es Röttgen war. 2000 oder so. Özlem
meint, nein, das wäre jemand anders gewesen. Beide wetten erst, dann
googeln sie. Dilek geht eine rauchen.
Deniz: „Ah, Rüttgers war's.“
An der großen Wand hinter den Talkgästen werden abwechselnd Fotos des
türkischen Staatspräsidenten und rote Fahnen eingeblendet. Während bei
Illner über die türkische Wirtschaft gesprochen wird, holt Deniz das
Knabberzeug raus: „So, für Özlem, Mandeln in Meersalz mit belgischer,
weißer Schokolade und Karamell. Hier für das Proletariat die Chipsletten
(er reicht mit die Dose, die er vorher sachte öffnet) und für unseren Gast
aus Malaga (keine Ahnung, warum er sie so nennt, d. A.), für Dilek, die
Pistazien.“
Alle futtern. „Ahhaha, dostum!“ und „Dostlar in Goslar!“ (Übersetzt:
Freunde in Goslar) werden die Bilder des türkischen Außenministers
Çavuşoğlu kommentiert, als er auf dem Hamburger Botschaftsgelände im
letzten Jahr in das Meer aus roten Fahnen winkt. Deniz, der noch entspannt
auf dem Bett rumlag, springt plötzlich auf. „Man müsste die Wahlen hier
verbieten.“
Özlem: „Jetzt sprichst du wie der Ortsverband der CDU.“
Deniz: „CSU, Ortsverband Kreuzberg.“
Deniz grämt sich immer noch, dass er im Interview seiner Meinung nach zu
schnell gesprochen habe. Dilek nimmt sein Gesicht in beide Hände und sagt,
dass es wirklich gut war, auch wenn er, ja, etwas zu schnell gesprochen
habe. Alle finden das Interview prima. Bis auf Deniz. Nach den
Schlussakkorden von Illner fällt Deniz ein, dass er ja noch eine Flasche
Champagner für uns hat, beim Minimarkt nebenan erstanden. Alle prosten sich
zu: Auf die Freiheit!
27 Apr 2018
## LINKS
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[2] https://twitter.com/hashtag/illner?lang=de
## AUTOREN
Ebru Tasdemir
## TAGS
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Claudia Roth
Türkei
Schwerpunkt Deniz Yücel
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