| # taz.de -- Nach Deniz Yücels Freilassung: Deniz zu Besuch in der taz | |
| > Ausnahmezustand im Konferenzraum: Der alte Sack ist wieder da! Deniz | |
| > Yücel kommt vorbei – und sorgt für eine Party am Vormittag. | |
| Bild: Guess who's back: Deniz Yücel | |
| Donnerstag früh in der taz, der Konferenzsaal – vollgestopft mit | |
| taz-Mitarbeiter*innen, jungen Gästen des taz Panter-Workshops und | |
| ehemaligen, neugierigen taz-Kolleg*innen wie Thilo Knott und Kai Schlieter | |
| von der Berliner Zeitung und Enrico Ippolito, Kulturchef von Spiegel Online | |
| – verlegt sich in den Wartemodus. Er, der sehnlich Erwartete, hatte und hat | |
| ja stets seine eigenen Vorstellung von Zeit. Und dann, sieben Minuten nach | |
| zehn Uhr, brandet Beifall auf. Zunächst durch jene, die am besten sehen | |
| können, [1][wer durch die Tür kommt]: Deniz Yücel, unser früherer Kollege. | |
| Gut sieht er aus, dafür, dass er kaum mehr als einen Monat aus | |
| [2][türkischem Knast entlassen zurück in Deutschland ist]. Die Haare schick | |
| meliert, das dunkle Sakko cool im Semiknitter, das dunkeltaubenblaue | |
| T-Shirt fein dekolletiert, der Teint nicht von alpiner Frische, aber doch | |
| gesund und schön. | |
| Und dann die Schuhe: Der Mann, der doch nie etwas trug als schwarze | |
| ausgetretene Halbschuhwerk, trägt den vorletzten Schrei, später sagt er: | |
| „Modelinie Alessandro del Piero“, nicht ohne zu erwähnen, dass mit diesen | |
| Sneakers Italien nie Weltmeister geworden wäre. Ein stylisches Statement, | |
| so beiläufig, aber: So geht Schuh gewordene Lebenszugewandtheit, Deniz, | |
| influencer in the taz. | |
| Deniz Yücel hat, das ist in der taz kein Geheimnis, die taz-Kolleg*innen, | |
| gern in jüngerer, nicht jüngster Zeit halbverzankt, sozusagen geeint. Der | |
| Kollege, um den so viele bangten, als er im türkischen | |
| Hochsicherheitsgefängnis Insasse der Justiz Erdoğans war, wird an diesem | |
| Morgen mit einer Liebe bestaunt und beguckt, dass es nur so zu flimmern | |
| scheint. Und Yücel, keineswegs ja uneitel an und für sich, was ja seinen | |
| Charme erst wärmend macht, dieser Deniz Yücel ist sogar ob des Applaus' | |
| ergriffen. Nein, rinnende Tränen sind es nicht, die man sieht, sondern ein | |
| freundschaftlich-bewegter Blick mit ein bisschen Wehmut. Weil es vorbei | |
| ist, weil Furcht und Anteilnahme keinen Platz mehr haben müssen. | |
| Eine halbe Stunde [3][berichtet Deniz, aus der Türkei], vom Dank an all | |
| jene, die das ganze Jahr über seit seiner Inhaftierung solidarisch für ihn | |
| geschuftet haben, mit Autocorsi, Texten, in Interviews, Reportagen – das | |
| sind die Kolleg*innen von taz gazete natürlich auch, ebenso die | |
| Redakteur*innen der taz, die begriffen hatten, dass nichts im Mediengewerbe | |
| so schwierig ist, wie Solidarität zu entzünden über mehr als sechs Wochen | |
| hinweg. [4][Doris Akrap, taz-Kolleg*in, hat diese Arbeit seitens der taz] | |
| in engster Kooperation mit der Welt mit unerbittlicher Hartnäckigkeit | |
| angeführt, und sie verdient es, auch hier gesondert erwähnt zu werden: | |
| Jemanden, der in einem Knast in einem halbtotalitären Staat einsitzt, gegen | |
| das Vergessen zu schützen – das ist gar nicht so leicht. | |
| ## Ein Strauß Petersilie | |
| Deniz Yücel, vor sich ein | |
| Solidaritäts-Willkommen-Biodeutsch-Petersilie-weiße-Rose-Sträußlein, sagt: | |
| „Ich wollte, als ich aus dem Gefängnis kam, nichts als meine Normalität | |
| wieder haben.“ Er hat, seit er wieder frei ist, seinen Heimatort Flörsheim | |
| besucht, war unter Freund*innen und hat ein Leben des Befragtwerdens zu | |
| leben. „Ist normal“, sagt er, „aber ich will nicht zu jemanden werden, der | |
| mit dem Label herumläuft ‚Der Mann, der ein Jahr im türkischen Knast saß.�… | |
| Und auch nicht, völlig logisch, ein Interviewobjekt werden, „ich möchte | |
| nicht Mikrofonwälder vor mir stehen haben“, denn das „macht es ja nicht | |
| einfacher, wieder als Journalist zu arbeiten und selbst Interviews zu | |
| führen.“ | |
| Bloß nicht Futter der Medienaktualitätsmaschine werden, nur das Nötigste, | |
| nicht ‚verbrannt‘ werden. Nach der Konferenz – wird geraucht. Und Prosecco | |
| und Kaffee und Säfte gereicht. Freundliches Geschnatter, Deniz mittendrin, | |
| er wird immer wieder geherzt und geknuddelt, es ist, als sei einer | |
| heimgekommen, von dem man weiß, dass er jetzt eine neue berufliche Heimat | |
| hat. No bad feelings, alles gut, kein falscher Ton. taz-Chefredakteur Georg | |
| Löwisch bringt ihn nach dem taz-Besuch zum gegenüberliegenden Gebäude des | |
| Axel-Springer-Verlags zurück, sicherheitshalber. Deniz Yücels letztes Wort: | |
| „Danke.“ | |
| Samstag wird gefeiert, das steht fest. Deniz Yücels erster öffentlicher | |
| Auftritt. Im Festsaal Kreuzberg liest Deniz aus seinem Buch „Wir sind ja | |
| nicht zum Spaß hier“ vor, im Anschluss Party, was insofern keine Banalität | |
| ist, weil dies genau die Linie zieht zwischen Freiheit und Knast – die | |
| Möglichkeit, gemeinsam zu feiern. | |
| 23 Mar 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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