# taz.de -- Netzwerk von religiösen Extremisten: „Wir müssen wachsam sein“ | |
> Agenda Europe ist ein europaweites Netzwerk gegen Homoehe, Abtreibung und | |
> Verhütung. Neil Datta hat es aufgedeckt und erklärt die Absichten. | |
Bild: Agenda Europe würde gerne zurück in die Vergangenheit | |
taz: Herr Datta, Sie beschreiben [1][Agenda Europe] als Netzwerk religiöser | |
ExtremistInnen, das Verbindungen bis in die EU-Kommission und den Vatikan | |
hat. Wieso wussten wir bisher nichts davon? | |
Neil Datta: Die AkteurInnen waren sehr vorsichtig und diskret, um im | |
Verborgenen zu bleiben. An den Treffen durfte offenbar nur teilnehmen, wer | |
eine persönliche Einladung hatte, und die TeilnehmerInnen hatten klare | |
Anweisung, nicht über die Treffen zu sprechen. | |
Wie haben Sie selbst davon erfahren? | |
Ich wusste, dass es eine breite Bewegung ultrakonservativer AkteurInnen | |
gibt, dass es den Blog gibt und kannte ihre Themen. Ich wusste auch, dass | |
es eine ganze Reihe politischer Initiativen gegen Abtreibung oder | |
gleichgeschlechtliche Ehe gibt. Aber mir fehlte der Link zwischen beidem. | |
Dann gelangten die Produzenten einer Doku des Senders Arte über | |
Abtreibungsgegner an Kopien von Dokumenten, die sie mir gaben. | |
Was waren das für Dokumente? | |
Es waren Programme mehrerer Treffen von Agenda Europe. Ich konnte die | |
Puzzleteile zusammensetzen: Dass die Treffen Jahrestreffen sind, und dass | |
es ein gemeinsames, inhaltlich explizites Manifest namens „Die natürliche | |
Ordnung wieder herstellen“ gibt. Damit hat das große Ganze Sinn ergeben. | |
Haben Sie die AkteurInnen konfrontiert? | |
Wir nicht, aber die JournalistInnen von Arte. Da sieht man sehr deutlich, | |
wie sie reagieren, wenn sie zu Agenda Europe gefragt werden. Sophia Kuby | |
zum Beispiel, die Leiterin des EU-Büros der christlichen Organisation | |
„Alliance Defending Freedom“, gibt erst auf Nachfrage zu, dass die geheimen | |
Jahrestreffen existieren. Sie ist deshalb sichtlich verlegen. | |
Haben Sie sich ausführlicher mit den Strukturen von Agenda Europe in den | |
einzelnen Ländern beschäftigt? | |
Bisher haben wir versucht zu verstehen, wie das gesamte Netzwerk | |
funktioniert. Die deutschen HauptakteurInnen sind Sophia Kuby und ihre | |
Mutter Gabriele Kuby, eine katholische Autorin mehrerer Bücher gegen | |
Gender, zum Beispiel „Die globale sexuelle Revolution – Zerstörung der | |
Freiheit im Namen der Freiheit“ oder „Gender – Eine neue Ideologie zerst�… | |
die Familie“. | |
Sagen Ihnen die Namen Beatrix von Storch oder Hedwig von Beverfoerde etwas? | |
Ich bin mir darüber im Klaren, wer diese beiden sind und dass sie einen | |
sehr ähnlichen konservativen Ansatz verfolgen. Auch sie arbeiten gegen | |
Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe. In den Dokumenten zu Agenda | |
Europe tauchen ihre Namen aber nicht auf. | |
Wie gefährlich ist Agenda Europe? | |
Ich möchte nicht überbetonen, wie gefährlich sie sind. Aber sie stehen für | |
ein strategisch sehr gut organisiertes politisches Netzwerk, das | |
Rückendeckung von verschiedenen hochrangigen Institutionen und Geldgebern | |
bekommt. Wir als Gesellschaft haben in Sachen Frauen- und LGBTI-Rechten | |
bisher viele Fortschritte gemacht und gehen davon aus, dass das so | |
weitergeht. Jetzt, wo wir die Ziele von Agenda Europe zum ersten Mal offen | |
vor uns sehen, ist klar, dass wir das Gefühl des Automatismus dieses | |
Fortschritts in Frage stellen müssen. | |
Wie hängt das Erstarken der extremen Rechten in Europa mit Agenda Europe | |
zusammen? | |
Agenda Europe profitiert vom Aufstieg sowohl der extremen Rechten als auch | |
von populistischen Bewegungen. Jedes dieser drei Phänomene stellt etwas | |
bereit, das die anderen beiden brauchen. Die extreme Rechte hat die | |
Infrastruktur und profitiert gleichzeitig davon, dass die Religiösen die | |
Agenda der extremen Rechten moralisch akzeptierbar machen. Beide wiederum | |
surfen auf der Welle des wachsenden Populismus und der Unzufriedenheit mit | |
den Altparteien in vielen europäischen Ländern. Sie bieten ein Narrativ an, | |
das den Status quo in Frage stellt – und das nutzt den Populisten. So kann | |
sich die ultrakonservative Agenda entwickeln. | |
Was sind Ihre nächsten Schritte? | |
Es gibt ein großes Interesse unserer Partnern in den europäischen | |
Institutionen und Ländern, mehr über Agenda Europe zu erfahren. Dem kommen | |
wir nach. Zudem publizieren wir weitere Berichte – nicht unbedingt zu | |
Agenda Europe, aber ebenfalls im Bereich der Anti-Choice-AkteurInnen. | |
Momentan sind wir dabei, uns ein paar Länder konkreter anzusehen. Eines | |
kann ich schon sagen: Es gibt noch mehr Netzwerke. | |
Was können wir gegen Netzwerke wie Agenda Europe tun? | |
Es ist vor allem wichtig, dass wir die Öffentlichkeit über deren Existenz | |
informieren. Wir müssen wachsam sein, denn 2019 ist Europawahl. Wir müssen | |
also beobachten, wie das Netzwerk versucht, in die europäischen | |
Institutionen zu gelangen und sie zu beeinflussen. Nur indem wir uns | |
austauschen, können wir sicher stellen, dass die europäischen Institutionen | |
auch weiterhin für die Rechte von Frauen und LGBTI eintreten. | |
27 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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