# taz.de -- Fernsehturm soll wieder öffnen: Hamburg von ganz weit oben | |
> In fünf Jahren soll Hamburgs Fernsehturm endlich wieder dauerhaft für | |
> Besucher geöffnet sein. Wir waren schon mal oben – und zwar | |
> bürgermeisterfrei. | |
Bild: Verkleidung rausgerissen: das Drehrestaurant im 14. Stock | |
HAMBURG taz | Wer zu spät kommt, wird belohnt. Nein, es war nicht mehr | |
möglich für die taz, um halb zehn am Journalistenrundgang auf den | |
Fernsehturm mitzukommen. Die Gruppe, die mit dem Bürgermeister auf die | |
Plattform in 150 Meter Höhe fahren sollte, war voll. Aber als Trost gibt es | |
einen Ersatztermin, um halb zwei. Nur für uns, bürgermeisterfrei. | |
Die Sonne knallt, kein Schatten. Der weiße Turmsockel steht isoliert auf | |
dem Fußweg neben den Messehallen, seit das alte Eingangshaus abgerissen | |
ist. Wir müssen ein paar Stufen runter in den Keller, dort befindet sich | |
der Zugang zum einzigen Aufzug. Wir wollen zur Technikplattform in den 22. | |
Stock in 150 Meter Höhe. Die Fahrstuhltür geht auf. | |
Ein Reporterteam von der Konkurrenz ist noch drin, das ganz nach oben auf | |
die Antennenplattform im 29. Stock will. Okay. Wir gedulden uns. Ein paar | |
Minuten später geht es rauf. Die Fahrstuhlkabine ist eng, die Wände mit | |
Spanplatten geschützt. Für alle Baumaßnahmen der letzten Jahre gibt es nur | |
diesen Fahrstuhl. Er ist das „Nadelöhr“, wie uns Benedikt Albers, | |
Pressesprecher der Deutschen Funkturm GmbH erklärt. Das ist eine | |
Telekom-Tochter, die alle Funktürme betreibt. | |
Oben im 22. Stock hat ein Radiosender, der auch Aufzugfahrten an Hörer | |
verschenkt, heute eine kleine Sendestation. Daneben ist die Tür zum | |
Rundumbalkon. Ein Schritt raus, und wir können uns im Freien am Blick über | |
Hamburg berauschen: der Hafen, die Kräne, die Dampffahne von Moorburg, die | |
in der Sonne glitzernde Elbe, die vielen Bäume. | |
Wer zu nah an die brusthohe Balustrade tritt und in die Tiefe blickt, wird | |
von Schwindel erfasst. Direkt runter geht der Blick auf den leicht | |
veralgten Teich von Planten und Blomen, daneben fährt die S-Bahn Richtung | |
Dammtor im Miniformat. Im Süden der Hafen, im Westen Eimsbüttel und der | |
Uni-Campus, im Osten die elegante Alster, dahinter entfernte Hochhäuser in | |
Wandsbeker Vororten. Mit mehr Muße die Details auskundschaften konnte man | |
früher ein paar Stockwerke tiefer hinter Glas auf der Aussichtsplattform | |
und in dem darüber liegenden Drehrestaurant. | |
## Seit 2001 fürs Publikum gesperrt | |
Für die Hamburger ist der Turm, der dieser Tage 50 Jahre alt wird, seit | |
2001 gesperrt. Eltern und Großeltern können ihren Kindern nur erzählen, wie | |
schön der Blick von oben ist. Das Aussichtscafé, das Kuchen satt für fünf | |
Mark anbot, hatte sich nicht mehr rentiert, bei einer Sanierung kam Asbest | |
zutage. Sollte zunächst nur ein neuer Pächter gesucht und das Restaurant | |
schon im Herbst 2002 wieder offen sein, gingen die Jahre ins Land. | |
Mal machte ein Bürgermeister die Wiedereröffnung zur Chefsache, mal gab es | |
wüste Pläne, ein Hotel drumherum zu bauen. In den verstrichenen 17 Jahren | |
hatte der Turm zwar weiter eine wichtige Funktion für Radio und Fernsehen, | |
doch die Bürger sehen die weiß angemalte Betonsäule nur von unten. | |
Im Frühjahr 2011 gab es sogar das Gerücht, der Turm werde in 30 Jahren | |
abgerissen, sein Leben sei endlich. Benedikt Albers schüttelt den Kopf. | |
Davon hat er noch nie etwas gehört. „Fernsehtürme sind für die Ewigkeit | |
ausgelegt“, sagt er. Auch investiere die Deutsche Funkturm GmbH Millionen | |
in Erhaltungsmaßnahmen. | |
Da geht es um Dinge, die der Laie nicht sieht. Das Restaurant im 14. Stock | |
sieht aus wie eine Baustelle. Die Verkleidung der Wände ist rausgerissen, | |
man sieht nur noch das Skelett der Drehbühne und neu installierte | |
Heizkörper, die im Winter ein Auskühlen des Raums verhindern. Und an den | |
Fenstern steht noch in abblätternden Folienbuchstaben, was in welcher | |
Richtung zu sehen ist, etwa „St. Pauli, Landungsbrücken“. | |
## 2023 soll Wiedereröffnung sein | |
Zum 50. Geburtstag gibt es nun eine gute Nachricht: Ab 2023 soll der Turm | |
wieder öffentlich zugänglich sein. Geld geben Stadt und Bund dazu – je 18,5 | |
Millionen Euro. | |
Dass es noch mal fünf Jahre dauert, liege daran, dass es ein komplexes | |
Vorhaben sei, erklärt Albers. Zunächst soll bis Ende 2018 ein Betreiber | |
gefunden werden, den Stadt und Firma gemeinsam aussuchen. Parallel muss der | |
Denkmalschutz eine Bestandsaufnahme machen, und zum Beispiel entscheiden, | |
ob das Restaurant wieder eine Drehscheibe haben wird. Ziel ist, dass die | |
Planungen für Turm und Eingangsgebäude bis Ende 2019 fertig sind. Auch die | |
Baumaßnahmen müssen europaweit ausgeschrieben werden. | |
Der taz-Fotograf will auch noch mal ganz nach oben zur Antennenplattform in | |
den 29. Stock. Die Kollegin wartet lieber im 22. zwischen den Kabeln der | |
Telekom. Eine Stunde hier oben ist ganz schön. Dann kann man aber auch | |
wieder runter. | |
5 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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