# taz.de -- Die Wahrheit: Steinern sei kein Herz! | |
> Nach den Tierschützern von Peta kommen jetzt die Steinschützer von Petra | |
> – und diese wackeren Kämpen ziehen weite Kreise. | |
Bild: Für Steinschützer sollte jeder Diamant ungeschliffen sein | |
Am Montag erklärte die Tierschutzorganisation Peta, dass sie an der | |
Bundesstraße 110 im Landkreis Vorpommern-Greifswald ein Denkmal für Fische | |
errichten wolle. Dort waren bei einem Lkw-Unfall vor gut einer Woche | |
zwischen Liepen und Neetzow Hunderttausende Sprotten in einem Straßengraben | |
verstorben. Die Behörden allerdings lehnen das Denkmal ab. Das ist ein | |
Schlag ins Gesicht aller Organisationen, die sich für diskriminierte | |
Mitglieder der Erdgemeinschaft einsetzen. Doch die meisten von ihnen sagen: | |
„Jetzt erst recht!“ Wie zum Beispiel die Organisation Petra, die sich für | |
die Rechte der Steine einsetzt. | |
Unter Tränen starrt Gwendolyn Henderson in das glasklare Wasser vor der | |
kleinen Karibikinsel. „Ich kann hier nichts Schönes entdecken!“, stößt s… | |
verbittert hervor. Dabei stehen wir an einem der traumhaftesten Fleckchen | |
Erde, das man sich vorstellen kann: Vor uns kilometerlanger Sandstrände, | |
Palmen, 28 Grad im Schatten und das türkisfarbene Meer. Aber Gwen weigert | |
sich, den Sand zu betreten. | |
„Traumstrand! Wenn ich das schon höre!!“ Gwen ist jetzt wirklich wütend. | |
„Für mich ist jeder Sandstrand eine Niederlage. Weil wir es immer noch | |
nicht geschafft haben, den Völkermord zu beenden.“ Völkermord? „Ach ja, S… | |
kennen das wahrscheinlich unter dem verharmlosenden Namen ‚Erosion‘. Aber | |
es ist massenhafter Mord. Sand ist nichts anderes als die zerstückelten | |
Leichen von Steinen.“ | |
## „Marmor, Stein und Eisen bricht“ ist zum Kotzen | |
Selbst die mitgebrachte Rockmusik – Rolling Stones, Rammstein und Ton | |
Steine Scherben – vermag sie nicht zu besänftigen. Zumal wir den Fehler | |
gemacht haben, „Marmor, Stein und Eisen bricht“ darunter zu mixen; das | |
fänden Steine „zum Kotzen“, sagt sie. | |
Natürlich gehört Gwen einer extremen Fraktion von Petra an – den Kampf | |
gegen Wind und Wasser trauen sich nicht viele zu. Die meisten Mitglieder | |
konzentrieren sich auf leichter erreichbare Ziele wie etwa obligatorische | |
Fangnetze unter der Brust für alle Bürger. Steine, die ihnen vom Herzen | |
fallen, sollen nicht ungeschützt auf den Boden prallen. In Deutschland | |
besonders beachtet wurde die Musterklage, mit der Petra vor einem | |
US-Gericht durchsetzen wollte, dass Vertriebenenverbände auch Nieren- und | |
Blasensteine aufnehmen müssen. | |
Aber die Petra-Leute sind keineswegs Prozesshanseln: Man hatte es vorher | |
mit Gesprächen versucht, bei der Vertriebenenfunktionärin Erika Steinbach | |
aber auf Granit gebissen. Wobei die strengen Petristen solche Redensarten | |
natürlich ablehnen – das Beißen auf Granit verletzt ihre Gefühle ebenso wie | |
das brutale „Steinerweichen“ und der im Brett eingesperrte Stein. | |
Erst im Gespräch mit Gwen wird uns bewusst, wie allgegenwärtig allein das | |
verbale Unrecht ist, das den Steinen permanent widerfährt. Wir beginnen, | |
jeden Stein unseres Wortschatzes umzudrehen. Was übrigens ebenfalls | |
übergriffig ist – wer von uns wollte schon dauernd hochgenommen und | |
umgedreht werden? | |
Auch „Der werfe den ersten Stein“ macht Gwen traurig – obwohl es aus der | |
Bibel stammt. Und auf die Bibel stützen sich viele Petra-Mitglieder ganz | |
bewusst. Schließlich sprach Jesus einst: „Du bist Petrus, und auf diesen | |
Felsen werde ich meine Kirche bauen.“ Gwen schüttelt resigniert den Kopf: | |
„Hätte man Jesus wörtlich genommen, statt seinen Satz nur für ein Wortspiel | |
mit dem Namen Petrus (lateinisch für Felsen) zu halten, wären die Steine | |
heute akzeptierte Mitglieder der Weltgemeinschaft.“ Sie räumt aber auch | |
ein, dass der Bau einer Kirche auf einem Felsen diesem Gewalt antue. | |
## Der stete Tropfen ist ein Folterknecht für Steine | |
Ein Petra-Mitglied wird niemals mit Sisyphus fühlen, sondern mit dem Stein, | |
dem beim ständigen Wiederrunterrollen vom Berg sicher schwindelig wird. | |
David wird als Benutzer einer Steinschleuder weniger Sympathien genießen | |
als Goliath, der den Stein mit seiner Stirn aufzufangen und zu retten | |
versuchte. Und der stete Tropfen ist in Petra-Augen einfach nur ein | |
Folterknecht – fast genauso grausam wie der Steinmetz. | |
Petra-Mitglieder sind davon überzeugt, dass auch Steine und Beton Gefühle | |
haben und Schmerz empfinden können. Und dass sie sich ausgegrenzt fühlen – | |
vor allem natürlich Rand- und Bordsteine. Elementare Rechte wie das auf | |
Bildung werden ihnen systematisch vorenthalten. Dabei sei erwiesen, dass | |
ein paar Steine die Atmosphäre in einer Grundschulklasse deutlich beruhigen | |
könnten. Auch an der Uni täten Mineral-Kommilitonen gut – man denke nur an | |
den „Stein der Weisen“. Aber stattdessen werden sie als „Grundsteine“ | |
grausam bei lebendigem Leibe begraben oder als Feuersteine brutal | |
geschlagen und verbrannt. | |
## Edelsteine werden auf ganz vielfältige Weise gequält | |
Ein extremes Reizthema für Petra sind die sogenannten Edelsteine. Für Gwen | |
sind sie wie Pelzmäntel: Um an sie heranzukommen, werden die sie umgebenden | |
Mineralien achtlos zerschlagen und weggeworfen. Die Edelsteine selbst | |
werden auf vielfältige Weise gequält: Sie werden geschürft, geschliffen | |
und gefasst, also eingesperrt. Und das alles nur, um der Eitelkeit der | |
Menschen zu dienen. Aber die Petra-Forderung nach einem lückenlosen | |
Herkunftsnachweis macht nicht bei den Diamanten, Rubinen und Turmalinen | |
halt. Auch Kiesel bräuchten Schutz. | |
Zum Abschied präsentiert Gwen stolz den neuesten Kampagnenaufkleber, den | |
Petra gemeinsam mit einer bekannten Frauenzeitschrift entwickelt hat: „Hab | |
kein Herz aus Stein – lass mich liegen!“ Damit wollen sie für hundert | |
Prozent passive Steinpatenschaften werben. | |
Würde es nicht an das makabre und grausame Friedhofsritual erinnern, für | |
das wir Steine missbrauchen – man würde unseren felsigen Brüdern zurufen | |
wollen: Ruhet in Frieden! | |
2 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Oliver Domzalski | |
## TAGS | |
Tierschützer | |
Peta | |
Hitler | |
Sommer | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Gewerkschaft | |
Heiko Maas | |
Psychologie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Verschleiert mit dem Burkardt | |
Ein Besuch bei der ersten weiblich sanften faschistischen Führerin. Sie | |
nennt sich selbst „Die Hitlerin“ und steht zu ihren Schwächen. | |
Die Wahrheit: Winterbett im Nirgendwo | |
Die unwirtlichsten Unterkünfte der Welt (2). Heute: Ein gar geharnischter | |
Beinahemord auf dem Weg nach Nicaragua. | |
Die Wahrheit: Menschlich wie Bambi | |
Wir schreiben das Jahr 2024. Die Flüchtlingsströme in europäischen Breiten | |
suchen sich neue Wege – Richtung Süden. | |
Die Wahrheit: Nachtzuschlag für Umverteiler | |
Zu Besuch bei Deutschlands erster Gewerkschaft für Berufskriminelle, dem | |
Deutschen Ganovenbund (DGB). | |
Die Wahrheit: Maas attacks | |
Ein Geheimpapier aus dem Auswärtigen Amt fordert deutsche Medien auf, alle | |
Kalauer mit dem Namen des Außenministers Maas zu unterlassen. | |
Die Wahrheit: Empör, empör, ist gar nicht schwör | |
Für alle kränkungsempfänglichen Zeitgenossen gibt es jetzt einen Detektor. | |
Besuch in einem Versuchslabor für Empfindsamkeit. |