# taz.de -- Kellerduell in der Fußball-Bundesliga: Im Halbfinale gegen den Abs… | |
> Der Hamburger SV gewinnt das prekäre Duell in Wolfsburg, weil Trainer | |
> Christian Titz das Team mit seinem Konzept begeistert. Beim VfL fehlt | |
> dagegen der Glaube. | |
Bild: Hat den HSV reanimiert: Trainer Christian Tietz | |
WOLFSBURG taz | Der VfL Wolfsburg bettelt so kläglich um den Abstieg, dass | |
es langsam wirklich schwer wird, ihm das abzuschlagen. Psychologie ist | |
tatsächlich ein wichtiger Faktor im Fußball, und nach dem 1:3 gegen den | |
Hamburger SV spricht psychologisch vieles für den HSV. Und kaum was für die | |
Wölfe, die am vergangenen Samstag nichts auf den Platz zu bringen hatten, | |
als es darauf ankam. | |
Bobby Wood per Foulelfmeter (43.), Lewis Holtby per Hinterkopf (45.) und | |
der eingewechselte Luca Waldschmidt (90+4) trafen für den HSV, Josip | |
Brekalo für den VfL (78.). Während manch HSV-Fan danach so siegestrunken | |
war, dass er den Weg zum Bahnhof nicht mehr finden konnte, lugten die | |
eigens für dieses Abstiegsduell verteilten grün-weißen VfL-Fähnchen traurig | |
aus den Mülleimern um die VfL-Arena. Nach zwanzig Jahren Fußball-Bundesliga | |
riecht es nach dem großen Kehraus. | |
Aber, Moment: Es gibt eine Währung, die härter ist als Psychologie. Das ist | |
die Tabelle. Und da steht Wolfsburg zwei Spieltage vor Saisonende immer | |
noch zwei Punkte vor dem HSV und dieser auf dem direkten Abstiegsplatz 17. | |
Doch das Gefühl des Moments ist stark und es sagt dem HSV, dass er die | |
beiden letzten Spiele in Frankfurt und gegen Mönchengladbach wirklich | |
gewinnen kann. | |
Ist der einzige Klub, der seit Bundesligagründung ununterbrochen | |
erstklassig spielt, am Ende unabsteigbar, fragte man hinterher Lewis | |
Holtby? „Es sieht ein bisschen danach aus“, antwortete der HSV-Matchwinner. | |
Es war ein bisserl wie bei der Hase-Igel-Geschichte. Wo immer man nach | |
Spielende in den Katakomben hinkam, Holtby, 27, war schon da. Eine rote | |
Trinkflasche vor dem Gemächt, erzählte er die Geschichte von der | |
wundersamen Transformation des gerade noch mausetoten Hamburger SV zu einer | |
strategisch und spirituell funktionierenden Einheit. | |
Grundlage dafür ist der dritte Trainerwechsel der Saison. Mit dem | |
vormaligen U21-Coach Christian Titz hat man drei von sechs Spielen und 10 | |
Punkte gewonnen. Unter anderem dank vier Toren des abgeschriebenen Holtby, | |
der gerade noch als Symbolfigur der qualitativen und moralischen | |
Verwahrlosung des Kaders galt. | |
Titz, 47, hatte ihn auf der Tribüne wiederentdeckt und reanimiert. „Ich | |
habe Spaß am Fußball“, sagte Holtby und strahlte dermaßen, dass es daran | |
keinen Zweifel geben konnte. An sich glauben! Teamspirit! Hundert Prozent | |
umsetzen, was der Trainer vorgibt, schallte es aus allen Ecken, immer war | |
es Holtby, der wirklich überall war. | |
Wenn es nach Sportdirektor Bernhard Peters geht, dann soll sein Protegé | |
Titz bleiben und auf der Grundlage von gemeinsam entwickelter | |
Nachwuchsarbeit und Spielstil den Neuaufbau des Teams angehen, der so oder | |
so ansteht, wenn man den kontinuierlichen Niedergang der letzten Jahre | |
umkehren will. | |
## Gegen den Ligatrend | |
Titz hat mutig gegen den Ligatrend den Ballbesitz rehabilitiert, um eben | |
gerade Kreativspieler wie Holtby und Aron Hunt besser ins Spiel zu bringen, | |
als sie es beim Umschaltfußball mit hohen Bällen zuvor waren. Man spiele | |
„das erste Mal seit vier Jahren Fußball“, sagte Holtby in der Euphorie des | |
Moments. So was darf man im „Schnauze halten“-Business nicht sagen, weshalb | |
es von Titz später auch einen kleinen Tadel gab. | |
Die Hamburger denken im Pokalmodus. Wolfsburg war das „Viertelfinale“, in | |
Frankfurt steigt das „Halbfinale“, bei Sieg hätte man dann noch ein Finale | |
gegen den Abstieg. Nicht nur an Holtby konnte man sehen, dass das Team auch | |
dadurch richtig Spannung aufgebaut hat. | |
Was uns zum VfL Wolfsburg bringt, der im Vergleich bemerkenswert | |
spannungsfrei wirkte. Tiefpunkt einer nirwanesken Darbietung war die Art | |
und Weise, wie man kurz vor der Pause direkt nach dem Rückstand auch noch | |
das 0:2 (durch Holtby) kassierte. Im Gegensatz zum HSV ist der dritte | |
aktionistische Trainerwechsel beim VfL ohne Wirkung geblieben, jedenfalls | |
ohne positive. | |
## Kontinuierlicher Abbau | |
Hatte Trainer Nummer 2, Martin Schmidt, zumindest die Defensive | |
stabilisiert, funktioniert bei Bruno Labbadia, Stand jetzt, gar nichts | |
mehr. Ein Sieg aus neun Spielen, 0,66 Punkte im Schnitt, da waren sogar | |
beide entlassenen Vorgänger besser. | |
Allerdings hat der kontinuierliche Abbau des Teams in der Zeit des in der | |
vergangenen Woche geschassten Sportdirektors Olaf Rebbe von der einstigen | |
Klasse nur noch Bruchstücke erhalten. Er gipfelte im Winterverkauf von | |
Mario Gomez, der letzten Lebensversicherung gegen den Abstieg. | |
Der VfL spielt am Samstag in Leipzig, am letzten Spieltag kommen die | |
abgestiegenen Kölner. Ein Sieg gegen den FC könnte schon reichen, um die | |
Relegation zu erreichen. Aber worauf stützt sich der Glaube daran? Beim HSV | |
ist die Sache klar. „Wir glauben an unseren Fußball“, sagte Lewis Holtby. | |
Das kann im Moment beim VfL wirklich keiner. | |
Auf einem großen Plakat in der Nordkurve stand „Wir glauben an unser | |
Zinnenwappen“. Das ist ein VfL-Logo aus der alten Zeit, die allerdings in | |
Wolfsburg vor der guten Zeit liegt. Das klingt nicht sehr hoffnungsvoll, | |
aber so klammert sich halt ein jeder an das, was ihm zur Verfügung steht. | |
30 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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