# taz.de -- Halbfinale Champions League: Schmerzen in Reihe 22 | |
> Die miese Chancenverwertung tat sogar auf der Tribüne weh. Beim 1:2 der | |
> Bayern gegen Madrid litten auch die verletzten München-Profis. | |
Bild: Ribéry rennt, Real läuft hinterher, doch am Ende siegt Madrid | |
München taz | Irgendwann sagt David Alaba dann: „Scheißdreck, eyh.“ Damit | |
war die Partie aus Bayern-Sicht bündig zusammengefasst. „Ein rechter | |
Scheißdreck war’s.“ Der Lieblingssatz aller Monaco-Franze-Fans traf diesmal | |
auch auf das Halbfinale gegen Real Madrid zu. | |
Das sahen auch die drei Herren in Block 105, Reihe 22, so. Da saßen, mitten | |
im gemeinen Journalistenvolk, die Angeschlagenen Alaba, Kingsley Coman und | |
Arturo Vidal. Ein illustres Hinguckertrio: Vidal mit seinem Irokesen, | |
Krücken, Schiene ums rechte Knie, plus dicker Goldkette, goldener Uhr, und | |
selbst die Stacheln auf den Sneakern leuchteten gülden. Alaba und Coman, | |
beide in stilvollen zerrissenen Jeans, sahen zumindest obenrum ganz dezent | |
aus, abgesehen von Alabas Hemd mit Flamingomuster. | |
Wie sie das Spiel der Arbeitskollegen erlebten? Vidal hatte in den 96 | |
Minuten mindestens vier Dutzend Mal zu viel Gewicht auf dem operierten | |
Knie, Alaba stand nach zig Schlägen gegen die Rückwand mehrmals vor einem | |
Handbruch, nur Comans Ärger verschwand hinter den beiden anderen | |
Berserkern. Sie alle wissen: Wer gegen Real Madrid so viele Chancen | |
auslässt, steht am Ende ziemlich blöd da. | |
So standen sie dann auch da – vor den Mikros, Kameras und Smartphones. | |
„Wenn man sieht, wie viele Chancen wir haben liegen lassen, dann muss man | |
von den eigenen Unzulänglichkeiten sprechen“, sagte Thomas Müller, der in | |
Sachen Unzulänglichkeiten an diesem Abend in der Tat weit vorne lag. Dass | |
die Chancenverwertung gerade in einem Champions-League-Halbfinale mies ist, | |
sei „ein ganz schlechter Moment“, gestand Müller und sprach von einem | |
„schwer zu verdauenden Spiel. Wir müssen sauer auf uns selbst sein. Wir | |
haben Real leben lassen. Die sitzen jetzt in der Kabine und wissen selbst | |
nicht, wie sie das Spiel gewonnen haben.“ Real-Kollege Toni Kroos konnte | |
dem nur fröhlich zustimmen: „Das Ergebnis ist schon etwas glücklich.“ | |
## Ohne Außenstürmer, aber mit Verteidiger | |
Dabei hatte alles so prima begonnen: mit Spektakelfußball à la Liverpool. | |
Schon nach Sekunden passte Robert Lewandowski am Fünfer zu Müller: zu | |
unpräzise. Egal, plötzlich herrschte ein beinahe anfieldmäßiger | |
Stadionroar, den man in der Arena nur selten erlebt. Das frühe Aus für den | |
höchstmotivierten Arjen Robben (8.) gab dem bayerischen Sturm und Drang | |
einen Knacks, denn fortan musste man ohne Rechtsaußen auskommen – Müller | |
kann das draußen an der Linie einfach nicht auf dem Niveau, und Coman saß | |
nun mal in Block 105, Reihe 22. | |
In Minute 28 übernahm ein Verteidiger den Job: Joshua Kimmich. Nach feinem | |
James-Pass zischte er übers Feld und traf zur Überraschung aller | |
Beteiligten aus Flankenposition gegen den Spekulanten im Real-Tor, Keylor | |
Navas. Doch damit war der Bayern-Dusel aufgebraucht. Von nun an ging’s | |
bergab. In Minute 34 musste der zuletzt in WM-Form aufspielende Jérôme | |
Boateng verletzt raus, zehn Minuten später traf Marcelo, nachdem die | |
gesamte Bayern-Abwehr auf einen Ronaldo-Fallrückzieher gewartet hatte, und | |
in Minute 57 unterlief Rafinha der Bock des Tages, der im 1:2 durch Asensio | |
mündete. Harte Zeiten für die Rückwand in Block 105, Reihe 22. | |
13 Bayern-Torschüsse stehen in der Statistik – „Ich habe selten eine | |
Madrider Mannschaft gesehen, die so viel zugelassen hat“, meinte Jupp | |
Heynckes. „Normalerweise sind wir mit unseren Chancen sehr effizient. Das | |
waren wir heute leider nicht.“ Womit wir bei Robert Lewandowski wären. Die | |
Gerüchte um seinen Wechsel zu Real halten sich ausdauernd, doch an diesem | |
Abend hat er die Werbung in eigener Sache ordentlich vermasselt. 39 | |
Pflichtspieltore: klingt toll – wenn man vernachlässigt, dass es in der | |
Champions League nur fünf sind. | |
## Kehlige Rufe von der Tribüne | |
Der Pole war nicht der Einzige, der unter seinen Möglichkeiten blieb. Da | |
ist zum Beispiel Thiago Alcántara. Ein Techniker vom Feinsten, doch allein | |
seine Körpersprache passt nicht zu einem Halbfinale der Königsklasse, und | |
Vidals kehlige Rufe aus Reihe 22 deuten darauf hin, dass er das sachte | |
Traben Alcántaras ganz ähnlich beurteilte. Anders dagegen James Rodriguez: | |
Der vermag die Kugel genauso zart zu streicheln, kann und will aber auch | |
seinen Körper einsetzen, wenn es sein muss. | |
Ungeschlagen in dieser Disziplin war mal wieder Franck Ribéry, der mit | |
großem Abstand willensstärkste Mann auf dem Platz. Kein gutes Zeichen für | |
den FCB, wenn ein 35-Jähriger der aktivste Spieler ist. | |
57 meist tiefenentspannte Spiele lang fragte man sich, wie stark der FC | |
Bayern in dieser Saison eigentlich ist. Nach Match 58 ist klar: nicht so | |
gut, abgezockt und effizient wie Real Madrid. Aber die Hoffnung stirbt ja | |
zuletzt. Wie meinte Alaba kurz vor Schluss: „Wir machen noch einen!“ | |
26 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Thomas Becker | |
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