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# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Schuss und Gegenschuss
> Never change a winning film! Schließlich funktioniert eine
> Bundesligasaison wie Kino. Und Bayernjäger des verlorenen Schatzes gibt
> es immer wieder.
Bild: Nicht im falschen Film: Die finstere Macht aus dem Süden wurde wieder Me…
Im Großen und Ganzen unterscheidet sich die Dramaturgie einer
Bundesligasaison nicht wesentlich von der eines neunzigminütigen
Abenteuerfilms. Diese Dramaturgie hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Und
zwar so erfolgreich, dass das Publikum geradezu bockig reagiert, wenn
versucht wird, gleich mehrere Paradigmen gleichzeitig zu ändern.
Erinnern wir uns kurz an die Abenteuerfilme. Da gibt es welche, bei denen
uns schon die Titel wichtige Hinweise auf die zu erwartende Geschichte
geben. Nicht selten sind das diejenigen, die vom Publikum am meisten
geliebt werden. Der Film heißt „Nur 48 Stunden“? Dann darf der Held nicht
schon nach anderthalb Tagen siegen. „The Longest Day“ darf nicht schon zur
Kaffeepause enden. Und dass es nur ein Datum gibt, an dem „Freitag, der
dreizehnte“ spielen kann, versteht sich von selbst. Natürlich gab es
Parodien wie „Samstag der vierzehnte“, bei denen Putzfrauen am Morgen nach
dem Gemetzel versuchen, die Wohnung wieder in Ordnung zu bringen. Aber
solche Filme werden meistens von Jungs angesehen, die zu viele Chips essen
und Frauen nur von Bildschirmen kennen.
Für die Dramaturgie einer Bundesligasaison braucht das Publikum zunächst
einen scheinbar unbezwingbaren Bösen, der von Sieg zu Sieg eilt. In den
letzten Jahrzehnten hat sich der FC Bayern München in dieser Schurkenrolle
bewährt. Andere Modelle gibt es durchaus, etwa in der Premier League, doch
Deutschland scheint sich am wohlsten damit zu fühlen, dass der FC Bayern
sich jeweils drei bis fünf Jahre lang am selben Gegner abarbeitet. Ist den
Münchnern doch egal, ob der aktuelle Wadenbeißer gerade aus Mönchengladbach
kommt, aus Dortmund oder gar Bremen! Danach ist die Welt wieder im Lot, und
die Kontrahenten brauchen Jahre, manchmal gar Jahrzehnte und etliche
Abstiege und Finanzkrisen, um sich von ihrem Bayernjägerjob wieder zu
erholen.
Kann sich eigentlich noch jemand erinnern, wann der HSV oder der 1. FC Köln
zum letzten Mal Deutscher Meister war? Na gut, das geschah in einem
vergangenen Jahrtausend. Da kann man schon mal durcheinanderkommen.
## Müller-Wohlfahrt und das Saisonende
Wenn Sie sich sicher sein wollen, ob der alte Kerl aus Ihrem Haus noch im
selben Teil der Realität lebt wie Sie und die Mehrheit der Gesellschaft,
dann schleichen Sie sich bei Gelegenheit einfach vorsichtig von hinten an
ihn heran. Singen Sie unbegründet fröhlich: „Jung, Schwung, Stimmung …“
Antwortet er lachend: „Joghurette!“, dann wird der Nachbar wahrscheinlich
noch den nächsten Weihnachtsbaum schmücken dürfen. Schenken Sie ihm bei
Gelegenheit eine Schachtel Lux Filter oder eine Packung Russisch Brot. Dann
freut er sich. Und wer weiß? Vielleicht ist ja auch noch ein bisschen Platz
in seinem Testament?
Aber zurück zum Thema. Bis zur Weihnachtspause tut sich in der Bundesliga
eigentlich gar nichts Besonderes. Die Bayern ziehen zehn oder 20 Punkte
weit weg. Dann bekommen Sie Probleme. Nichts wirklich Ernsthaftes, aber
immerhin: Ab dem Achtelfinale kann man nicht mehr in jedem Turnier mit
einer B-Mannschaft auflaufen. Wer nun nicht mehr berücksichtigt wird,
bereitet sich in der Praxis von Dr. Müller-Wohlfahrt auf die kommende WM
vor.
Und dann, Ende April, ist wieder eine Saison vorbei.
22 Apr 2018
## AUTOREN
Knud Kohr
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