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# taz.de -- Die Wahrheit: Sie da! Ja, Sie! Sie als Frau!
> „Mitmeinen“ leicht gemacht – jetzt gibt es als Steigerung des
> mitfühlenden Liberalismus das neue Generöse Maskulinum.
Bild: Ein Symbolbild für die Kluft zwischen Mann und Frau
Stellen Sie sich bitte folgende Szene vor. Drei Programmierer gehen nach
der Arbeit noch was trinken. Zwei bestellen Bier, der dritte ein Wasser.
Gucken die ersten beiden den Dritten fragend an. Was’n das? Tja, sagt der
Dritte, ich trink gerade keinen Alkohol, ich bin schwanger. Na, welches
Geschlecht war hier wohl mitgemeint?
Die richtige Antwort lautet selbstverständlich: einfach alle, die es gibt.
Ja, es kann so einfach sein. Statt Klammern, Schrägstrichen, Gaps und
Sternchen kann man einfach die männliche Form benutzen. Mehr Inklusion geht
wirklich nicht.
Im Sinne einer semantischen Sharing Economy liegt das mitmeinende Sprechen
derzeit voll im Trend. Nach Mitfahr- und Mitwohn- jetzt eben die
Mitmeinzentrale. Es wohnt diesem Mitmeinen etwas zutiefst Großherziges
inne, es ist die Steigerung des mitfühlenden Liberalismus (Christian
Lindner), weswegen es in der Grammatik gern als das „Generöse Maskulinum“
bezeichnet wird.
Doch hoppla, fragt da der Sprachpurist (m/w) in uns. Was heißt hier Trend?
Was zur Hölle ist denn daran neu? Sprechen wir nicht schon immer genau so?
Jein. Zwar sprechen wir schon immer genau so, es war aber früher niemand
mitgemeint. Der Deutsche an sich, in seiner Rolle als Dichter und Denker,
als Richter, Henker oder Banker verstand sich ehedem als ein exklusiv
männlicher welcher. Erst nachdem in jüngerer Zeit manche von uns
versehentlich gegen ein steil aufragendes Binnen-I gelaufen oder in einen
jäh aufklaffenden Gender-Gap gestolpert sind, fällt auf, dass Sprache etwas
mit Realität zu tun haben könnte.
Doch zu viel Realität ist immer anstrengend, sprachlicher Wandel auch, und
so ersann der Verein für bessere Lesbarkeit e.V. in geradezu
Heidegger’scher Sprachgewalt die Seinsform des Mit-Gemeint-Seins – wobei
dieser Verein nur ausgedacht ist, es würde aber niemanden wundern, wenn es
ihn wirklich gäbe.
Wichtigster Kronzeuge (w) aller stets mitmeinenden Männer ist jedoch die
Ich-als-Frau-Frau. „Ich als Frau fühle mich mit gemeint“, sagt die
Ich-als-Frau-Frau. „Ich als Frau habe überhaupt kein Problem damit.“
Die Ich-als-Frau-Frau ist gleichsam die Zahnarztgattin der Konservativen
Revolution. Sie macht auf bestechende Weise deutlich, dass Gender
Mainstreaming, Geschlechterquoten und all das in keiner Weise irgendwelche
gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen berühren, sondern einzig und
allein Frauensache sind. Genau wie das Kinderkriegen, -erziehen und
-mit-dem-Beruf-Vereinbaren. Sie (w) steht lächelnd am Herd, wenn der Mann
von der Arbeit heimkommt und ihr einen aufmunternden Klapps auf den Po
gibt. Mitmeinen – das ist „hygge“, das ist Heimat und Geborgenheit, das i…
so richtig Deutschland 2018.
Sollten Sie als Leserin (m/w) sich durch diesen Text jetzt irgendwie nicht
repräsentiert fühlen – macht nichts, Sie sind trotzdem mitgemeint, da
werden Sie gar nicht gefragt. Das ist ja das Schöne am Mitgemeintsein. Ob
Sie wollen oder nicht.
27 Apr 2018
## AUTOREN
Christian Linker
## TAGS
Sprache
Geschlechter
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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