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# taz.de -- Wegen „südländischen“ Aussehens?: Edeka-Filiale wirft Lehrer …
> Eine Edeka-Filiale in Hannover hat einen Lehrer hinausgeworfen, obwohl
> der nichts gestohlen hatte. Der sieht darin eine rassistische
> Diskriminierung.
Bild: Dienstags Wurst, Freitags Rassismus? Der Edeka-Mark in Hannover
Hannover taz | Wenn Samuel Thelen* an den Moment im Supermarkt zurückdenkt,
steigt noch immer ein Gefühl von Scham und Wut in ihm auf. Am Freitag, den
23. März, wollte er nur schnell einen Bund Tulpen und eine Flasche
Allzweckreiniger im Edeka in der Burgwedeler Straße in Hannover kaufen.
Stattdessen sieht es sich an diesem Tag als Opfer einer rassistischen
Diskriminierung. Edeka bestreitet das.
Thelen ist oft in dem Geschäft, weil sein Lebenspartner in der Nähe wohnt.
In dieser Woche ist es das dritte Mal. Der Markt ist alt und eng, ein
Backsteinbungalow. Vor dem Eingang stehen dicht an dicht Blumentöpfe für
den Garten. Drinnen stapeln sich die Waren in den Regalen. Die Gänge sind
eng. Überall liegt und steht etwas.
Thelen hatte keine Eile. Aber auf seinem Weg durch den Laden merkte er,
dass ihm ein Mitarbeiter folgte. „Das hat mich ein bisschen nervös
gemacht“, sagt der 27-Jährige. Er suchte nicht länger nach den Putztüchern,
die er brauchte, und ging mit seinem Korb zur Kasse. „Im Mittelflur fing
mich der Mitarbeiter ab“, erinnert sich Thelen. Der Mann habe ihm gesagt,
dass er jetzt besser den Supermarkt verlasse.
„Ich war völlig perplex, weil ich gar nicht wusste, was der von mir
wollte.“ Thelen öffnete seinen schwarzen Mantel, um zu beweisen, dass er
nichts geklaut habe. Nach mehrfachem Nachfragen, was der Grund für den
Rauswurf sei, habe der Mitarbeiter dann gesagt, Thelen habe die Taschen
älterer Kunden ausgespäht, um sie zu bestehlen.
„Es war zutiefst unangenehm, weil das Gespräch mitten im Supermarkt vor
allen Leuten stattfand“, sagt Thelen. Der Mitarbeiter habe sich nicht
beirren lassen, mehrfach wiederholt, dass Thelen nun gehen solle und auch
nicht darauf gehört, als Thelen ihm sagte, dass er verbeamteter Lehrer sei
und kein Taschendieb. „Ich habe dann meinen Korb hingeworfen und bin
gegangen“, sagt Thelen.
Doch damit war die Geschichte nicht vorbei. Denn der 27-Jährige holte sich
Hilfe und kam mit seinem Lebenspartner und dessen Mutter wieder in die
Filiale, um den Vorfall aufzuklären. „Es ist verleumderisch, mir zu
unterstellen, ich würde alte Leute beklauen“, sagt er. Gerade für einen
Lehrer seien solche Gerüchte gefährlich. Thelen unterrichtet Deutsch und
Englisch an einer Gesamtschule in der Nähe von Hannover.
Thelen bohrte und bohrte. Er habe dann von den Mitarbeiter immer mehr
Informationen darüber bekommen, was zu dem Rauswurf geführt habe. Zunächst
habe es geheißen, dass er sich im Laden verdächtig verhalten habe. Der Sohn
eines Ägypters und einer Deutschen ließ sich daraufhin die Videoaufnahmen
im Büro der Filiale zeigen. „Man sieht darauf, dass ich an einem
Einkaufswagen vorbeigehe, an dem eine Tasche hängt“, sagt Thelen. „Aber man
sieht noch nicht einmal, ob ich die Tasche angucke.“
## „Verdächtige Person“
Dann habe ein Mitarbeiter gesagt, dass schon eine Kollegin aus der
Gemüseabteilung gemeldet habe, dass eine verdächtige Person den Laden
betreten habe. „Da wurde ich aufmerksam“, sagt Thelen. Denn sein Verhalten
könne am Eingang nicht der Auslöser gewesen sein, sondern nur sein
Aussehen. Thelen hat dunkles Haar und einen dunklen Dreitagebart. Er trägt
eine Brille und in der Nase einen silbernen Ring. Wer will, kann in Thelens
Aussehen einen Migrationshintergrund hineininterpretieren.
Die Mitarbeiter haben später bestätigt, dass es ein Profil gebe, allerdings
keine weiteren Details genannt. „Der wusste, dass er sich um Kopf und
Kragen redet.“ Der Mitarbeiter habe sich zwar entschuldigt, gleichzeitig
aber gesagt, dass Thelen Verständnis haben müsse. Man müsse eben bei
einigen Kunden besser aufpassen. „Sie versuchen, das rassistische
Unterteilen der Kundschaft zu legitimieren“, ärgert sich Thelen. „Den
Fehler haben sie nicht eingesehen.“
Das werde auch daran deutlich, dass die Videoaufnahmen mittlerweile
gelöscht worden seien, obwohl er darum gebeten habe, sie zu erhalten.
„Wären belastende Dinge gegen mich darauf zu sehen, hätten sie die
Aufnahmen nicht gelöscht, um sich selbst zu schützen“, glaubt Thelen.
Mit der taz wollte der Filialinhaber Halil A. tagelang nicht sprechen. Er
schickte stattdessen eine Stellungnahme an die Edeka-Zentrale
Minden-Hannover. Dort sieht man in dem Vorfall keine Diskriminierung. „Es
war eine falsche Einschätzung eines Kundenverhaltens und somit lag auch
kein böser Wille oder eine Absicht vor“, sagt Pressesprecherin Alexandra
Antonatus. Die Mitarbeiter hätten sich mehrfach bei Thelen entschuldigt und
in dieser Woche werde es ein persönliches Gespräch mit ihm geben. „Mehr
kann man nicht tun“, sagt Antonatus.
Videoaufnahmen würden regulär nach einiger Zeit gelöscht. Zudem habe sie
sich der Kunde ansehen dürfen. Die Fehleinschätzung des Mitarbeiters
erklärt sie so: An dem Tag habe das Team bereits einen Taschendiebstahl
verhindert. Deshalb seien die Mitarbeiter sensibler gewesen. Den Vorwurf,
Thelen sei wegen seines Aussehens als verdächtig eingestuft worden, weist
Antonatus zurück. „Wir haben keine Profile, nach denen Kunden bei Edeka
beurteilt werden.“ Man halte sich nicht nur an das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz (AGG), der Filialinhaber habe einen
Migrationshintergrund. „Der würde rassistische Diskriminierungen nicht
akzeptieren.“
## Immer wieder Fälle von Racial Profiling
Die Antidiskriminierungsstelle der Stadt kennt ähnliche Fälle in Hannover:
In den vergangenen Jahren habe es mehrere Beschwerden über Racial Profiling
durch Sicherheitskräfte in Kaufhäusern und Supermärkten gegeben, sagt
Stadtsprecherin Michaela Steigerwald. Racial Profiling liegt vor, wenn eine
Person aufgrund von Kriterien wie ethnischer Zugehörigkeit oder Religion
als verdächtig eingestuft wird.
„Die Betroffenen fühlten sich auch in diesen Fällen bloßgestellt,
drangsaliert und diskriminiert.“ Die Antidiskriminierungsstelle rät in
einer solchen Situation, ruhig zu bleiben, sich nach den Namen der
Beteiligten zu erkundigen, andere Kunden als Zeugen hinzuzuziehen und ein
Gedächtnisprotokoll anzufertigen. Denn auf Basis des AGG können Betroffene
gegen die Diskriminierung klagen und eventuell eine Entschädigung bekommen.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes prüfe, ob das AGG angewendet
werden könne, so Steigerwald.
Thelen will das Gespräch mit der Edeka-Zentrale abwarten, bevor er
entscheidet, wie es weitergeht. „Gegebenenfalls werde ich weitere Schritte
einleiten, wenn wieder nur so ein halbgares Abwimmeln dabei herauskommt.“
Bisher seien die Mitarbeiter in der Zentrale aber bemüht gewesen.
*Name geändert
16 Apr 2018
## AUTOREN
Andrea Scharpen
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Diskriminierung
Racial Profiling
Schwerpunkt Rassismus
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Diskriminierung
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