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# taz.de -- Ermittlungsverfahren gegen Blogger: Fakenews wohl nicht strafbar
> Nach der erfundenen Story über einen Terroranschlag in Mannheim wurde die
> Staatsanwaltschaft aktiv – wohl etwas voreilig.
Bild: Mannheim – die Stadt, in der laut Blogger Prothmann, Terrorgefahr beste…
Hardy Prothmann, der Herausgeber des [1][Rheinneckarblogs], muss sich keine
großen Sorgen machen. Das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen
„Störung des öffentlichen Friedens“ wird wohl ergeben, dass Prothmann sich
nicht strafbar gemacht.
Am Sonntag früh um 3.47 Uhr veröffentlichte der Rheinneckarblog den aktuell
wirkenden Bericht „Massiver Terroranschlag in Mannheim“. Dort hieß es,
fünfzig Dschihadisten hätten sich in Zweier-Teams in der Innenstadt unter
Festbesucher gemischt und mit Macheten 136 Menschen getötet, darunter elf
Polizisten. „Überall in den Straßen liegen leblose Körper auf dem Boden. In
der Luft liegt der Geruch von Blut. Verletzte schreien oder betteln um
Hilfe.“ Doch die Polizei habe schon einzelne „sichere Orte“ eingerichtet.
Blog-Herausgeber Prothmann rechtfertigte die Veröffentlichung der
„fiktionalen Story“, er habe damit eine Diskussion über Terrorgefahren in
Mannheim erzwingen wollen.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat am Mittwoch jedoch ein
Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Sie hat den Anfangsverdacht,
dass Prothmann gegen Paragraph 126 Absatz 2 des Strafgesetzbuches verstoßen
habe. Danach macht sich strafbar, „wer in einer Weise, die geeignet ist,
den öffentlichen Frieden zu stören, wider besseres Wissen vortäuscht, die
Verwirklichung einer der in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Taten stehe
bevor.“ Gemeint ist etwa die Vortäuschung bevorstehender Morde oder
Brandstiftungen.
## Aufklärung hinter Bezahlschranke
Die Strafvorschrift spielte in der Praxis bisher keine große Rolle, erst
recht nicht gegenüber Journalisten. Denn die Anforderungen sind recht hoch.
So ist es demnach nur strafbar, wenn bevorstehende Taten vorgetäuscht
werden, nicht bereits stattgefundene Verbrechen. Auch der Rheinneckarblog
hat über ein Blutbad geschrieben, das angeblich bereits vier Stunden vorher
stattgefunden hatte. Schon deshalb hat sich Prothmann nicht nach Paragraph
126 strafbar gemacht.
Fraglich ist auch, ob der Blog überhaupt etwas „vorgetäuscht“ hat. Auf den
ersten Blick liegt der Gedanke zwar nahe. Denn die Schilderung ist
detailreich und im Stil eines Nachrichtentextes gehalten. Erst im Abspann
wird erklärt, dass es sich hier um „einen wilden Mix von Fakten und
Fiktion“ gehandelt habe. Doch dieser Abspann lag hinter einer
Bezahlschranke, die man nur wegklicken konnte, wenn man sich zumindest
registrierte.
Und Prothmann räumt selbst ein, dass an jenem Sonntag von 10.000 Lesern
kein einziger die (kostenlose) Registrierung genutzt hat. Allerdings
deutete schon der letzte noch lesbare Satz vor der Bezahlschranke auf
Fakenews hin. „Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, hatten Sie den Eindruck,
dass Sie gut informiert worden sind. Das sind Sie. Über mögliche
Entwicklungen“.
## Polizei wurde verständigt
Außerdem hatte der Blog im Artikel mehrere Namen verfremdet, um anzudeuten,
dass der Text nicht in der realen Welt spielt. So wurde Baden-Württembergs
Ministerpräsident als „Siegfried Kretschmann“ bezeichnet, obwohl er den
Vornamen „Winfried“ trägt. Und der bekannte Mannheimer Platz „Tattersall…
wurde zum „Tattersaal“ umbenannt. Auch wenn das sicher nicht alle Leser
bemerkt haben, so dürfte Prothmann wohl kein Täuschungsvorsatz nachzuweisen
sein. Ihm genügte die Empörung und die Aufmerksamkeit, die die Aktion
anschließend auslöste.
Letztlich war der erfundene Bericht ohnehin nicht „geeignet, den
öffentlichen Frieden zu stören“. Prothmann hat ihn bewusst mitten in der
Nacht veröffentlicht, wenn er eh kaum gelesen wird. Zudem hat Prothmann
auch wenige Minuten nach der Veröffentlichung das Mannheimer Polizeirevier
informiert – damit die Polizisten verunsicherte Bürger beruhigen können.
Die Polizei twitterte denn auch, dass es sich hier nur um einen „erfundenen
Text“ handele. Prothman baute den Polizei-Tweet um 5.56 h zwar
perfiderweise als Beweis für eine staatliche Nachrichtensperre in den Text
ein. Doch darunter schrieb er: „Polizei Mannheim reagiert sofort auf
unseren Hinweis – die Story ist Gonzo, also Fakenews.“
Das Ermittlungsverfahren wird also wohl bald eingestellt werden. Dass es
überhaupt eröffnet wurde, ist geradezu erstaunlich.
30 Mar 2018
## LINKS
[1] https://rheinneckarblog.de/
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Fake News
Mannheim
Blogger
Terrorgefahr
Fake News
Willkommenskultur
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