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# taz.de -- Milliardenpoker um Cannabis-Anbau: Erstmal keine legalen Grasplanta…
> Die Produktion von Hanf zu medizinischen Zwecken ist erst einmal gekippt.
> Bei der Ausschreibung wurde offenbar geschlampt.
Bild: Die Pflanzen stehen – zumindest in Wien
DÜSSELDORF taz | Es ist ein Milliardengeschäft, legalisiert vom Bundestag:
Seit März 2017 erlaubt ein Gesetz Kranken den Konsum von Cannabis zu
medizinischen Zwecken, etwa bei der Bekämpfung von Tumorschmerzen oder
Gewichtsverlust durch HIV-Infektionen. Gedeckt werden soll der Bedarf aus
inländischer Produktion: In „gesicherten Indoor-Plantagen“ soll künftig
tonnenweise Marihuana „made in Germany“ geerntet werden.
Investoren und Firmen wie die eigens gegründete Canyon GmbH oder auch der
renommierte Pharmahersteller Pohl-Boskamp („Gelomyrtol“) wittern deshalb
das Geschäft der Zukunft. Doch am Mittwoch hat der Vergabesenat des
Oberlandesgerichts Düsseldorf den tonnenweisen Anbau von Medizinalhanf erst
einmal gekippt – dabei sollte schon 2019 die erste deutsche Ernte
eingefahren werden.
Gleich vier Klagen anbauwilliger Firmen gegen das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte der Senat unter Vorsitz von
Richter Heinz-Peter Dicks zu verhandeln. Denn: Die BfArM-„Cannabisagentur“
hat beim Ausschreibungsverfahren offenbar geschlampt. Erst auf Nachfrage
interessierter Unternehmen stellten die Beamten am 19. Mai 2017 klar, dass
sie Erfahrung im Marihuana-Anbau für unverzichtbar halten – die kann
aufgrund der bisherigen Einstufung von Gras als Rauschgift natürlich keine
einzige deutsche Firma nachweisen.
Zwar dürfe ersatzweise auch ein „Eignungsgeber“, also ein im Grasanbau
erfahrener Partner aus dem Ausland präsentiert werden, so das BfArM
großzügig. Doch um den zu finden, hätten die Cannabis-Möchtegerns im
schlechtesten Fall nur „acht Tage Zeit“ gehabt, rügte Richter Dicks schon
Stunden vor der Urteilsverkündung in einer ersten rechtlichen Wertung – die
Bewerbungsfrist lief bis zum 1. Juni.
„Ich verstehe die Bundesagentur nicht“, wurde Dicks deutlich: „Wenn ich so
etwas vorhabe wie den Anbau von Cannabis, gehe ich doch den sichersten
Weg.“ Erkläre das Gericht die Frist für zu kurz, kippe damit das gesamte
Ausschreibungsverfahren, warnte die Anwältin des Bundesinstituts, Heike
Glahs, dagegen fast hilflos. Damit sei 2019 als Termin für die erste
deutsche Cannabis-Großernte nicht zu halten. Und das sei „für die
Versorgung der Patienten sehr schlecht“.
## Warnung vor Engpässen
Schon heute ist klar, dass der Bedarf weit größer ist als vom BfArM
angenommen. „Das Bundesinstitut rechnet ab 2021 mit zwei Tonnen pro Jahr“,
so der Geschäftsführer des Deutschen-Hanfverbands, Georg Wurth, zur taz –
dabei sei diese Menge schon in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres
verbraucht worden.
Von Engpässen warnt der Marihuana-Lobbyist – denn auf dem Weltmarkt sei
Medizinalhanf zumindest tonnenweise schwer zu bekommen: „Die Niederlande
fahren ihre Exporte zurück, Kanada steht vor der vollständigen
Legalisierung von Gras.“
Bereits heute ist deshalb klar, dass weitere Verfahren, etwa um die vom
BfArM festzulegenden Preise, anstehen. Schon in Düsseldorf waren die
Besucherbänke voll mit Vertretern potenzieller Cannabis-Produzenten.
Allerdings sollen von 118 interessenten Firmen maximal 10 die Lizenz zum
Plantagenbetrieb erhalten.
Dieser sei „zwar extrem aufwendig“, sagt ein Investor, der anonym bleiben
will. „Sie müssen unter Bedingungen produzieren, unter den Banken Geld
lagern – und dabei Luft und Wasser zuführen.“ Allerdings: Das hiesige
Marktpotenzial liege bei etwa 600.000 Patientinnen. Wenn alle nur ein Gramm
Marihuana zu Preisen von 18 bis 20 Euro konsumieren, geht es um
Jahresumsätze von dreieinhalb Milliarden Euro – und mehr.
28 Mar 2018
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Cannabis
Legalisierung Marihuana
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