# taz.de -- Sexismus im American Football: Fremdbestimmte Intimfrisur | |
> NFL-Klubs erlegen Cheerleaderinnen diskriminierende Regularien auf. Eine | |
> Ehemalige reicht nach ihrer Entlassung jetzt Beschwerde ein. | |
Bild: Gute Laune versprühen zum Hungerlohn: Cheerleader werden diskriminiert u… | |
NEW YORK taz | Als die Reporterin der New York Times, Deborah Acosta, im | |
Jahr 2011 als erste einen Artikel über die Arbeitsbedingungen der | |
Cheerleader im amerikanischen Profisport veröffentlichte, war die Resonanz | |
eher gedämpft. Das sei ja alles ganz spannend, sagte ein altgedienter | |
Fernsehreporter, aber interessiere das wirklich irgendwen außer Acosta | |
selbst? | |
Die Zeiten haben sich seitdem geändert. Seit der #MeToo-Debatte hat die | |
Öffentlichkeit eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne für die Situation von | |
Frauen in der Arbeitswelt entwickelt. Nicht einmal der Sport ist mehr immun | |
dagegen, sich Fragen zu Diskriminierung und Gleichberechtigung anhören zu | |
müssen. | |
So dominierte in dieser Woche des im Schnee ausgerutschten | |
Baseball-Saisonstarts ein kurioser Fall aus dem American Football die | |
Sportschlagzeilen. Nach ihrer Entlassung von den New Orleans Saints reichte | |
die Cheerleaderin Bailey Davis bei der Bundesbehörde für Gleichberechtigung | |
am Arbeitsplatz eine Beschwerde gegen den Football-Klub ein. | |
Davis bestreitet nicht, dass sie gegen Klub-interne Regeln verstoßen hat. | |
Doch das enge Regelkorsett, das die Cheerleader verpasst bekommen, so | |
argumentiert die Tänzerin, stelle nichts anderes dar, als die | |
Festschreibung einer schweren Ungleichbehandlung von Frauen. | |
## Überregulierung von Frauenkörpern | |
Davis hatte auf ihrem Instagram-Account ein Foto von sich in Unterwäsche | |
gepostet. Laut der Saints-Organisation war dies ein zweiter Verstoß gegen | |
die Hausordnung gewesen, nachdem Davis Gerüchten zufolge gemeinsam mit | |
Spielern eine Party besucht habe. | |
Cheerleader haben bei den New Orleans Saints wie bei vielen anderen Klubs | |
strenge Distanz zu den Spielern zu halten. Wenn ein Spieler in der gleichen | |
Bar auftaucht, in der sich eine Cheerleaderin aufhält, muss die | |
Cheerleaderin nach Hause gehen. Wenn der Spieler zuerst da ist, hat die | |
Cheerleaderin ebenfalls zu gehen. Ähnliche Regeln gelten für soziale Medien | |
– die Last der Kontaktvermeidung liegt alleine bei den Frauen. | |
An diesem Ungleichgewicht stört sich Davis gewaltig. „Das antiquierte | |
Klischee, dass die Frauen sich zu ihrem eigenen Schutz zu verstecken haben, | |
hat in der Arbeitswelt Amerikas nichts zu suchen“, sagt denn auch Sara | |
Blackwell, die Anwältin von Bailey Davis. Die Überregulierung von | |
Frauenkörpern in den Football-Klubs macht jedoch nicht bei den | |
Dating-Vorschriften halt. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, sind | |
die Cheerleader einer Litanei an Vorschriften ausgesetzt, die man nicht | |
anders als übergriffig bezeichnen kann. | |
Zu den Anweisungen gehören Restriktionen beim Tragen von Schmuck, | |
Regularien für die Intimrasur sowie für das Tragen von Tampons. Cheerleader | |
werden angehalten, ein bestimmtes Gewicht einzuhalten, Überschreitung der | |
individuellen Grenze kann zur Kündigung führen. | |
## Herabwürdigende Behandlung für 5 Dollar die Stunde | |
Das alles passt ins Bild einer rundum herabwürdigenden Behandlung der | |
Tänzerinnen, deren akrobatische Auftritte bei den Spielen zu den | |
Hauptattraktionen im Show-Programm gehören. So klagten Cheerleader der | |
Buffalo Bills, dass sie vorm Spiel persönlich Kalender mit ihren Abbildern | |
an die Fans verkaufen mussten und sich dabei von den oft angetrunkenen | |
Anhängern begrapschen und belästigen lassen mussten. | |
Für all das und für das harte Training, dem sich die Cheerleader für die | |
Darbietungen unterziehen müssen, verdienen sie oft weniger, als wenn sie | |
bei McDonalds servieren würden. Im Durchschnitt bekommen die Cheerleader | |
zwischen 75 und 150 Dollar pro Spiel, Training, Anreise und Vorbereitung | |
werden nicht angerechnet. Der reale Lohn liegt demgemäß oft bei vier bis | |
fünf Dollar pro Stunde. | |
Dabei ist es ihnen nicht einmal erlaubt, ihre Erfahrung als | |
NFL-Cheerleader, die immerhin in der Branche eine Elite darstellen, weiter | |
zu vermarkten. Das Benutzen des Teamnamens außerhalb des Stadions ist ihnen | |
strikt untersagt. | |
Immerhin haben sich Teams wie die Oakland Raiders und die Tampa Bay | |
Bucaneers unter Androhung von Zivilklagen wegen Unterschreitung des | |
gesetzlichen Mindestlohns jüngst zu Nachzahlungen bewegen lassen. Das | |
Problem der Ausbeutung bei gleichzeitiger Herabwürdigung der Cheerleader | |
ist damit jedoch noch lange nicht gelöst. | |
Deshalb freuen sich viele, dass Bailey Davis nun das Thema auf die | |
nationale Agenda gesetzt hat. „Sie tut das Richtige“, sagte Ryan Stephan, | |
der Anwalt, der die Cheerleaderin Lauren Herington in ihrer Klage um fairen | |
Lohn vertreten hatte. „Das ist ein riesiges Thema. Es wird dringend Zeit, | |
dass da etwa geschieht.“ | |
5 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Moll | |
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