# taz.de -- Nach Vergiftung eines Ex-Spions: Russland lässt Ultimatum verstrei… | |
> Die russische Botschaft in London will die britischen Forderungen zur | |
> Aufklärung so lange ignorieren, bis Russland Proben des verwendeten | |
> Nervengifts erhält. | |
Bild: Will nicht auf die britischen Forderungen eingehen: Die russische Botscha… | |
LONDON/MOSKAU dpa | Gefährliches Kräftemessen zwischen Moskau und London: | |
Russland hat das britische Ultimatum nach dem Giftanschlag auf den | |
Ex-Doppelagenten Sergej Skripal zurückgewiesen und ebenfalls Konsequenzen | |
angekündigt. „Jegliche Drohungen, Russland mit Strafmaßnahmen zu belegen, | |
werden nicht unbeantwortet bleiben“, [1][teilte das Außenministerium am | |
Dienstag in Moskau mit]. Darauf müsse sich Großbritannien gefasst machen. | |
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte: „Russland ist nicht | |
schuldig.“ Er forderte einen kompletten Zugang zu den Ermittlungen und zu | |
den verdächtigen Proben, um eine eigene Analyse der verdächtigen Substanz | |
vorzunehmen. Moskau habe bereits eine offizielle Anfrage dazu gestellt. | |
Russland sei bereit, mit Großbritannien auf der Ebene der Organisation für | |
das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zusammenzuarbeiten, sagte Lawrow. | |
Russland hat nach eigener Darstellung alle Chemiewaffen zwischen 2002 und | |
2017 vernichtet. Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen habe dies | |
bezeugt, teilte das Industrieministerium in Moskau mit. | |
Skripal und seine Tochter Yulia waren am 4. März bewusstlos auf einer | |
Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie | |
befinden sich in einem kritischen Zustand. Bei dem Attentat war das in der | |
früheren Sowjetunion produzierte, extrem gefährliche Nervengift Nowitschok | |
verwendet worden. Die Ermittlungen in dem Fall werden nach Polizeiangaben | |
viele Wochen dauern. | |
Innenministerin Amber Rudd kündigte an, dass etwa 14 Todesfälle in | |
Großbritannien mit einer möglichen Verbindung nach Russland erneut | |
untersucht werden. Die Fälle reichen teils mehr als zehn Jahre zurück. | |
Darunter sind auch prominente Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir | |
Putin, etwa der Oligarch Boris Beresowski. | |
## Rückendeckung aus Deutschland, Frankreich und den USA | |
Ein Vertrauter Beresowskis, der Geschäftsmann Nikolai Gluschkow, wurde | |
jetzt tot in seinem Haus in London entdeckt. Die Todesursache war am | |
Dienstag noch unklar. Die Anti-Terror-Polizei übernahm aber vorsichtshalber | |
die Ermittlungen, sieht aber derzeit keine Verbindung zu dem Attentat in | |
Salisbury. 2004 war er in Russland zu drei Jahren und drei Monaten Haft | |
nach Vorwürfen von Betrug und Geldwäsche verurteilt worden. 2010 erhielt er | |
in Großbritannien Asyl. | |
Premierministerin Theresa May hatte am Montagabend erklärt, dass aller | |
Wahrscheinlichkeit nach Russland hinter dem Anschlag stecke. Moskau sollte | |
sich binnen 24 Stunden gegenüber der Organisation für das Verbot chemischer | |
Waffen (OPCW) erklären. Ansonsten drohten Konsequenzen, die May aber nicht | |
näher ausführte. Das Ultimatum läuft am Mittwochmorgen um 01:00 Uhr ab. | |
Rückendeckung erhielt Großbritannien aus Deutschland, Frankreich, den USA | |
und von der Nato. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den | |
Anschlag aufs Schärfste. In einem Telefonat mit May betonte Merkel, sie | |
nehme die Einschätzung der britischen Regierung „außerordentlich ernst“. | |
US-Präsident Donald Trump sagte laut einer Mitteilung des Weißen Hauses in | |
einem Telefonat mit May, Russland müsse unzweideutige Antworten auf die | |
offene Fragen geben, wie die in Russland entwickelte chemische Waffe in | |
Großbritannien habe eingesetzt werden können. | |
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nannte den Einsatz von jeglichem | |
Nervengift „vollkommen inakzeptabel“. Der ehemalige Nato-Generalsekretär | |
Anders Fogh Rasmussen sagte der Bild-Zeitung: „Die freie Welt muss Putin | |
zeigen, dass diese feindlichen Taten ernste Konsequenzen haben (…)“. | |
May sprach mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron über | |
„das breite Muster aggressiven russischen Verhaltens“, auf das gemeinsam | |
mit den Verbündeten geantwortet werden soll. Macron verurteilte den | |
Giftanschlag als einen „nicht hinnehmbaren Angriff“. Auch die EU-Kommission | |
Großbritannien sagte Solidarität zu. | |
## Schwer nachzuweisendes Nervengift | |
Mays Ansicht nach gibt es nur zwei mögliche Erklärungen für das Attentat: | |
Entweder habe Moskau den Anschlag direkt ausgeführt oder die russische | |
Regierung habe die Kontrolle über das Nervengift verloren und es sei in | |
andere Hände gelangt. Der russische Botschafter in London wurde in das | |
Außenministerium einbestellt. | |
Wie May äußerte sich der im Exil lebende russische Ex-Oligarch Michail | |
Chodorkowski. „Putin hat dies angeordnet oder – auch das ist möglich – | |
Putin hat die militärischen Geheimdienste nicht mehr unter Kontrolle“, | |
sagte dem ZDF „heute journal“. Die Nowitschok-Serie zählt zu den | |
gefährlichsten Nervengiften überhaupt und kommt in etwa 100 Varianten vor. | |
Es ist nur schwer nachzuweisen. | |
Ein „absolutes Hirngespinst“ nannte Leonid Sluzki, Vorsitzender des | |
Duma-Komitees für internationale Angelegenheiten, die Vorwürfe aus | |
Großbritannien. Möglicherweise wolle London die russische Präsidentenwahl | |
beeinflussen. Für den Ex-Chef des russischen Geheimdienstes FSB, Sergej | |
Stepaschin, könnte die Fußball-WM im Sommer in Russland ein Grund für die | |
Vorwürfe sein. „Die Briten hassen uns einfach für die Tatsache, dass die | |
Meisterschaft in unserem Land stattfindet.“ | |
Unklar ist, welche Sanktionen Großbritannien plant. May hat damit gedroht, | |
keine Regierungsvertreter zur Fußball-Weltmeisterschaft zu schicken. | |
Britische Medien wie die „Times“ halten eine Cyberattacke auf den Kreml für | |
möglich. Eine andere Maßnahme könnte die Ausweisung von Diplomaten sein. | |
Auch finanzielle Maßnahmen gegen Oligarchen, die Immobilien in London | |
besitzen, seien denkbar. | |
Skripal soll den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 über russische Agenten | |
in Europa informiert haben. 2004 flog der ehemalige Oberst des russischen | |
Militärgeheimdienstes GRU auf und wurde festgenommen. Er wurde zu 13 Jahren | |
Lagerhaft verurteilt. Im Rahmen eines Gefangenenaustauschs kam er 2010 nach | |
Großbritannien. | |
Der Fall erinnert an den Mord an dem Ex-Agenten und Kremlkritiker Alexander | |
Litwinenko, der 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde. | |
Die Spuren der Täter führten auch nach Moskau. | |
13 Mar 2018 | |
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[1] https://twitter.com/RussianEmbassy/status/973611069687156736 | |
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