| # taz.de -- Verletzungsmisere der Tenniselite: Die Leiden des ewigen Comebacks | |
| > Die weltbesten Tennisspieler klagen immer mehr über physische Probleme. | |
| > Die extreme Belastung zwingt sie zu langen Pausen. | |
| Bild: Fast schon in Trance: Novak Djokovic beim Aufschlag gegen Benoit Paire | |
| Wenn Roger Federer an seinen Australian-Open-Sieg 2017 zurückdenkt, kann er | |
| sich auch heute noch mühelos begeistern: „Es war der unglaublichste Erfolg | |
| meiner Karriere. Kein Titelgewinn war emotionaler für mich“, sagt der | |
| Schweizer Maestro. Alles an jenem Triumph war verblüffend: die Tatsache, | |
| dass er knapp fünf Jahre nach seinem letzten Grand-Slam-Coup wieder eins | |
| der überragenden Major-Turniere gewinnen konnte, im zarten Alter von damals | |
| 35 Jahren. Aber mehr noch dieser sagenhafte Sprint von null auf hundert, | |
| der Sieg direkt aus einer halbjährigen Verletzungspause heraus, gleich beim | |
| ersten bedeutenden Arbeitseinsatz. | |
| „Ganz ehrlich: Es gibt immer noch Tage, an denen ich denke: Ist das | |
| wirklich passiert. Oder träume ich das alles nur“, sagt der vierfache | |
| Familienvater, der gerade eine verschmerzbare Niederlage beim Masters in | |
| Miami einstecken musste. Er verlor zwar wieder die Nummer-1-Position in der | |
| Weltrangliste, aber wer – einschließlich Federer selbst – hätte gedacht, | |
| dass er überhaupt wieder zur Nummer 1 aufsteigen und seit dem Comeback drei | |
| Grand-Slam-Titel gewinnen würde. | |
| Dass Federers grandioser Wiedereinstieg aber keineswegs der Regelfall ist, | |
| zeigt der Blick auf einige seiner härtesten Konkurrenten der letzten Jahre. | |
| Topcracks wie Novak Djokovic, Stan Wawrinka oder auch Andy Murray hatten | |
| den radikalen Kurs des Eidgenossen nachgeahmt und sich wegen ihrer mehr | |
| oder minder schweren Verletzungen zu einer längeren Spielpause | |
| entschlossen, doch von einem ähnlichen Parforceritt wie Federer sind sie | |
| weit entfernt. Im Gegenteil: Gerade Djokovic, der marktbeherrschende | |
| Spieler der Jahre 2011 bis 2016, verzweifelt in der Frühphase der Saison | |
| 2018 an einer schweren Dauerkrise. | |
| Seit der 30-jährige Serbe vor anderthalb Jahren den letzten noch fehlenden | |
| Grand-Slam-Titel in Paris gewann, geht es schleichend bergab – teils wegen | |
| einer komplizierten Ellenbogenblessur, teils aber auch wegen eines | |
| nachhaltigen Motivationsdefizits, einer unausgesprochenen Sinnkrise. Beim | |
| Masters in Miami kassierte der „Djoker“ jetzt wie zuvor auch schon in | |
| Indian Wells eine bittere Auftaktniederlage, bei der 3:6- und 4:6-Abfuhr | |
| gegen den Franzosen Benoit Paire wirkte der Belgrader blass, uninspiriert, | |
| teils sogar lustlos. Offenbar hatte er seine physischen Möglichkeiten aufs | |
| Neue überschätzt. Eine Wettkampfpause, so notierte Experte Jim Courier, | |
| „hätte ihm sicher viel besser getan“. | |
| Djokovic steht mit seiner Malaise allerdings nicht allein da. Es ist | |
| kurios, aber wahr: Federer, der mit Abstand älteste unter den Elitespielern | |
| des Herrentennis, ist auch der einzige, der nicht über körperliche Probleme | |
| klagt. „Das randvolle Programm im Tennisjahr zehrt an den Stars“, sagt der | |
| ehemalige Weltranglisten-Erste Mats Wilander, „die Beanspruchung der Besten | |
| ist enorm.“ Auch Federers härtester Karriere-Rivale Rafael Nadal musste das | |
| Geschehen gerade mal wieder von der Seitenlinie verfolgen, eine Verletzung | |
| am sogenannten Hüftbeuger macht ihm zu schaffen. Nadal hatte 2017 zunächst | |
| ein ähnlich erfolgreiches Comeback wie Federer geschafft, doch da sein | |
| Spielstil physisch wesentlich anspruchsvoller und herausfordernder ist, | |
| litt er bereits im vergangenen Spätherbst aufs Neue an allerlei Wehwehchen. | |
| Bei der ATP-WM in London bestritt er schmerzverzerrt nur ein Match, gab | |
| danach auf. Nun will er angeblich zum Beginn der Sandplatzsaison | |
| zurückkehren. | |
| ## Wo ist das alte Selbstvertrauen? | |
| Der Mann, den Nadal 2017 als Weltranglistenersten ablöste, wird noch | |
| deutlich länger auf seinen ersten Einsatz nach Verletzungspein warten | |
| müssen. Nach einer lange aufgeschobenen, dann aber kurzerhand in Melbourne | |
| im Januar anberaumten Hüftoperation dürfte sich Andy Murray glücklich | |
| schätzen, zur Rasensaison zurückkehren zu können. Sicher ist das aber | |
| keineswegs. Und sicher ist auch nicht, ob der Schotte dann auch nur einen | |
| halbwegs vergleichbaren Einstieg wie weiland Federer in Melbourne schafft. | |
| „Es stellt sich immer die Frage, ob man das alte Selbstvertrauen, die | |
| nötige Zuversicht in den eigenen Körper findet“, sagt Beobachter John | |
| McEnroe, „Andys Spiel lebt auch von optimaler Fitness, einer besonderen | |
| Geschmeidigkeit und Beweglichkeit. Es wird ein sehr harter Weg für ihn.“ | |
| Ähnlich wie Murray hatte Stan Wawrinka zu Saisonbeginn einen ersten | |
| Comebackversuch unternommen. Doch die Mission Rückkehr war genau wie bei | |
| „Sir Andy“ bitter gescheitert. Schnell korrigierte der 32-jährige Schweizer | |
| seinen Zeithorizont für einen erfolgreichen Wiedereinstieg, sagte zudem die | |
| Teilnahme an den Masters-Wettbewerben in Indian Wells und Miami ab. Er | |
| müsse „Geduld haben“, so Wawrinka, „und es ist zwingend nötig, dem Kör… | |
| die nötige Zeit zu geben, die er braucht.“ Auch Wawrinka will zur | |
| Sandplatzsaison nun den nächsten Anlauf nehmen, jedenfalls ist das seine | |
| Absicht. | |
| Viele der Topleute könnten sich dann bei den Ascheplatzwettbewerben langsam | |
| wieder an den Wettkampf auf dem Centre Court herantasten – während der | |
| Meister aller Klassen, Roger Federer, eine entspannte, selbstgewählte | |
| Auszeit nimmt. So wie im letzten, meisterlich erfolgreichen, meisterlich | |
| durchgetakteten Tennisjahr. | |
| 28 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Jörg Allmeroth | |
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