| # taz.de -- Kolumne Jung und dumm: Zwischen Klapptisch und Rückenlehne | |
| > Es könnte so schön sein: Allein in der Deutschen Bahn, auf schneller | |
| > Fahrt. Doch dann steigt jemand ein mit Platzreservierung und tritt die | |
| > Hölle los. | |
| Bild: Lange im Zug? Tot sind deine enggestellten Beine, zerrüttet dein Kopf | |
| Grauenvolle Orte gibt es auf diesem Planeten. Solche, an denen dir glühende | |
| Läuse ins Hackfleisch gebrannt werden. An denen du dich fühlst wie ein | |
| stinkendes Klassenfahrtkind, das da nicht raus kann, aus diesem | |
| Klassenfahrtkindsein, und all die Jahre zwischendrin nur geträumt haben | |
| muss. | |
| Und dann gibt es die Bahn – Ort des Friedens und der Ruhe, nein, vielmehr | |
| der Vermittlung schnellster Bewegung und weichgepolstertsten Schwebens auf | |
| stahlhart dahinbetonierten, durch die Landschaft gerammten Schwung- und | |
| Sausepisten, der den Glauben an das Gute im Menschen nicht völlig in | |
| Vergessenheit geraten lässt. Schau auf die nord-hinter-alt-niedersächsische | |
| Berglandsverflachung, lies ein wenig in diskriminierenden DB | |
| Mobil-Titelinterviews und belohne dich für dein gutes Betragen mit einem | |
| Keks. | |
| All die Lackaffen mit ihrem Sänk-ju-for-Träweling-Scheißdreck, ihren öden | |
| Platzreservierungen, ihren wichtigtuerischen Abteilungsleiter-Lästereien | |
| und Ich-hab-es-doch-eh-schon-gewusst-Schnappatmereien, sobald es auch nur | |
| „fünf Minuten später“ heißt, all die nichtswürdigen und innerlich | |
| verfaulten, ganz normalen Ungeheuer, die diese Gesellschaft so unerträglich | |
| machen, sind zwar da – und du wünschst sie dafür in Hölle, Hautklinik oder | |
| auf die Autobahn –, aber sie können dir einfach nichts anhaben. | |
| Noch nicht. Denn der Zug wird voller. Bald ist es so weit: Mit der ihm | |
| eigenen Selbstverständlichkeit setzt ein solcher Mensch sich auf den Platz | |
| nebenan und macht deine Reise zur Qual. | |
| ## Platz räumen nach Mutters Art | |
| Beklommen stopfst du den Rucksack auf dich drauf, verteilst die mitgeführte | |
| Habe auf dem engen Klapptisch und „räumst“ den „Platz“, wie es Mutter | |
| gelehrt hat. Gleich einem verwundeten Vogel suchst du ängstlich nach Halt, | |
| denkst, es müsse doch ein Menschenrecht darauf geben, zwei Plätze im Zug zu | |
| besetzen, gerätst in Panik, bis dich Müdigkeit und Einsicht übermannen. Es | |
| kann nicht mehr schlimmer werden. | |
| Korrigiere: Es kann. Dass deine Mitbürger schrecklich sind, glaubtest du ja | |
| schon immer zu wissen; das Medium des Danebensitzens gibt dir endgültig | |
| Gewissheit. Meist ist er männlich und guckt online Brüste, worauf du mit | |
| demonstrativem „Manuel Neuer nackt“-Googling antwortest; er isst gebutterte | |
| Wurst und sieht aus wie ein böser Mensch, bereitet sich dann auf seinen | |
| wichtigen Termin mit der Kochtopfversicherung vor, wega dem er jetzt schonn | |
| mal die Bahn gnomme hot, weil des is ja an sisch gar net so schlescht. | |
| Oder er ist, schlimmer, Berufspendler, aber eben einer von der | |
| Arschloch-Sorte, den die langen Strecken, in Verbindung mit einem für das | |
| Schöne dieser Welt nicht empfänglichen Verhorntsein, zu einem Monster haben | |
| werden lassen, das nach vergammeltem Abflussrohr riecht. | |
| Kurz vor dem Zielbahnhof: Tot sind deine enggestellten Beine, zerrüttet | |
| dein Kopf, die Blase schmerzgequetscht. „Leider haben wir einen | |
| Triebkopfschaden und sind daher hier außerplanmäßig zum Halten gekommen“, | |
| sagt eine Durchsagerin. | |
| 27 Mar 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Adrian Schulz | |
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