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# taz.de -- Fund in der Wüste: Frauenpower und ein Dino
> Studentinnen aus der ägyptischen Provinz haben Knochen des Mansourasaurus
> ausgegraben. Sie liefern der Wissenschaft ein fehlendes Puzzleteil.
Bild: Studentinnen bei der Ausgrabung in der Wüste mit in Gips verpackten Fund…
Kairo taz | Es ist eine Geschichte, die muss man einfach erzählen. Denn es
ist klar, die Entdeckung eines 70 Millionen Jahre alten Dinosauriers mitten
in der endlosen westlichen Wüste Ägyptens in der Nähe einer Oase regt die
Fantasie an und lässt Kinderherzen höher schlagen. Aber in diesem Fall ist
nicht nur der Fund die Sensation, der sogar wissenschaftlich weltweit für
Furore gesorgt hat, sondern auch die Finderinnen selbst, eine Gruppe junger
ägyptischer Frauen, die wochenlang in die Wüste zogen, auf der Suche nach
den Knochen der Urviecher.
Die Geschichte beginnt, als ein Forscherteam der ägyptischen Universität
Mansoura nach zahlreichen Exkursionen in die Wüste die versteinerten
Knochen eines Dinos fand, so groß wie ein Schulbus, so schwer wie ein
Elefant. Drei Wochen lang hatte das Team, meist junge Studentinnen, dann
unter Anleitung ihres Professors Hisham Salam in der westlichen Wüste in
der Nähe der Oase Dakhla campiert und in mühevoller Kleinarbeit die Knochen
ausgegraben und eingesammelt.
Damals ahnten sie noch nicht, dass ihr Fund in der Welt der Wissenschaft
unter Dinosaurierforschern für Aufsehen sorgen wird. Aber als sie ihn im
Wissenschaftsmagazin Nature Ende Januar publizierten, war klar: Sie hatten
ein fehlendes Puzzlestück gefunden, das Wissenschaftler weltweit schon
lange gesucht hatten. Mit ihm können sie nachweisen, dass Europa und
Afrika, einst ein Kontinent, noch vor 70 Millionen Jahren mit einer
Landbrücke miteinander verbunden waren. Denn der Dino war mit
seinesgleichen in Europa verwandt.
## Verwandter des europäischen Sauriers
Drei Autostunden von Kairo geht es entlang der Felder, Palmen und Dörfer in
die im östlichen Nildelta gelegene Stadt Mansoura. An der dortigen
Provinzuniversität liegen die Fundstücke aufgereiht auf einer Tischreihe.
Stolz präsentieren drei der Finderinnen ihre Entdeckung. „Eine der Fragen,
die Wissenschaftler immer beschäftigt hat, war, ob Afrika vom Rest der
Kontinente isoliert war oder ob es doch eine Landverbindung mit Europa gab
und wann diese abgebrochen ist“, erklärt die Studentin Iman El-Dawoudi.
„Wir haben die Verbindung gefunden. Denn unser Saurier ist mit anderen
europäischen Dinosauriern verwandt“, fasst sie die Bedeutung des Fundes
zusammen.
Und auch der Name ihres Fundes war schnell ausgemacht. „Wir haben uns
überlegt, wie wir ihn nennen sollen. Vielleicht nach der Oase? Ein
befreundeter Wissenschaftlerin in den USA sagte dann, ihr seid doch aus
Mansoura. Nennt ihn doch Mansourasaurus“, erzählt Sanaa El-Bassiouni, die
stellvertretende Leiterin der zuständigen Uni-Abteilung. Unter diesem Namen
ist er nun den Wissenschaftlern weltweit bekannt.
Sarah Saber war es, die den ersten versteinerten Knochen des Sauriers im
Wüstensand entdeckt hatte. „Ich war wie im Schock. Öfters hatte ich schon
einzelne Knochen gefunden, aber so viele auf einmal?“, erinnert sie sich.
Sie habe dann den Professor dazugerufen und der sagte, das sei ein
Dinosaurier und das könnte bedeutend sein. Vielleicht könnte der Fund sogar
im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht werden“, erzählt sie. Genau
so geschah es dann auch.
Nun arbeiten sie mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt zusammen und
haben Fotos und Computer-Modelle online gestellt. Aber bei der Frage, ob
die Fundstücke vielleicht auf Reisen gehen könnten, schütteln sie alle
kategorisch den Kopf. „Nein Mansourasaurus bleibt hier“, sagen sie
übereinstimmend und erinnern an ältere Dino-Funde in der ägyptischen Wüste.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatte der deutsche Paläontologe Ernst
Stromer von Reichenbach in der Nähe der ägyptischen Oase Bahariyya einen
Spinosaurus entdeckt und nach München gebracht, wo ein von Stromer
rekonstruiertes Teilskelett einen prominenten Platz in der Bayerischen
Staatssammlung bekam. Bei einem Bombenangriff der Alliierten 1944 wurde es
vollständig zerstört. Ein anderer ägyptischer Saurier landete in
Pennsylvania. „Mansourasaurus soll diesmal im Nilland bleiben. „Vielleicht
bringt der Dinosaurier sogar Touristen in unsere Provinzstadt“, hofft Iman.
Dass junge ägyptische Frauen als Wissenschaftlerinnen in Wüstenexpeditionen
arbeiten, ist eher ungewöhnlich. Sie alle sind im konservativen Milieu des
Nildeltas aufgewachsen, in dem Frauen stets unter dem wachsamen Auge ihrer
Familien leben und die Wüste als lebensfeindliche Gefahr angesehen wird.
Aber das hielt die jungen Frauen nicht ab. Sie hatten bereits zuvor bei der
Suche nach Dinos immer wieder Wochen in der Wüste verbracht. Aufgrund von
Pflanzenresten in den Gesteinsablagerungen wussten sie, dass sich an der
späteren Fundstelle vor vielen Millionen Jahren eine üppige Vegetation
befunden haben muss, wahrscheinlich Mangrovenwälder, die den gigantischen
Pflanzenfressen genug Nahrung boten.
Nachdem sie ihren Fund gemacht hatten, campierten sie drei Wochen am Stück
dort. „Das Ausgraben benötigte Muskelkraft. Wir haben von morgens bis
abends gegraben“, blickt Iman zurück. „Manchmal war es schwer. Zum
Beispiel, als ein Sandsturm ausbrach. Bevor wir uns in Sicherheit bringen
konnten, mussten wir erst die Fundstücke in Sicherheit bringen“, erzählt
sie.
Einmal hatte es sogar mitten in der Wüste geregnet. Die jungen Frauen
zeigen Fotos und Videos von ihrer Expedition. In einem sind sie zu sehen,
wie sie mit vom Wind wehenden Kopftüchern einen im Sand festgefahrenen
Geländewagen mühevoll anschieben. In einem anderen, wie sie mit Hammer und
Meißel die Gesteinsbrocken aus dem Boden hauen, die mit den versteinerten
Knochen verbunden waren, um das Ganze dann zum Schutz der Knochen
einzugipsen. „Wir haben bewiesen, was wir als junge Frauen in der Wüste
erreichen können. Alle jene, die Töchter haben, sollten sich durch unser
Beispiel ermutigt fühlen, sie auch bei schwierigen Dingen zu unterstützen“,
kommentiert Iman.
In ihrer Kindheit wussten sie nichts von Dinosauriern, erzählen sie. In
ihren ägyptischen Schulbüchern kamen sie nicht vor. Iman stammt aus einem
kleinen Dorf im Nildelta, eine Autostunde von der Provinzhauptstadt
Mansoura entfernt. Dort war ihre Passion für Saurier bisher eher auf
Unverständnis gestoßen. „Meine Familie fand es immer merkwürdig und fragte,
was ich da immer so lange in der Wüste mache.“ Aber das sei nun vorbei,
sagt sie. „Denn wir, ein paar junge Frauen aus der ägyptischen Provinz, wir
haben den sensationellen Mansourasaurus entdeckt.“
17 Mar 2018
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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