# taz.de -- Student über die Bildungsreform in Chile: „Chile ist zum Kotzen … | |
> Marco García ist einer der jungen Chilenen, die nun kostenlos studieren | |
> dürfen. Von der neuen Regierung erwartet er aber nichts Gutes. | |
Bild: Hat im Januar ihre Bildungsreform im Kongress durchbekommen: die scheiden… | |
taz: Herr Garcìa, Sie haben im Januar das Studium aufgenommen und sich | |
dafür bei der Präsidentin Michelle Bachelet bedankt. Wie war Ihr Gefühl, | |
als sie den Tweet beantwortet hat? | |
Marco García: Ich glaube, dass ich Glück empfunden habe. An diesem Tag | |
wollte ich mich an der Universität in Talca einschreiben, und da habe ich | |
erfahren, dass ich von dem Regierungsprogramm für arme Familien profitiere | |
und deshalb keine Studiengebühren zahlen muss. | |
Ich wusste, dass ich möglicherweise in das Programm aufgenommen werden | |
könnte. Aber dann bestätigten sie mir, dass ich kostenlos studieren darf. | |
Das war – zusammen mit der Antwort der Präsidentin – ein unvergesslicher | |
Tag in meinem Leben. Dass sie in ihrem Tweet nicht nur mir, sondern vielen | |
anderen dankbaren Chilenen geantwortet hat, war fantastisch. | |
Wie haben Sie von dem kostenlosen Studium an der Universität erfahren? | |
Über die Medien habe ich erfahren, dass die Bildungsreform beschlossen | |
wurde. Aber schon vorher wusste ich davon. Als ich noch in der Schule war, | |
habe ich die Studentenbewegungen unterstützt, die während der ersten | |
Amtszeit von Sebastian Piñera eine freie Universitätsausbildung forderten. | |
Ein Studium an Ihrer Universität kostet im Jahr 2.800 Euro. Könnten Sie | |
sich das leisten? | |
Nein. Wir sind eine große Familie. Sechs Brüder und Schwestern plus eine | |
Nichte, und wir leben nur von einem kleinen Familienunternehmen, das Schuhe | |
produziert. Aufgrund meiner wirtschaftlichen Situation, die nicht die beste | |
ist, könnte ich nur auf andere staatliche Leistungen wie Stipendien und | |
Darlehen zurückgreifen oder ich müsste mich verschulden. | |
Alle diese Optionen sind sehr unfair. Wenn ich zum Beispiel einen Kredit | |
aufnehme, zahle ich hohe Zinsen. 3 Prozent über 20 Jahre. Das ist für mich | |
sehr schwierig. Ohne das kostenlose Studium hätte ich nicht an die | |
Universität gehen können. Aus diesem Grund bin ich der Präsidentin | |
Bachelet sehr dankbar. | |
Sollten nicht alle Chilenen kostenlos studieren dürfen? | |
Es ist ein Fortschritt, dass zumindest einige von uns nun das Recht haben, | |
kostenlos zu lernen. Und das ist das Verdienst von Tausenden von Studenten, | |
Arbeitern, von Jungen wie Alten. Sie haben für ein freies Studium gekämpft | |
und es erst auf die Agenda der Regierung gesetzt. | |
Ohne diese Mühen wäre Bachelet nicht mit der Bildungsreform in die | |
Geschichte eingegangen. Chile ist ein zum Kotzen ungleiches Land. Das | |
kostenlose Studium für Arme ist ein Schritt hin zu mehr sozialer | |
Gerechtigkeit. | |
Kennen Sie andere in Ihrer Situation, die sich nun einschreiben konnten? | |
Meine jüngeren Schwestern haben auch jeweils einen kostenlosen Studienplatz | |
erhalten. Auch bei unserer Schuhfabrik arbeiten junge Leute, die nun an die | |
Uni gehen können. In meinem persönlichen Umfeld sind viele, die von dem | |
Programm profitieren. Wir sind viele. | |
Am Sonntag übernimmt die neue konservative Regierung des Unternehmers | |
Sebastián Piñera. Fürchten Sie, dass er das Programm wieder zurücknimmt? | |
Ich glaube nicht, dass die Regierung von Sebastián Piñera das Programm | |
zurücknehmen wird. Erstens ist die Bildungsreform gesetzlich verankert. | |
Und zweitens hat sie hat breite Unterstützung in der Bevölkerung. Die | |
Chilenen werden nicht zulassen, dass Piñera ihren Triumph zunichte macht. | |
Aber natürlich kann der neue Präsident Einfluss auf die Gestaltung des | |
Programms nehmen. Ich denke, dass er den Anteil der Armen, die ein | |
kostenloses Studium beginnen können, reduzieren wird. | |
Was halten Sie von dem neuen Bildungsminister Varela, der von Bildung als | |
„käuflicher Ware“ spricht? | |
Wenn ein Bildungsminister nicht glaubt, dass Bildung ein Bürgerrecht ist, | |
sondern sie stattdessen als käufliche Ware bezeichnet, ist er aus meiner | |
Sicht nicht als Minister geeignet. Noch dazu eines so wichtigen | |
Ministeriums wie Bildung. In Chile haben die Reichsten mehr Privilegien, | |
und das beginnt schon bei der Wahl der guten Schulen und Universitäten, die | |
sich die meisten Chilenen nicht leisten können. | |
Sie gehen auf bessere Unis, erhalten bessere Abschlüsse, bessere Jobs, | |
bessere Gehälter und damit eine bessere Lebensqualität. Es ist wichtig, das | |
Recht auf kostenlose Bildung zu behaupten und weiter auszubauen. | |
In Chile hat die Einwanderung erheblich zugenommen. Sollen auch Einwanderer | |
kostenlos studieren dürfen? | |
Ausländer, die in Chile leben, sollten die gleichen Vorteile haben wie | |
Chilenen. Sie sind Teil unserer Gesellschaft. Ich glaube an die Freiheit in | |
der Bildung, dass jeder die Möglichkeit haben muss, sich bestmöglich zu | |
qualifizieren. | |
NaN NaN | |
## AUTOREN | |
Nicolás Guzmán | |
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