| # taz.de -- Handelsabkommen Mercosur: EU macht Weg für Hormonfleisch frei | |
| > Das Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten ist auf der Zielgeraden. Vor | |
| > allem die Agroindustrie Südamerikas hofft auf Marktzugänge. | |
| Bild: Nicht alle sind für das Abkommen: Bauern protestieren in Frankreich | |
| Rio de Janeiro taz | Geheimniskrämerei ist die Devise bei der vielleicht | |
| letzten Verhandlungsrunde über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und | |
| dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur. „Beide Seiten haben geschworen, | |
| keine Verlautbarungen vor Ende dieser Gesprächsrunde von sich zu geben“, | |
| sagt Mercosur-Sprecher Luis Fernando Avalos. Derzeit sitzen die Fachleute | |
| aus Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay und der EU beisammen, um | |
| letzte Streitpunkte zu verhandeln. | |
| Von Optimismus ist keine Rede mehr. Trotz Schweigegebots ist | |
| durchgesickert, dass die Verhandlungen in der paraguayischen Hauptstadt | |
| Asunción wohl andauern werden. Nach der Ankündigung, bereits zur | |
| WTO-Ministerkonferenz im Dezember einen Vertrag vorzulegen, ist den | |
| Verhandlern nun bewusst, dass die wirtschaftlichen Interessen der beiden | |
| Seiten vor allem in der Landwirtschaft sehr strittig sind. Vertreter der | |
| Zivilgesellschaft weisen zudem darauf hin, dass alle Vorlagen für eine | |
| Einigung unter ökologischen wie sozialen Gesichtspunkten sehr fragwürdig | |
| sind. | |
| Ziel der Verhandlungen ist die Etablierung und Vertiefung von klassischen | |
| Freihandelsregeln. Das bedeutet den gegenseitigen Abbau von | |
| Einfuhrzöllen, die Ausweitung von Importquoten sowie den Abbau weiterer | |
| Handelsschranken. Zum Beispiel möchte die EU ihre Automobilexporte Richtung | |
| Südamerika ausweiten. Brasilien stemmt sich gegen neue Konkurrenz auf | |
| diesem Markt und fürchtet Einbußen für die eigene Autoindustrie, die auf | |
| regionalen Export setzt. | |
| Zudem fordert die EU für ihre Pharmaindustrie eine Verschärfung des | |
| Patentrechts für Medikamente. In den Mercosur-Staaten dürfte dies zu | |
| Preissteigerungen und damit zu einer Gefährdung der öffentlichen | |
| Gesundheitsversorgung bei bedürftigen Menschen führen. | |
| ## Treibende Kraft sind europäische Exportstaaten | |
| Die in Lateinamerika übliche Herstellung von Generika-Medikamenten wäre | |
| damit in Frage gestellt. Eine Studie der brasilianischen | |
| Forschungseinrichtung Fiocruz kommt zu dem Schluss, dass die von der EU | |
| vorgeschlagenen Freihandelsregeln im Patentrecht dem öffentlichen | |
| Gesundheitssystem Brasiliens bei der Behandlung von HIV und Hepatitis C | |
| jährlich Mehrkosten von mindestens 520 Millionen Euro verursachen würden. | |
| Treibende Kraft hinter den Verhandlungen, die vor über 20 Jahren begannen | |
| und nie richtig vorankamen, sind die europäischen Exportstaaten, vor allem | |
| Deutschland. Auch die Mercosur-Staaten setzen auf Export, etwa bei | |
| Agrarprodukten und mineralischen Rohstoffen. Es handelt sich um die | |
| Festschreibung althergebrachter Handelsstrukturen: Die EU setzt auf | |
| Industrieexporte, während die Staaten des Südens ihre Rolle als | |
| Rohstofflieferant festigen und damit zugleich den Aufbau einer eigenen | |
| Industrie erschweren. | |
| Es ist davon auszugehen, dass die protektionistische Haltung der USA beide | |
| Seiten motiviert, jetzt so schnell wie möglich einen Freihandelsvertrag | |
| abzuschließen. Hinzu kommt der radikale Rechtsruck in den beiden | |
| wichtigsten Mercosur-Staaten Brasilien und Argentinien. Zwar waren auch die | |
| vorherigen Mitte-Links-Regierungen durchaus freihandelsorientiert. Aber sie | |
| pochten auf die nationalen wirtschaftlichen Interessen und ließen sich | |
| nicht ohne Weiteres über den Tisch ziehen. Die jetzigen neoliberalen | |
| Regierungen beider Länder setzen hingegen auf Auslandsinvestitionen und den | |
| Rückbau staatlichen Einflusses auf die Wirtschaft, sodass einem | |
| Freihandelsabkommen nach Geschmack der EU nichts mehr im Wege stehen | |
| dürfte. | |
| Wichtigster Streitpunkt ist der Agrarexport. Der Mercosur beharrt darauf, | |
| bessere Einfuhrquoten für Rindfleisch und andere Produkte seiner | |
| Agroindustrie auszuhandeln. Dagegen laufen europäische Landwirte Sturm, die | |
| mit den Monokulturen in Südamerika kaum konkurrieren können. Auch | |
| Umweltschützer und Menschenrechtler sind gegen Vorzugsbedingungen für die | |
| Landwirtschaft im Süden. Denn sie setzt auf Gentechnologie, sorgt für | |
| Abholzung im großen Stil und ist verantwortlich für weitere Umweltsünden | |
| sowie die gewaltsame Vertreibung von Indigenen und Kleinbauern. | |
| Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im | |
| EU-Parlament, warnt vor diesem Abkommen: „Werden die Diskussionsvorlagen | |
| einmal Vertrag, dann heißt es freie Fahrt für Gentech-Soja und andere mit | |
| Pestiziden hoch belastete Rohstoffe, Agro-Treibstoffe aus zweifelhaften | |
| Quellen sowie Tonnagen von Hormon- und Gammelfleisch.“ | |
| 28 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Behn | |
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