# taz.de -- Die Wahrheit: „Jetzt müssen Köpfe rollen!“ | |
> Darf ein Araber die Bundesligarechte kaufen? Und für sich allein | |
> behalten? Deutschlands Fußballwelt ist in hellem Aufruhr. | |
Bild: Ein Scheich hat die ganze Bundesliga für sich allein | |
Mit einem Aufschrei der Empörung haben Deutschlands Fußballfans auf die | |
Vergabe der Bundesligarechte für die Spielzeiten 2019/20 bis 2024/25 | |
reagiert. Das sei „das Ende des deutschen Fußballs überhaupt“, hat der | |
Bundesverband Fanprojekte (BAG) erklärt und den Geschäftsführer der | |
Deutschen Fußball Liga (DFL), Christian Seifert, zum sofortigen Rücktritt | |
aufgefordert: „Jetzt müssen Köpfe rollen!“ | |
Heiß umstritten ist die Entscheidung der DFL, die Übertragungsrechte für | |
die Spiele in der Bundesliga ab der Saison 2019/20 für sechs Jahre an einen | |
Privatsender zu vergeben, der dem in Abu Dhabi ansässigen Ölscheich Abdul | |
Bin Nassef ar-Radschihi gehört. Als Bieter hatte er jedoch überzeugende | |
Argumente: Er legte 100 Milliarden Euro hin und stach damit alle | |
Mitbewerber aus. | |
„Das war ein Angebot, das wir einfach nicht ablehnen konnten“, heißt es in | |
einer etwas dürren Presseerklärung der DFL. Wie man hört, sollen mit der | |
Offerte des Scheichs auch erhebliche Ausschüttungen an die | |
Verhandlungsführer verbunden sein, in einem hohen siebenstelligen Bereich, | |
sowie die Zusage, ihnen bei der Alterssicherung unter die Arme zu greifen. | |
In der Branche spricht man von Provisionen in Gestalt festverzinslicher | |
Petrodollar, Bitcoins und Byteball Bytes. | |
## Der Haken an der Sache | |
Was für die Fans nur ein sehr schwacher Trost sein dürfte. Denn der Haken | |
an der Sache ist nicht zu übersehen: Scheich Radschihi will die | |
Bundesligaspiele ab dem Sommer 2019 einzig und allein in sein eigenes | |
Wohnzimmer übertragen lassen, das sich im 142. Stockwerk eines | |
Wolkenkratzers in Abu Dhabi befindet. Und der Rest der Welt soll außen vor | |
bleiben. | |
„Radschihi leidet eindeutig an einer narzisstischen | |
Persönlichkeitsstörung“, sagt Dr. Ulf Niewoldt vom Gießener | |
Horst-Eberhard-Richter-Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie. „Er | |
will alles für sich allein haben. Wir kennen das von Kleinkindern. Die | |
haben so dieses Besitzdenken und rufen dann ja auch gern: ‚Meins, meins, | |
meins!‘ In der psychoanalytischen Forschung haben wir dafür den Fachbegriff | |
der ‚Haben-Orientiertheit‘ entwickelt. Das ist eine Erkrankung, die eng mit | |
dem ‚Sein/Ihr-Eigentum-nicht-teilen-Wollen‘ korreliert. Darauf ist auch | |
schon Erich Fromm in seinem Grundlagenwerk ‚Haben oder Sein‘ eingegangen. | |
Vermutlich ist Radschihi infolge einer traumatischen Kindheitserfahrung in | |
der späteren Entwicklungsstufe des | |
‚Jetzt-erst-recht-nichts-mehr-hergeben-Wollens‘ steckengeblieben …“ | |
Doch Radschihi möchte durchaus teilen. Wenn die Bundesligasaison 2019/20 | |
anläuft, will er sich die Konferenzschaltung in seinem Wohnzimmer gemeinsam | |
mit drei Legenden der deutschen Sportaristokratie anschauen: mit Franz | |
Beckenbauer, Boris Becker und Lothar Matthäus. So steht es jedenfalls im | |
Fachblatt Kicker. Öffentlich hat dazu bislang nur Matthäus Stellung | |
genommen. In einem Interview mit der Illustrierten Gala ist er auf den | |
Vorwurf eingegangen, dass er Verrat an den Fans begehe: „Ja gut, das kann | |
man so sehen, aber das kann man auch anders sehen, weil, wenn der Scheich | |
mich einlädt, also mich und den Franz und den Boris, dann ist das ja | |
irgendwo auch ne Auszeichnung für uns als Deutsche, also auch für die Fans, | |
dass wir uns die Spiele da in so nem Top-Spot reinfegen können, ohne dass | |
irgendwer sonst zuschaut …“ | |
## Die Klausel für Genuss | |
Ab der Saison 2019/20 sollen die Bundesligavereine nämlich auch vor leeren | |
Tribünen kicken. Das sieht eine Zusatzklausel vor, für die Scheich | |
Radschihi noch einmal 12,4 Milliarden Euro bezahlt hat, um sich das | |
Exklusivrecht am Genuss der Spiele zu sichern. Außer den Spielern, den | |
Trainern, den Schieds- und den Linienrichtern, den Masseuren und einigen | |
handverlesenen Balljungen, Notärzten, Kameraleuten und Reportern soll | |
niemand das Vergnügen haben, die Begegnungen zu verfolgen. Erst sechs | |
Stunden nach dem Schlusspfiff der allerletzten Partie der jeweiligen Saison | |
dürfen sich die Fans dann auf der Homepage des Scheichs mit dem | |
Tabellenstand abspeisen lassen. Für die Vereine gilt eine | |
Geheimhaltungspflicht: Wer dort früher etwas ausplaudert oder gar Bilder | |
ins Netz stellt, dessen Verein wird sofort in die Bezirksliga versetzt. | |
Nun läuft alles Sturm gegen diese grausame Regelung, die übrigens auch noch | |
vorsieht, dass die Bundesliga am 1. Juli 2019 in | |
Abdul-Bin-Nassef-ar-Radschihi-Liga umbenannt wird. Die DFL wiegelt zwar ab: | |
„Die Umbenennung wird 2025 rückgängig gemacht. Versprochen!“ Aber damit | |
lassen sich die Fans nicht mehr beschwichtigen, die seit Tagen die | |
Frankfurter Zentrale des Ligaverbands umlagern und von Stunde zu Stunde | |
aggressivere Parolen rufen. | |
Viele Prominente unterstützen die Proteste: Der Schlagersänger Christian | |
Anders hat damit gedroht, sich auf dem Römerplatz in Frankfurt nackt | |
auszuziehen, wenn die DFL kein Einsehen zeige, der ehemalige WM-Botschafter | |
Reiner Calmund ist in einen unbefristeten Hungerstreik getreten, und eine | |
von der Bild-Zeitung kontaktierte Hellseherin aus Unna hat aus dem Jenseits | |
ein Gedicht des Schriftstellers Günter Grass empfangen, der sich | |
gleichfalls für die Auflösung des Vertrags mit Radschihi stark macht: „Ich | |
schweige nicht mehr / weil ich der Heuchelei der Fußballfunktionäre / | |
überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen / es mögen sich viele vom Schweigen | |
befreien / und den Scheich dazu auffordern / die Übertragungsrechte an das | |
deutsche Volk zurückzugeben. // Nur so ist allen / und letztlich auch mir | |
selbst zu helfen.“ | |
Die DFL wird nun Farbe bekennen müssen. | |
20 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Henschel | |
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