# taz.de -- Subventionen gegen Zeitungssterben: Schweden fördert Lokalpresse | |
> In jeder dritten schwedischen Kommune gibt es keine lokale Tageszeitung | |
> mehr. Staatliche Subventionen sollen das ändern. | |
Bild: Jede achte schwedische Kommune ist ein „weißer Fleck“, ohne Lokalred… | |
STOCKHOLM taz | Die Printkrise trifft die schwedische Presse hart – am | |
härtesten die lokale. Während die Verlage der vier überregionalen Zeitungen | |
nach mehreren Entlassungs- und Sparrunden steigende Gewinne vermelden, | |
sieht es auf dem Lokalzeitungsmarkt trübe aus. | |
Auch hier war den meisten Verlagen gegen sinkende Anzeigenerlöse und | |
fallende Auflagen kein besseres Rezept als der Rotstift eingefallen. | |
Mancherorts wurden Redaktionen auf ein Drittel geschrumpft. Ein | |
attraktiveres Produkt lässt sich damit natürlich nicht liefern, die | |
Negativspirale wird eher verstärkt. Die Folge: Der lokale Journalismus | |
verschwindet immer mehr. | |
Nach einer aktuellen Bilanz des Stockholmer Instituts für Medienstudien | |
gibt es in 90 oder jeder dritten schwedischen Kommune keine täglich | |
erscheinende Lokalzeitung mehr. Jede achte Kommune ist ein „weißer Fleck“, | |
ohne Lokalredaktion oder auch nur einen festen lokalen Mitarbeiter einer | |
Redaktion. Laut einer Umfrage beklagen 43 Prozent der SchwedInnen ein | |
Informationsdefizit, was ihr engeres soziales Umfeld angeht. | |
Im November hatte die Medienvielfalt einen zusätzlichen Rückschlag | |
erlitten. Die [1][linke Tageszeitung ETC] musste die Schließung von 15 | |
Lokalausgaben bekannt geben. Mit denen hatte man versucht, in vielen | |
Städten eine Alternative zum dort herrschenden Einzeitungsmonopol | |
anzubieten. Aber die Einnahmen reichten letztendlich nicht, und die | |
staatliche Presseförderung in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung war kein | |
Rettungsanker: „Das System macht es kleinen Lokalzeitungen zu schwer, wenn | |
es woanders digitalen Inhalt kostenlos gibt“, konstatierte ETC-Herausgeber | |
Johan Ehrenberg. | |
## 75 Millionen vom Staat | |
Mit Spannung wartete die Branche deshalb auch auf die ab 2019 geltende | |
Reform der staatlichen Presseförderung. Sieben Reichstagsparteien – alle | |
außer den Schwedendemokraten – hatten zwei Jahre lang verhandelt, die grüne | |
Kultusministerin Alice Bah Kuhnke präsentierte das Resultat in der | |
vergangenen Woche. | |
Im Prinzip wird das bisherige System namens „Presstöd“ | |
(„Presseunterstützung“) für Printmedien fortgeschrieben, aus dem derzeit | |
über 140 Publikationen Produktions- und Vertriebssubventionen erhalten. | |
Dessen Grundlagen wurden 1965 gelegt, jetzt soll es als | |
plattformunabhängige Medienförderung weitergeführt werden. Konkret heißt | |
das: Aus einem um 20 Prozent auf umgerechnet rund 75 Millionen Euro | |
aufgestockten Budget sollen nun auch digitale Medien, Podcasts und Web-TV | |
finanzielle Unterstützung erhalten können – alle Nachrichtenmedien, „die | |
qualitativen und vielseitigen Journalismus produzieren“. | |
Einen neuen Anlauf will man aber beim notleidenden Lokaljournalismus | |
nehmen. Es wird eine spezielle staatliche Förderung geben, deren genaue | |
Einzelheiten noch ausgearbeitet sind, aber deren Rahmen feststeht: Für alle | |
Kommunen, die, so Ministerin Kuhnke, „bereits zu weißen Flecken geworden | |
sind oder Gefahr laufen, dies zu werden“, soll es jährlich einen Budgettopf | |
für lokale Berichterstattung geben. | |
Daraus können dann beispielsweise Gelder als Zuschuss für eine | |
Lokalredaktion, für einen ständig stationierten redaktionellen Mitarbeiter, | |
für Lokalradios, an eine Gratiszeitung oder für den Betrieb einer lokalen | |
Nachrichtenwebseite gezahlt werden. Es entscheidet ein von der Regierung | |
ernanntes und mit Juristen, Abgeordneten, MedienwissenschaftlerInnen und | |
JournalistInnen besetztes Gremium. Das hauptsächliche Kriterium, das die | |
Antragsteller erfüllen sollen: „Ein hoher redaktioneller Standard und eine | |
unabhängige Nachrichtenvermittlung.“ | |
Grundsätzlich positiv, meint der Journalistenverband, befürchtet aber, dass | |
mit diesem Modell die vorhandenen Verlagsakteure bevorzugt und bestehende | |
Strukturen zementiert werden, statt innovative Neuansätze zu fördern. | |
„Ein erster Schritt, mit dem die Parteien die Nase endlich in die richtige | |
Richtung drehen“, sagt Heidi Avellan, Chefredakteurin des Sydsvenska | |
Dagbladet. Die zunächst in Aussicht gestellten 100.000 Euro für jede | |
„Weißer-Fleck-Kommune“ würden aber ganz sicher nicht reichen, und zuminde… | |
in einer Übergangs- und Anlaufphase solle mehr Geld zur Verfügung gestellt | |
werden. Zu begrüßen sei auch die Beibehaltung der Vertriebssubventionen. | |
Stockholm glaubt an die Zukunft von Printmedien und will diese Subventionen | |
nun sogar verdoppeln. | |
20 Feb 2018 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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