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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Salz-Irre von der SPD
> Ernährungscoach therapiert Spitzenpolitiker: Fliegenträger Karl
> Lauterbach wagt endlich den Sprung in ein neues Leben.
Bild: Ein Mann sucht Hilfe: SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach beschäftigt…
„Das passt mir überhaupt nicht. Ich bin gerade voll und ganz mit Vorbeugung
beschäftigt! Und zwar gegen alles!“ SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach
ist verstimmt, als er uns Reporter in seine spartanische Küche bittet.
Seine bescheidene Villa im Kölner Stadtteil Wahnheide riecht nach
Desinfektionsmitteln und Möhrensaft. „Ich koche eigentlich gar nicht mehr.
Viel zu ungesund!“, lässt der spindeldürre Lauterbach wissen und schaut
streng auf die eigentliche Quelle seines Unmuts: Jonas Heitmeyer, der es
sich in der Sitzecke bequem gemacht hat.
Der gemütliche Klotz Heitmeyer ist Ernährungsberater, so behauptet er
zumindest, und wohnt seit zwei Wochen bei dem bekannten SPD-Politiker mit
dem schütteren Haar und der meist grellen Fliege. „Sie sehen doch, dass der
Mann Hilfe braucht!“, erklärt der selbsternannte Coach, während Lauterbach
Unverständliches grummelt. Den Politiker beobachtet er schon länger: „Ein
Mann, der mit über 400 wissenschaftlichen Veröffentlichungen zwar
erfolgreich den Kopf ein-, aber leider auch den Bauch ausgeschaltet hat“,
so lautet die knappe Analyse Heitmeyers.
Nach einem Streifzug durch Lauterbachs Wohnviertel habe er spontan
beschlossen, ihn zu coachen und sich dafür direkt bei ihm einquartiert.
„Das mit der kaputten Fensterscheibe im Klo ärgert Karl immer noch“, gibt
Heitmeyer zu und lächelt versöhnlich. Damals war Letzterer spontan in
Lauterbachs Haus eingestiegen. Da der SPD-Politiker beruflich viel außer
Haus sei, nehme er nun dessen Schlafzimmer in Anspruch.
Lauterbach selbst schaut überhaupt nicht versöhnlich, als Heitmeyer seine
persönlichen Qualifikationen aufzählt. Bereits als Jugendlicher habe er
erfolgreich an der schulischen Koch-AG teilgenommen. Seit einer kurzen
Liaison mit einer Imbissbudenbesitzerin arbeite er als Ernährungsberater.
Einen Namen in der Szene habe er sich mit Sachbüchern wie „Garstiges
Gemüse“, „In dreißig Jahren zur Traumfigur“ oder „Lieber doof als dü…
gemacht.
## Vor Ort aktiv
Während der einsamen Tage am Schreibtisch habe er dann festgestellt, dass
er in einem Elfenbeinturm arbeite. „Essen findet viel zu oft hinter
verschlossenen Türen statt! Um die Menschen zu erreichen, muss ich vor Ort
aktiv werden!“ Seitdem besucht er regelmäßig ausgewählte Patienten und
zieht dort für mehrere Wochen ein.
Das Therapieziel für Lauterbach sei schnell beschrieben, sagt Heitmeyer:
„Karl soll wieder Spaß am Essen haben! Das ist doch auch für ihn
unangenehm, wenn alle anderen Kollegen ein gemütliches Wohlstandsbäuchlein
vor sich hertragen. Da fällt er doch auf!“ Bei dem Stichwort „Auffallen“
fällt Heitmeyer ein, dass er Lauterbach unbedingt die notorische Fliege
abschwatzen wollte, denn diese stehe „symbolisch für sein fliegenhaftes
Essverhalten“. Dann erzählt er von der Grillparty unter dem Motto „One meat
a day keeps the doctor away“, die er kürzlich für den Gesundheitsexperten
der SPD veranstaltet habe. Ein Desaster: „Karl konnte auch da nicht
loslassen.“ Er habe einem Gast das frisch gegrillte Rinderfilet ins Gesicht
gepresst und gebrüllt: „Noch nie was von heterozyklischen aromatischen
Aminen gehört?“
Lauterbach schüttelt über so viel Unwissen den Kopf. „Wer grillt, der kann
sich auch gleich vor den nächsten Zug werfen! Darmkrebs, Herzinfarkt,
Schlaganfall!“ Heitmeyer lächelt milde. Er weiß, der SPD-Politiker ist sein
vielleicht schwierigster Fall. „Aber was ist mit der Freude, Karl? Was ist
mit der Freude?“
## Essen ist fertig!
„Worüber soll ich mich freuen“, fragt Lauterbach, „wenn ich mit Mitte 50
sabbernd im Rolli sitze, nur weil ich mich täglich vollstopfen musste!“ In
dem Moment klingelt es an der Tür. Der Politiker öffnet und sieht sich
einem jungen Mann in Lieferdienstkleidung gegenüber. „Tod auf Rädern“,
ächzt Lauterbach. „Unser Mittagessen!“, freut sich Heitmeyer und schiebt
den Konsternierten zur Seite, nachdem er ihm das Portemonnaie aus der
Gesäßtasche gezogen hat, um den Boten zu bezahlen.
„Wissen Sie, wie viel Salz da drin ist? Das macht dement!“, protestiert
Lauterbach, der dafür bekannt ist, selbst in den besten Restaurants von
Köchen zu verlangen, für ihn ausschließlich salzlos zu kochen. Eine
Marotte, die Lauterbach im Gaststättengewerbe den Spitznamen „Der Salz-Irre
von der SPD“ eingebracht hat.
Seit er hier wohne, habe der Politiker noch rein gar nichts zu sich
genommen, erzählt Coach Heitmeyer. Lauterbach scheine bisher ausschließlich
von medialer Aufmerksamkeit gelebt zu haben: „Talkshowauftritte,
Interviews, Twitter-Nachrichten, das ist Karls täglich Brot.“ Bei dem Wort
„Brot“ schnappt Lauterbach nach Luft. „Versalzen! Demenz!“, röchelt er.
Doch dann schnuppert er zaghaft an einer Möhre. Unter dem stolzen Blick
seines Coachs wagt der SPD-Gesundheitsexperte den ersten vorsichtigen
Bissen in ein neues Leben.
16 Feb 2018
## AUTOREN
Philipp Floto
## TAGS
Ernährung
Gesundheitspolitik
Karl Lauterbach
Nahrung
Ärzte
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