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# taz.de -- Berichterstattung über Nahost-Konflikt: Komplizierte Wahrheitsfind…
> Der Grüne Volker Beck beschwert sich beim Presserat über
> propalästinensische Berichte der „Deutschen Presse Agentur“.
Bild: Jenin, Juni 2017: Palästinener tragen den Leichnam des 21-jährigen Sa�…
Nicht immer erreichen Nachrichten über getötete palästinensische Zivilisten
die deutsche Öffentlichkeit. Wenn, dann stammen sie meist von der Deutschen
Presse-Agentur (dpa). An deren Berichten störten sich zuletzt
proisraelische Journalisten und Politiker. Grünen-Politiker Volker Beck
reichte im vergangenen Sommer wegen einer dpa-Meldung sogar Beschwerde beim
Deutschen Presserat ein.
Den Ausschlag für die Beschwerde habe eine Meldung vom 12. Juli 2017
gegeben, [1][schreibt Die Welt]. „Zwei Palästinenser bei israelischer
Militäroperation getötet“, titelte die dpa damals. Beck verwies darauf,
dass die Überschrift einen umgekehrten Ablauf des Ereignisses suggerierte.
Es geht um folgenden Fall: Am 12. Juli 2017 marschierten Dutzende
israelische Soldaten mit mehreren gepanzerten Fahrzeugen in das
palästinensische Flüchtlingslager Dschenin ein, um einen Verdächtigen
festzunehmen. Das Lager im Norden des Westjordanlands befindet sich unter
der Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde und ist für seinen
Widerstand gegen die Besatzung bekannt. Auch diesmal bewarfen
palästinensische Jugendliche die gepanzerten Fahrzeuge mit Steinen.
Israelische und palästinensische Quellen berichten, dass das Militär auch
mit Sprengstoff beworfen und vereinzelt beschossen wurden. Israelische
Soldaten wurden nicht verletzt.
Die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem hat den Fall untersucht
und [2][palästinensische Zeugen befragt]. Laut denen hatten sich
Scharfschützen des israelischen Militärs in einer Gasse versteckt. Die
Militärjeeps seien an der Gasse vorbeigefahren und hätten abrupt gebremst,
so dass die Demonstranten, die den Jeeps hinterherliefen, direkt vor der
Gasse anhielten. Aus der Gasse seien in dem Moment scharfe Schüsse auf die
palästinensische Menschenmenge abgefeuert worden. Der 21-jährige Sa’ed
Salah wurde am Hinterkopf und Rücken getroffen. Der 16-jährige Aws Salameh
in den Bauch. Beide Jugendliche starben, zwei weitere wurden verletzt.
Laut allen Augenzeugen waren die beiden Erschossenen unbewaffnet. Die
israelischen Soldaten seien zwar früher in der Nacht beschossen und mit
Sprengstoff beworfen worden, allerdings nicht unmittelbar vor den Schüssen.
B’Tselem resümiert die Untersuchung, dass sich die Soldaten nicht in
Lebensgefahr befanden und deshalb, selbst nach israelischem Militärrecht,
illegal handelten. Allem Anschein nach wurden die Jugendlichen in einen
Hinterhalt gelockt und ohne Warnung erschossen.
Die deutsche Nachrichtenagentur dpa berichtete unter der Überschrift
[3][„Zwei Palästinenser bei israelischer Militäroperation getötet“] und
zitierte in der Meldung das israelische Militär und palästinensische
Quellen. Daraufhin reichte Beck Beschwerde beim Presserat ein. Seiner
Meinung nach habe die dpa mit ihrem Bericht gegen den Pressekodex
verstoßen. Den tödlichen Schüssen sei ein Angriff vorausgegangen. Dies
würde verschwiegen.
Die Überschrift sei zwar kein expliziter Fehler, aber eine „Verzerrung der
Wahrheit“. Die von der dpa gewählte Überschrift stelle für ihn kein
Einzelfall dar. Er habe, heißt es in der Welt, ein „umfangreiches Dossier
mit dpa-Meldungen seit 2013“, bei denen in ähnlicher Weise mit der Wahrheit
verfahren worden sei.
## Eine Frage des Maßstabs
Beck macht sich mit seiner Argumentation mit rechten Politikern in Israel
gemein, die gern behaupten, dass Jugendliche, die Steine auf gepanzerte
Militärautos werfen, wie Terroristen behandelt werden sollten. Dies
widerspricht aber den offiziellen Einsatzregeln des israelischen Militärs.
Beck hat bei Ausschreitungen in Iran oder der Ukraine immer wieder seine
Sympathie für unbewaffnete Demonstranten erklärt. Diese seien, egal ob
randalierend oder nicht, stets zu beschützen, tötende Polizei- und
Militärbeamte hingegen zu verurteilen. Dass Beck im Westjordanland andere
Maßstäbe anlegt, ist irrwitzig.
Der Presserat lehnte Becks Beschwerde ab, die Recherche von B’Tselem steht
seit einem halben Jahr online. Das hindert Beck aber nicht daran, seinen
Vorwurf in der Öffentlichkeit weiter zu äußern. Auch die Journalisten
Esther Schapira und Georg Hafner haben Anfang Januar die Anschuldigungen
gegen die dpa [4][in der Jüdischen Allgemeinen] wiederholt. Dort
appellieren sie an ihre Kollegen, diese mögen stets ihre Quellen offenlegen
und sich der Propaganda enthalten, „egal ob man selbst glühender Zionist
ist oder das Herz für den palästinensischen ,Freiheitskampf' schlägt“.
Daher ist die Unverfrorenheit, mit der Schapira und Hafner nahelegen, die
beiden getöteten Palästinenser hätten die israelischen Soldaten beschossen
und mit Brandbomben beworfen, mehr als bedenklich.
## Nicht immer einfach
Die Wahrheitsfindung in einer Konfliktregion wie Israel/Palästina nicht
immer einfach. Die Informationen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen
stammen meist von einer der Konfliktparteien. Auch zivile Beobachter
tendieren dazu, Geschehenes je nach politischer Überzeugung wahrzunehmen.
Auch B’Tselem verfolgt eine politische Agenda: Die Organisation fordert die
sofortige Beendigung der Besatzung des Westjordanlands. Wem soll man also
glauben?
Journalisten, die über besetzte Gebieten berichten, stehen vor einem
publizistischen Dilemma. Der Vorwurf, die Berichterstattung über
israelische Menschenrechtsverletzungen trage dazu bei, antisemitische
Stereotype zu produzieren, wiegt hierzulande zu Recht schwer. Es ist aber
auch zu bedenken, welche Auswirkung Berichte, die palästinensische
Zivilisten zu Unrecht in die Nähe von Terroristen rücken, auf die hiesigen
muslimischen und arabischen Communitys haben.
Teile dieses Artikels wurden am 19. und 20. Februar 2018 nach Beschwerden
Volker Becks präzisiert.
15 Feb 2018
## LINKS
[1] https://www.welt.de/politik/deutschland/article170848463/Die-dpa-und-der-Te…
[2] https://www.btselem.org/20170712_two_killed_by_gunfire_in_jenin_rc
[3] https://de.nachrichten.yahoo.com/zwei-pal%E2%80%B0stinenser-bei-israelische…
[4] http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/30489
## AUTOREN
Yossi Bartal
## TAGS
Schwerpunkt Volker Beck
Westjordanland
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Berichterstattung
Israel
Israel
Gaza
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