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# taz.de -- Vorhautverengung und Impotenz: „Wir müssen hoch potent sein“
> Nicht alle Männer können immer. Aber das Bild vom stets geilen, stets
> willigen Mann macht es Betroffenen schwer, darüber zu sprechen.
Bild: Gerade unter jungen Männern ist Impotenz ein großes Tabu
## „Ich habe mich vor mir geekelt“
Vor ein paar Jahren hatte ich einmal Sex mit einer Kommilitonin, und hatte
dabei Erektionsstörungen. Später hat sie das gegen mich verwendet, sich
lustig gemacht. Irgendwann hat sie es sogar einem Kommilitonen erzählt. Die
zwei waren an der Uni die, die mir am nächsten standen. Meine
Erektionsstörungen wurden plötzlich zum Thema in unseren Gruppenchats.
Gemeinsam haben sie sich lustig darüber gemacht. Ich wurde von ihnen
gemobbt.
Dieses Ereignis hat mich etwas traumatisiert. Ich konnte mich bis vor
kurzem nicht auf ernste Beziehungen einlassen. Zum einen hat das zu
Selbstvertrauensproblemen geführt, zum anderen habe ich mich von mir
geekelt. Ich habe Zweifel an mir gehabt, weil mein Körper nicht in der Lage
war, etwas so Natürliches zu tun, wie sich fortzupflanzen. Auch mein
Sexualtrieb war davon beeinflusst, ich hatte keine Lust mehr. Es gibt auch
ohne solche Erfahrungen genug Druck auf Männer: Wir müssen hoch potent
sein. Wenn dann eine persönliche Betroffenheit dazu kommt, wird das
ziemlich belastend.
Über Erektionsstörungen kann ich mit guten Freunden reden. Und es hilft zu
merken, dass man nicht alleine ist, dass so was häufiger vorkommt als man
denkt. Aber dass ich aufgrund einer Erektionsstörung gemobbt wurde, habe
ich bisher niemandem erzählen können. Ich habe es einfach verdrängt, und
wollte es so weit wie möglich hinter mir lassen. Und wenn ich irgendwann
mal darüber rede, möchte ich das komplett verarbeitet haben, falls
Reaktionen darauf kommen, die unangenehm werden könnten.
Ein großer Schritt zur Verarbeitung war für mich die Musik. Ich mache Rap,
und in vielen meiner Tracks geht es darum. Schweigen hilft nicht, das
frisst sich in einen rein.Philipp, 21, Student und Rapper aus Köln
## „Sie ist für den steifen Penis da“
Sexuelle Ängste hat, glaube ich, fast jeder Mann, auch wenn viele es nicht
wahrhaben wollen. Viele Männer geben immer damit an, wie gut sie im Bett
sind, wie häufig und lange sie es können. Meistens ist das gelogen.
Ich hatte vor acht Jahren eine Operation, wegen Krebs wurde mir ein Hoden
wegoperiert. Seitdem ist Sex für mich nicht mehr wie vorher. Ich habe zwar
nicht ständig Angst, dass es mit der Erektion nicht funktionieren könnte –
manchmal funktioniert es trotzdem nicht, besonders bei One-Night-Stands.
Eigentlich laufen die fast immer schlecht. Mit den Partnerinnen, die ich
kenne und zu denen ich einen persönlichen Bezug habe, geht es besser.
Vertrauen ist da wichtig.
Nach meiner OP habe ich zwei Jahre keine feste Partnerin gehabt, sondern
habe häufig die Partnerin gewechselt. Unter anderem schlief ich mit einer
Frau, mit der ich in der Vergangenheit eine Beziehung gehabt hatte. Nach
der OP hatte ich selbst bei ihr Erektionsprobleme. Aber wir kannten uns
lange, und sie war immer verständnisvoll, daher habe ich mich nicht so
schlecht gefühlt.
Vor dem Sex bin ich in der Regel mit den Gedanken beschäftigt, dass es auch
diesmal nicht funktionieren könnte, und stelle mir vor, wie ich es
vorbeugen kann. Der Penis ist ja kein Zauberstab, geht nicht hoch und
runter wie man will. Ich versuche mich besonders zu konzentrieren und bei
der Sache zu bleiben. Wenn ich keine Erektion kriege, breche ich einfach
ab.
Das Problem ist, viel mehr als den konventionellen Sex, wo der Penis in die
Vagina eindringt, kann man mit fremden Menschen nicht machen. Wenn du deine
feste Partnerin im Bett hast, dann okay. Aber eine fremde Frau kommt sicher
nicht dafür vorbei, sich fingern oder die Muschi lecken zu lassen. Sie ist
für den steifen Penis da.
Ringo, 32, Freiberufler aus Gelsenkirchen
## „Impotenz ist ein Tabu“
Meine Impotenz hat mich im Leben immer bestimmt. Das, und das Gefühl, die
erwartete Leistung nicht bringen zu können.
Ich war schon immer schüchtern, die Impotenz hat meine Schüchternheit aber
verstärkt. In manchen Situationen steht man im Konkurrenz zu anderen
Männern, die aggressiv sind oder ein ausgeprägteres Jagdverhalten haben.
Diese Männer werden mehr wahrgenommen, dadurch gewöhnen sich die Frauen an
sie und ihre Verhaltensweisen. Ist auch kein Wunder. Sie gewöhnen sich
daran, dass Männer ihr Interesse offensiv zeigen. Wenn ein normales
Gespräch geführt wird, das nicht so offensiv ist, kann das als Desinteresse
missverstanden werden.
Einmal habe ich eine Frau kennengelernt, die wollte, dass es unbedingt zum
Vögeln kommt. Ich habe ihr allerdings schon vorher gesagt, dass es bei mir
nicht unbedingt so einfach ist. Sie bestand darauf. Und als das nicht
funktioniert hat, hat sie ihre Enttäuschung ausgedrückt. Das hat mich
ziemlich verletzt.
Die Angst zu versagen hat mich beeinträchtigt. Aber die Entwicklung der
Medikamente gegen Erektionsstörungen hat meinem Selbstbewusstsein einen
Schub gegeben. Leider werden über diese Medikamente so viele Witze darüber
gemacht. Ich könnte da echt kotzen. Ich wünsche mir schon lange, das Thema
an die Öffentlichkeit zu bringen und dazu zu stehen. Aber ich habe mich nie
getraut zu sagen: „Ich bin impotent, und diese Medikamente helfen mir.“
Ohne sie könnte ich niemals vögeln, und ich hätte auch keine Kinder. Obwohl
es dringend nötig wäre, konnte ich es bisher nicht mal im Freundeskreis
öffentlich machen.
Über Impotenz zu reden ist ein Tabu, und das muss enttabuisiert werden. Es
wird zu wenig darüber geredet. Wenn irgendwann ein paar Promis mit ihrer
Impotenz nach vorne träten, würde das zur Enttabuisierung beitragen. Sowie
bei der ganzen Identitäts- und Geschlechterfragen.
Marek, 50, Programmierer aus Hannover
## „Penetration kann schmerzhaft sein“
Die Vorstellung, dass Männer ständig Sex haben wollen, führte für mich
schon zu Problemen. Wenn ein Mann keinen Sex haben möchte, wird das sogar
manchmal gegen ihn verwendet, weil die Frau davon ausgehen könnte, dass der
Mann sein Bedürfnis schon mit irgendwem anderen gestillt hat.
Irgendwann hatte meine Freundin Lust auf Sex und ich nicht. Aus
verschiedenen Gründen lief das innerhalb der Beziehung nicht so rund. Als
ich ihr sagte, dass ich da gerade keine Lust darauf habe, hat das bei ihr
zu Eifersucht geführt. Sie hat Sachen gesagt wie „Männer wollen doch immer,
aber mit mir willst du nicht. Du hast doch bestimmt was mit einer anderen
gehabt.“ Das stimmte aber nicht.
Dazu kommt, dass ich eine Vorhautverengung habe. Manchmal kann es
unangenehm werden. Die Penetration kann für mich schmerzhaft sein. Ich habe
zwar nicht viele Partnerinnen gehabt, aber die, die ich bisher hatte, waren
sehr verständnisvoll. Das muss offen kommuniziert werden, was aber
schwierig ist. Das kann ich nur, wenn ich die Frau schon etwas länger
kenne. Wenn ich Single bin, mache ich mir Sorgen, auf Frauen zuzugehen,
weil man sich immer neu erklären muss.
Wenn ich eine Frau aufgrund meiner Vorhautverengung nicht zum Höhepunkt
bringen kann, ärgere ich mich, auch wenn die Frau total verständnisvoll
ist. Ich habe das Gefühl, meine Leistung als Mann nicht erbracht zu haben.
Ich habe noch nie mit jemandem darüber geredet, weil ich nicht unbedingt
Menschen um mich herum habe, denen man so etwas anvertrauen kann. Ich würde
gerne darüber sprechen, wenn ich wüsste, dass ich nicht lächerlich gemacht
werde. Männer können immer über die Sexualität reden, aber nur wenn es
etwas Prahlerisches hat. Nicht wenn man eine Schwäche zugibt. Das liegt an
den Geschlechterrollen: Der Mann bringt die Leistung, und die Frau ist die
Trophäe.
Friedrich, 24, Student aus Kassel
18 Feb 2018
## AUTOREN
Sibel Schick
## TAGS
Sexualität
Sex
Männer
Sigmund Freud
Sex
Sexualität
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